Jutta Profijt
Ein Geist, ein Pathologe, Linguistik
08.2009 Natürlich dürfe man sowohl über ihren Krimi als auch über sie selbst lachen – gar kein Problem. Was es mit Sprache, prolligen Geistern und biederen Pathologen in ihrem Roman Kühlfach 4 auf sich hat, erzählte die Niederrheinerin Lars Schafft im Interview.
Krimi-Couch: Frau Profijt, der Plot von Kühlfach 4 klingt ja schon ein wenig eigenartig: Ein stockbiederer Pathologe, den ein Geist auf Mörderjagd schickt. Nicht gerade ein herkömmlicher Krimi.
Jutta Profijt: Nein, das sollte er auch nicht sein. Herkömmliche Krimis mit Kommissaren oder Detektiven gibt es ja unzählige und ich wollte etwas anderes machen, was eben nicht so bierernst ist.
Krimi-Couch: Im Nachwort bedanken Sie sich bei einem Rechtsmediziner, der sie – mehr oder wenig unbewusst – auf die Idee zu Kühlfach 4 gebracht hat. Wie hat der gute Mann das angestellt?
Jutta Profijt: Ich war mit einer Gruppe von Leuten zu einer Besichtigung des Rechtsmedizinischen Instituts und wir haben uns die Kühlfächer angeschaut und von diesem Rechtsmediziner Dia-Vorträge gesehen. Irgendwann fragte dann eine Teilnehmerin der Gruppe, ob sich der ein oder andere Rechtsmediziner in Gegenwart so vieler toter Menschen nicht schon einmal beobachtet fühlt. Dr. Glenewinkel, der Rechtsmediziner, sagte: »Nee, das wäre auch ganz schlecht. Dann könnte dieser Rechtsmediziner den Job nicht mehr machen.«
Und das hat mich auf die Idee gebracht! Die erste Idee bestand aus zwei Teilen: Zunächst mal habe ich quasi bildlich vor Augen gehabt, wie ein Geist – ich wusste direkt, dass das ein Machoproll sein muss – im Institut herumhängt. Der zweite Teil der Idee war sofort der Titel Kühlfach 4, das war mir von Anfang an klar. Den Titel hat der Verlag freundlicherweise – glücklicherweise! – auch übernommen.
Krimi-Couch: Sie denken Paschas Geist-Sein bis zum Ende durch. Wenn er keinen Körper mehr hat, kann er folglich durch Wände laufen. Freilich ohne zu sehen, was dahinter liegt. Und landet in einer Mikrowelle. Muss man bei solchen Absurditäten nicht schon beim Schreiben lachen?
Jutta Profijt: Doch, natürlich! Ich habe während der gesamten Arbeit an diesem Buch monatelang, von morgens bis abends, im Kreis gegrinst. Das ist ja das Schöne an dieser Arbeit.
Krimi-Couch: Schauen wir mal auf das hervorstechendste Merkmal ihres Romans: die Sprache. Ich behaupte jetzt einfach mal, dass Wortschöpfungen wie »krokofantös« oder »Telefonanierer« nicht zu Ihrem aktiven Wortschatz gehören?!
Jutta Profijt: Nein, normalerweise nicht.
Krimi-Couch: War es schwer sich in die Sprache Paschas hineinzuschreiben?
Jutta Profijt: Es war für mich ganz schwierig, erstmal die richtige Sprache zu finden, denn einfach nur die Formulierung, der Typ soll Macho und Proll sein, könnte ja auch heißen, dass er sich mit unflätigen Fäkalwortausdrücken artikuliert. Das wollte ich natürlich keinesfalls. Als ich dann aber diese Sprache gefunden habe, die auf der einen Seite ziemlich respektlos ist, aber auf der anderen Seite selten beleidigend und eigentlich immer extrem kreativ und phantasievoll, da war ich ganz glücklich.
»Der Typ soll Macho sein, ein Proll«
Als ich sie dann einmal gefunden hatte und verstanden habe, wie das funktioniert, mehrere Hauptwörter zusammenfügen, die sonst nicht zusammen gehören oder eben auch ein Wort aus einem bestimmten Bedeutungsumfeld in ein anderes Bedeutungsumfeld zu übernehmen, da konnte ich die dann auch weiterentwickeln.
Krimi-Couch: Das klingt fast so, als hätten Sie sich Ihr eigenes Linguistik-Seminar zusammengeschraubt?
Jutta Profijt: [lacht] Ja, so könnte man das wahrscheinlich sagen.
Krimi-Couch: Mir scheint auch, Sie haben eine besondere Vorliebe für Wortwitze?
Jutta Profijt: Ja, da sind einige Formulierungen bei, die sich auf »Seele« oder »Geist« beziehen. So Dinge, die mir dann relativ spontan einfallen. Es gibt viele solche Wörter, die, wenn man sie tatsächlich den Buchstaben gemäß betrachtet, auch einen anderen Sinn haben können. Genau wie ein Betriebswirt der Pächter der Unternehmenskantine sein kann. Solche Verbindungen, Sinnverschiebungen, sind mir aufgefallen, als ich mich längere Zeit mit dieser Sprache beschäftigt habe.
Krimi-Couch: Martin Gänsewein und Pascha sind zwei völlig unterschiedliche Typen. Überhaupt lebt das Buch von diesem Gegensatz. Haben Sie sich im Laufe des Schreibens mehr für eine dieser Seiten begeistern können?
»So rotzfrech und trotzdem irgendwie liebenswert«
Jutta Profijt: Mich hat natürlich das Schreiben von Pascha mehr begeistert, weil er einfach alle Grenzen sprengt. Der ist so rotzfrech und trotzdem irgendwie liebenswert, wie sonst kein Mensch ist, den ich kenne. Und ich glaube, ich würde ihn auch nicht wirklich gerne kennen wollen – persönlich. Er würde auch mir den letzten Nerv rauben. Wirklich so zu schreiben, dass er Dinge sagen darf, die wir alle nie sagen würden, weil wir Angst hätten den anderen zu verletzen – das macht einfach wahnsinnig viel Spaß!
Krimi-Couch: Wenn man sich so umschaut, war die Resonanz bisher wirklich großartig. Gab es denn auch Stimmen, die einen Pathologen-Thriller erwartet haben, wie man ihn zum Beispiel von Kathy Reichs her kennt? Schließlich haben Sie mal eine Lesung in der Pathologie gehalten.
Jutta Profijt: Es gab wenig Stimmen, die gesagt haben, sie hätten etwas anderes erwartet. Etwas wie einen Thriller aus der Rechtsmedizin, mit ganz viel Fakten. Das gab es wenig. Es gab Stimmen, die gesagt haben, diese Sprache ist einfach überzogen und sie überschreitet die Grenzen des guten Geschmacks. Das waren aber wenige und damit kann ich dann auch leben. Jeder hat ein anderes Sprachempfinden und dass es Menschen gibt, die sich von der Sprache abgestoßen fühlen, kann ich mir durchaus vorstellen. Die überwiegende Mehrheit war aber positiv.
Krimi-Couch: Stört es Sie eigentlich wenn man Kühlfach 4 als einen »Jux-Krimi« bezeichnet? Sie vielleicht als Krimiautorin weniger ernst nimmt als Kolleginnen und Kollegen aus der Psychothriller-Ecke oder der Regio-Schublade?
Jutta Profijt: Nein, stört mich überhaupt nicht. Man muss weder mich noch meinen Krimi ernst nehmen. Wenn die Leute lachen, dann finde ich ist das vollkommen in Ordnung. Und das dürfen Sie auch gerne über mich und meinen Krimi tun.
Krimi-Couch: Im Dezember kommt mit Im Kühlfach nebenan nun der Nachfolger heraus. Können Sie dazu schon etwas verraten?
»Eine Nonne auf dem Weg in den Himmel«
Jutta Profijt: Es wird noch einen Geist geben: eine Nonne, die auf dem Weg in den Himmel auch irgendwie den richtigen Zugang nicht findet und Pascha eine Zeit lang Gesellschaft leistet. Na ja, und mit einer Nonne hat Pascha, wie man sich natürlich vorstellen kann, so seine Schwierigkeiten.
Krimi-Couch: Wie sieht es mit Ihren weiteren Plänen aus: Wird Pascha irgendwann mal seinen Seelenfrieden finden?
Jutta Profijt: Ich habe nicht vor, ihn seinen Seelenfrieden so schnell finden zu lassen und der Verlag auch nicht. Wir reden gerade über einen dritten Band und ich denke, die Leser entscheiden, wie es danach weitergeht.
Das Interview führte Lars Schafft im August 2009.
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