John Katzenbach
»Deutsche Leser sind sehr erfahren in Psychologie und im menschlichen Kräftespiel«
12.2010 Wie man beim Fliegenfischen entspannt, warum Bayern München eigentlich in einem seiner Bücher vorkommen sollte und was hinter seinem neuen Psychotriller Der Professor steckt – darüber sprach Andreas Kurth mit dem US-Amerikaner John Katzenbach.
Krimi-Couch: John Katzenbach, Ihre Familie kommt aus Deutschland, aus dem kleinen Dorf Katzenbach. Wann gingen Ihre Vorfahren nach Amerika?
John Katzenbach: Das war gerade gestern, so um 1650, glaube ich.
Krimi-Couch: In Ihrem neuen Buch erwähnen sie in unterschiedlichen Zusammenhängen die Red Sox. Wie ist Ihr Lieblingsteam derzeit in Form?
John Katzenbach: Nun, die World Series ist gerade zu Ende gegangen, und das Team aus San Francisco hat gewonnen, und das macht meinen Bruder sehr, sehr glücklich, denn er lebt in San Francisco. Die Red Sox hatten eine schwierige Saison, viele Verletzungen, viel Pech.
Krimi-Couch: Haben Sie selbst Baseball in einem Team gespielt?
John Katzenbach: Nur als Kind, noch vor der College-Zeit. Ich sollte das mal erklären: In Neu-England, wo ich lebe, sind die Red Sox kein Baseball-Team, sie sind ein Rauschgift, von dem wir alle abhängig sind. Sie gehen dir unter die Haut und in dein Herz, sie gehen in deinen Kopf und in deine Seele. Und mit dem wechselnden Geschick des Teams verändert sich auch die Persönlichkeit von allen in Neu-England. Ich baue so oft ich kann kleine Hinweise auf die Red Sox in meinen Büchern ein. Angesichts meiner Popularität in Deutschland habe ich schon mal überlegt, das in Hinweise auf Bayern München zu ändern.. …Aber bisher konnte ich mich noch nicht dazu bringen, es zu tun. Vielleicht beim nächsten Mal.
Krimi-Couch: Sie sind begeisterter Fliegenfischer. Was fasziniert Sie daran?
John Katzenbach: Das ist eine großartige Frage. Es ist die Jagd. Wenn man für eine Sekunde darüber nachdenkt, wird klar, dass man als Fischer im Bereich zwischen deiner Welt und der Welt der Fische arbeiten muss. Du musst den Fisch überlisten, du musst wie ein Fisch denken, du musst dich mit so vielen Dingen beschäftigen, die darüber entscheiden, ob du einen Fisch fängst oder nicht.
Krimi-Couch: Haben Sie wie Hemingway auch schon in der Karibik gefischt?
John Katzenbach: Ja, gerade jetzt wieder in den Florida Keys. Und ich habe einen großen Fisch gefangen, einen Tarpin. Man nennt das Flach-Fischen, es geht dabei um große Fische, die in Flachwasser-Zonen kommen. Man muss den Fisch auskundschaften, und ihm dann eine Fliege vor das Maul werfen. Das ist eine wilde und schöne Art zu fischen.
Krimi-Couch: Einer Ihrer Lieblingsfilme ist Der Soldat James Ryan. Reizt es Sie, einen Roman zu schreiben, der in der Zeit des Zweiten Weltkrieges spielt?
John Katzenbach: Oh, ja, das habe ich schon getan, Hart’s war, auf deutsch Das Tribunal, was auch verfilmt wurde. Die Handlung basierte sehr eng auf den Erfahrungen meines Vaters im Zweiten Weltkrieg, wo er drei Jahre als »Gast« der deutschen Luftwaffe im Stalag VI A in der Nähe von Dortmund verbrachte. Ich schrieb diesen Roman über seine persönlichen Erfahrungen, und es wurde mit Bruce Willis und Colin Farrell unter dem deutschen Titel Das Tribunal verfilmt.
Krimi-Couch: In Der Professor geht es um kriminelle Pornographie im Internet und um einen dementen Wissenschaftler. Mussten Sie für beide Themenkreise viel recherchieren? Das war sicher nicht so einfach?
John Katzenbach: Nein, es war nicht einfach. Eine ausgezeichnete Frage. Als Roman-Schriftsteller muss man so viel recherchieren, dass man seine Bücher als real erscheinen lassen kann. Aber man muss auch vorsichtig sein, und nicht zu viel recherchieren, damit es kein medizinisches Buch wird, oder sonstwie zu wissenschaflich. Zum Thema Internet: Ich habe einen früheren Freund angerufen, einen ehemaligen FBI-Agenten. Er hat mir Plätze im Internet gezeigt, die die meisten Menschen nicht besuchen würden. Im Buch geht es nicht eigentlich um Pornographie, sondern um Ausbeutung, darum wie Menschen jemanden benutzen. Und es hat eine sexuelle Komponente.
Zum Thema Demenz: Bei einem guten Freund von mir wurde Demenz diagnostiziert, und zwar eine Art von Demenz, die ihn eventuell töten würde. Als ich dann viel über diese heimtückische Krankheit gelesen habe, um zu erfahren, was mit meinem Freund passieren könnte, hatte ich die Idee zu diesem Roman. Denn ich bin bei der Lektüre auf die Form von Demenz gestoßen, die ich in Der Professor beschreibe. Der Patient leidet dabei an Halluzinationen und langsamem Gedächtnisverlust.
Krimi-Couch: Erzählen Sie uns ein wenig von Ihrer Arbeitsweise. Wie kommen Sie auf neue Ideen für Ihre Romane? Und haben Sie bevorzugte Tageszeiten zum Schreiben?
John Katzenbach: Lassen Sie mich den zweiten Teil zuerst beantworten. Ich schreibe jeden Tag. Morgens fange ich damit an, denn gehe ich laufen oder mache Übungen im Studio. Wenn ich zurückkomme, überarbeite ich alles, was ich am Morgen geschrieben habe, und füge vielleicht etwas Neues hinzu. Und auch am späten Abend lese ich nochmal drüber, und am nächsten Morgen geht es wieder so weiter.
Ideen kommen mir auf vielfältige Weise. Aus einer Unterhaltung, oder durch einen Gedanken, den man plötzlich gewissermaßen selbständig im Kopf hat. Man liest etwas in der Zeitung, man sieht etwas im Fernsehen, oder etwas, das Freunde tun. Manchmal ist es auch eine Kombination verschiedener Dinge – und plötzlich hat man einen ganzen Roman vor Augen. Und das passiert immer und immer wieder. Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass es mir anders geht. Dann müsste ich mich vielleicht zur Ruhe setzen, in die Berge oder zum Fischen gehen.
Krimi-Couch: Sie sind auf Lesereise in Deutschland. Wie wichtig sind Ihnen Ihre zahlreichen deutschen Fans, und was schätzen Sie besonders an Ihren deutschen Lesern?
John Katzenbach: Meine deutschen Fans sind mir außerordentlich wichtig. Aber ich publiziere auf der ganzen Welt, und mache keinen allzu großen Unterschied darin, wie ich eine Geschichte erzählen. Wenn ich anfangen würde, mich zu fragen, wie die Deutschen ein Geschichte finden, oder die Spanier oder die Menschen in Argentinien, dann wäre ich innerhalb weniger Minuten verrückt. Was ich wirklich zu tun versuche, ist meine Geschichte zu erzählen. Und ich versuche, sie so spannend wie möglich zu machen.
Das bringt mich zum zweiten Teil Ihrer Frage. Deutsche Leser – das merke ich immer wieder durch die Fragen aus dem Publikum oder durch Fragen in Interviews – sind sehr erfahren in Psychologie und im menschlichen Kräftespiel. Es ist eine schwierige Sache, zu erzählen, welche Beziehungen wir alle haben. Und so haben deutsche Leser ein gewisses Maß an Auffassungsgabe für die Geschichten. Und was sie erwarten ist, dass ich als Autor mit einer klugen Geschichte darauf eingehe. Und das ist es, woran ich wirklich hart arbeite. Es ist dabei wichtig, die Geschichte nicht zu sehr zu vereinfachen. Wenn ich das machen würde, würden es alle meine Leser hier bemerken.
Krimi-Couch: Der Professor ist jetzt ins Deutsche übersetzt worden, also schreiben Sie wahrscheinlich schon an Ihrem nächsten Roman. Mögen sie uns etwas darüber erzählen?
John Katzenbach: Ich bin sehr vorsichtig damit, über Ideen zu sprechen, an den ich gerade arbeite. Aber diese Frage kommt auch immer wieder aus dem Publikum. Im Moment interessiert mich die Idee, dass eine junge Frau im College-Alter – also 21 oder 22 Jahre alt – in eine Situation kommt, wo sie sich wie ein Detektiv verhalten muss. Und daran arbeite ich derzeit.
Krimi-Couch: John Katzenbach, vielen Dank für dieses Interview.
Das Interview führte Andreas Kurth am 04.11.2010 in Hamburg.
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