Vincent Kliesch
»Ich bin kein Freund von Whodunnits«
05.2011 Vincent Kliesch, der sich als Comedian bereits einen Namen gemacht hat, hat mit »Der Todeszauberer« seinen zweiten Roman rund um den genialen Ermittler Julius Kern vorgelegt. Mit Andreas Kurth sprach er über ein Leben zwischen crime und comedy, den Tod als größte menschliche Urangst, und stellt klar, dass der Mörder in seinen Thrillern immer die Hauptperson ist.
Krimi-Couch: Vincent Kliesch, ein Comedian, der spannende Kriminalromane schreibt. Ist das nicht ein inhaltlicher Widerspruch? Und wie kommt man damit zurecht?
Vincent Kliesch: Der Thriller liegt der Comedy keineswegs fern. In beiden Fächern baut man Spannung auf und bringt das Publikum dazu, wissen zu wollen, worauf die Geschichte hinausläuft. Und in beiden Fächern ist der Zuschauer über die Auflösung am Ende überrascht. Nur, dass er über die Auflösung in der Comedy lacht, während ihn die des Thrillers erschreckt oder sogar gruselt. Der Wunsch zu schreiben ist bei mir außerdem sehr viel älter als der Comedy zu machen. Schon mit 14 habe ich meinen ersten Roman auf meiner mechanischen Schreibmaschine getippt. (Was für ein Glück, dass den keiner gedruckt hat ...) Die Idee, Comedy-Romane zu schreiben, hatte ich seltsamerweise trotz allem nie. Ich fand immer schon Thriller interessanter und mir war zu jeder Zeit darüber im klaren, dass ich auch nur in diesem Genre würde schreiben wollen.
Krimi-Couch: Eine Frage zu Ihrer Arbeitsweise, weil sich das bei dieser Kombination aufdrängt: Schreiben Sie zu festen Zeiten? Und behindert die Arbeit als Comedian nicht den schöpferischen Prozess des Schreibens?
Vincent Kliesch: Feste Zeiten habe ich nicht, aber ich schreibe am liebsten nachts, wenn es ganz ruhig um mich herum ist. Ich kann dann tiefer in meine fiktive Welt eintauchen und fühle mich meinen Figuren näher. Die Arbeit als Comedian und Moderator behindert mich dabei nicht. Ich mache beides leidenschaftlich gern und kann von einem zum anderen problemlos hin und her springen. Ich glaube, dass einem die Dinge, die man liebt, niemals schwer fallen.
Krimi-Couch: In Ihrem ersten Roman haben Sie den Ermittler Julius Kern und seinen Intim-Feind, den Mörder Tassilo Michaelis, bei den Lesern eingeführt. Jetzt treten beide Figuren auch wieder in »Der Todeszauberer« auf. Was macht für Sie als Autor den besonderen Reiz dieser ungewöhnlichen Konstellation aus?
Vincent Kliesch: Ich habe schon als Kind fasziniert Goethes »Faust«, später dann auch »Das Schweigen der Lämmer« gelesen. Das uralte Prinzip des Paktes mit dem Bösen finde ich unwahrscheinlich spannend, weil beides einander so nah ist. Kern und Tassilo sind ja fast schon wie Freunde, die sich lediglich über eine Meinungsverschiedenheit gestritten haben. Der Reiz in meinem Fall ist, das hoffe ich zumindest, dass Kern und Tassilo einander nicht nur ebenbürtig scheinen, sondern, dass ihre Verbindung auch auf seltsame Weise ein Geheimnis zu umgeben scheint. Außerdem ist es natürlich auch eine reizvolle Ausgangssituation, dass der extrem ehrgeizige Kern verkraften muss, dass er dieses eine Mal nicht gewonnen hat – das wird ihn so bald auch nicht loslassen …
Krimi-Couch: In »Die Reinheit des Todes« wird geschildert, warum Tassilo mehrere Menschen umgebracht hat, die ihn als Kellner schlecht behandelt haben. Da fragt man sich: wie hält das Servicepersonal die schlechte Behandlung in der Realität aus? Oder haben Sie doch ein wenig übertrieben?
Vincent Kliesch: Alle Geschichten, die ich im Buch erzähle, sind mir oder Kollegen wirklich genau so passiert. Und es ist tatsächlich nicht immer leicht, das auf Dauer auszuhalten. Natürlich sind ja nur wenige Gäste so furchtbar wie die im Buch beschriebenen, aber Ventile, diesen Dampf abzulassen, braucht man in dem Job schon. Mein Ventil war, »Die Reinheit des Todes« zu schreiben. Ich glaube aber auch, dass niemand diesen Beruf allzu lange ausüben kann, ohne Spuren davon zu tragen. Mir sind zu viele ältere Kollegen begegnet, die körperlich krank und nervlich am Ende waren, als dass ich den Beruf noch sehr viel länger ausgeübt hätte.
Krimi-Couch: Es scheint derzeit nur noch Serienmörder in deutschen Kriminalromanen zu geben. Müssen es immer ganze Mordserien sein? Ist es zu schwierig, einen Einzelfall zu beschreiben und dennoch hohe Spannung zu erzeugen?
Vincent Kliesch: Es ist schon leichter, wenn man immer wieder neue Morde beschreiben kann, die die Spannung hoch halten. Ich werde vielleicht mal einen Thriller schreiben, in dem es nur einen oder sogar gar keinen Toten gibt, aber zurzeit halte ich mich noch an das, was die Leser von mir kennen und vermutlich erwarten. Serienmörder, das darf man nicht außer Acht lassen, sind ja beim Leser auch sehr beliebt. Ich finde, man muss dem Käufer eines Buches das bieten, was er mag. Spannung ohne Tote zu erzeugen geht natürlich auch, aber der Tod bleibt eben auch die größte menschliche Urangst – und unsere Urängste faszinieren uns halt am stärksten.
Krimi-Couch: Ihre Romane spielen in der pulsierenden Metropole Berlin. Wie wichtig ist es für Sie, die Orte der Handlung persönlich zu kennen?
Vincent Kliesch: Unerlässlich. Auch, wenn der Leser die Orte nicht kennt, wird er intuitiv spüren, ob ich weiß wovon ich rede oder nicht. Ich habe neulich eine mehrtägig Recherchereise in eine europäische Stadt gemacht (welche wird nicht verraten), damit der Leser später spüren kann, dass ich da wirklich gewesen bin. Wichtig sind mir die Details, die man nicht bei Google-Streetview recherchieren kann. Eine Frau mit einem dicken Hund an der Leine oder ein Straßenmusiker mit einer Ukulele kann am Ende den Unterschied für den Leser ausmachen, ob er die Szene glaubt oder nicht. Und wenn solche Figuren bei mir auftauchen, dann habe ich sie auch wirklich an diesem Ort gesehen.
Krimi-Couch: Julius Kern ist ein Ermittler mit ungewöhnlichen Methoden. Er zerschlägt Wassermelonen mit dem Hammer, um sich in die Person des »Schläfenmörders« hinein zu versetzen. Beim »Putzteufel« hat er eine Nacht lang ein Zimmer gereinigt. Ist der Kommissar besessen – oder einfach nur genial?
Vincent Kliesch: Ich habe mal einen Freund, der über ein absolutes Gehör verfügt, gefragt, wie er das hinbekommt, einen Ton zu hören und sofort zu wissen, welcher es ist. Seine Antwort war ein Achselzucken und die Worte: »Ich weiß nicht, warum Du das nicht kannst.« So stelle ich mir Kern vor. Es ist einfach selbstverständlich für ihn, so fühlen zu können wie der Mörder, den er sucht. Deswegen macht er darum auch nie ein Aufhebens. Kerns Besessenheit ist eher die für die Gerechtigkeit. Darüber, dass er vermutlich genial ist, hat er selbst mit Sicherheit noch nie nachgedacht.
Krimi-Couch: Ungewöhnlich ist auch, dass sie Ihren Lesern frühzeitig einen genauen Einblick in die Sichtweise und Psyche des Mörders geben. Ist das für Sie ein wichtiges Stilmittel?
Vincent Kliesch: Ich bin kein Freund von »Whodunnits«. Der Mörder ist in einem Thriller für mich die klare Hauptperson. Ein Mensch, der andere Menschen tötet, ist so faszinierend, dass ich dem Leser erzählen will, warum er das tut. Halte ich seine Identität geheim, habe ich keine Möglichkeit, seine Geschichte zu erzählen. Ich bin auch der Meinung, dass ein unbekannter Mörder nicht in einen Thriller, sondern in einen Krimi gehört. Es beschwert sich ja auch keiner darüber, dass man bei Batman sofort weiß, dass der Joker der Böse ist.
Krimi-Couch: Julius Kern wird doch sicher noch einige Fälle lösen. Ist der nächste bereits in Arbeit? Und mögen Sie schon etwas darüber verraten?
Vincent Kliesch: Ich schreibe gerade fleißig am dritten Teil der Trilogie. Allzu viel kann ich natürlich noch nicht verraten, aber es wird viele überraschende Wendungen geben. Und kleine, unscheinbare Bemerkungen und Details aus den beiden ersten Büchern werden plötzlich in einem ganz anderen Licht gesehen werden …
Krimi-Couch: Herr Kliesch, vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Andreas Kurth im Mai 2011.
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