Cody McFadyen

Nietzsche auf dem iPad

04.2011 Nietzsche auf dem iPad – hätten Sie das von einem Thriller-Autoren wie Cody McFadyen erwartet? Krimi-Couch-Chefredakteur Lars Schafft traf den US-Amerikaner auf seiner Lesereise in Deutschland und sprach mit ihm über seinen aktuellen Roman Der Menschenmacher.

Krimi-Couch: Cody McFadyen, willkommen zu unserem Interview mit Krimi-Couch.de. Sie sind nun seit ein paar Tagen in Deutschland, reisen viel und bewerben Ihr neues Buch The Innocent Bone – Der Menschenmacher

Cody McFadyen: Übersetzt etwa The People Maker, richtig? Ein sehr guter Titel. Perfekt!

Krimi-Couch: Genau. Wir werden später noch darauf zurück kommen. Wie waren denn Ihre bisherigen Erlebnisse in Deutschland?

»Die deutschen Leser sind sehr leidenschaftlich.«

Cody McFadyen: Letztes Jahr war ich das erste mal in Deutschland. Man muss einen Ort erstmal besuchen, um ihn zu verstehen. Das Buch hat sich gut verkauft. Die Leute mochten es, und ich habe viele E-Mails bekommen. Das erste mal, als ich aber in einen Raum voller Menschen kam, die sich alle für mich und mein Buch interessierten, fand ich richtig verstörend. Eigentlich bleibe ich nämlich lieber zu Hause in meiner geschützten Umgebung. Ich beschäftige mich nicht so viel mit anderen Menschen. Wenn ich rausgehe, genieße ich es, aber normalerweise führe ich ein sehr privates Leben. Aber es ist toll. Die deutschen Leser sind sehr leidenschaftlich. Es ist manchmal schwer, sie dazu zu bewegen, Fragen zu stellen. Wenn es aber einmal läuft, dann sind sie sehr enthusiastisch. Ich kann mich überhaupt nicht beschweren.

Krimi-CouchDer Menschenmacher wurde zuerst auf Deutsch veröffentlicht.

Cody McFadyen: Das stimmt. Mein ehemaliger amerikanischer Verlag, Bantam, wurde restrukturiert. Wir werden einen neuen Verlag finden. Dennoch wird es wohl erst nächstes Jahr veröffentlicht werden. Eigentlich werden meine Bücher meistens zuerst auf Deutsch verlegt.

Krimi-Couch: Empfinden Sie das als eine Ehre?

»Ich gehöre nicht zu den Typen, die glauben, der einzig stichhaltige Beweis für Erfolg ist die Veröffentlichung in den USA.«

Cody McFadyen: Absolut! In Deutschland werde ich am meisten gelesen. Ich gehöre nicht zu den Typen, die glauben, der einzig stichhaltige Beweis für Erfolg ist die Veröffentlichung in den USA.

Krimi-Couch: Können Sie sich erklären, warum Sie gerade in Deutschland und Europa so erfolgreich sind?

Cody McFadyen: Ich wünschte, ich wüsste es! Dann würde ich es überall genau so machen. Ich weiß nicht. In Deutschland mochten sie meine Bücher von Anfang an.

Mein Erfolg in den USA war mittelmäßig. Ich weiß aber auch von anderen Autoren, die eine ähnliche Erfahrung gemacht haben. Es gab da ein Buch, dessen Titel mir gerade nicht einfällt...»Auf ewig unvergessen«. Ich habe den Autor, Phillip Margolin, kennengelernt, und er hat mir erzählt, das Buch hätte sich eine halbe Millionen mal in Deutschland verkauft – in den USA nur 20 Tausend mal. Ich denke, verschiedene Kulturen nehmen Dinge verschieden auf. Meine Bücher sind sehr brutal und von einem Mann geschrieben. In den USA kann das den Unterschied ausmachen.

Krimi-Couch: Sie haben den Unterschied des deutschen Titels »Der Menschenmacher« gegenüber dem Originaltitel »The innocent bone – Der unschuldige Knochen« erwähnt. Was sagen Sie zu diesem Unterschied?

Cody McFadyen: Ich kann es mir nur mit kulturellen Unterschieden erklären. Mir wurde gesagt, dass Unschuld in Deutschland mit Jungfräulichkeit assoziiert wird. »Der unschuldige Knochen« wäre also eine ziemlich unglückliche Kombination. Im Englischen ist es ziemlich wortgetreu. Wir werden alle mit unschuldigen Knochen geboren und irgendwann verlieren wir diese Unschuld.

Krimi-Couch: Der Titel bezieht sich also auf Kinder?

Cody McFadyen: Richtig. Manchmal verlieren auch Kinder ihre Unschuld, und das ist eine Tragödie. Aber »Der Menschenmacher« ist ein guter Titel, er passt. Ich bin mit ihm sehr zufrieden.

Krimi-Couch: Ich frage mich, ob »Der Menschenzerstörer« genau so korrekt wäre?

»Die Bösen halten sich selbst eben nicht für die Bösen.«

Cody McFadyen: Nein, das wäre Schwarz-Weiß-Malerei, und ich denke, das gilt für viele Verrückte. Hemingway hat einmal gesagt, die Aufgabe eines Schriftstellers bei der Beschreibung eines Verbrechers sei es, ihn zu verstehen, nicht zu verurteilen. Die Bösen halten sich selbst eben nicht für die Bösen. Die Idee, dass jemand herumstolziert und »Ich bin böse« ruft, existiert nicht. Das liegt nicht in der menschlichen Natur. Die Leute versachlichen, was sie tun. Als Menschenzerstörer würden sie sich also nicht sehen. Sie handeln in der Annahme, etwas zu erschaffen.

Krimi-Couch: Halten sie Verbrecher für die interessanteren Charaktere?

Cody McFadyen: Zumindest sind sie leichter zu beschreiben. Wir beurteilen Menschen nun mal nach dem Handeln. Bei normalen Typen, die normale Sachen machen, weiß man nie, was sich dahinter verbirgt. Aber hey, wenn jemand tötet, mordet und stiehlt, dann weiß man sofort eine ganze Menge. Ich finde Schurken aber nicht am interessantesten. Ich würde sagen, die normalen Charaktere faszinieren mich am meisten. Im Großen und Ganzen halte ich das Böse für langweilig. Es ist einfach. Sich als normale Person durchschlagen, auch wenn man kein guter Mensch ist, sich aber darum bemüht: So eine Reise ist sehr viel schwieriger und deutlich interessanter.

Krimi-Couch: Generell würde ich sagen, für einen typischen Thriller ist der Plot wichtiger als die Charaktere. Auf Ihrer Website habe ich allerdings gelesen, dass Sie sehr gerne Charakterstudien skizzieren?

»Für mich ist es wichtig, die Figuren zu verstehen, um die Handlung zu verstehen.«

Cody McFadyen: Ich fange mit den Charakteren an. Eigentlich fange ich jedes Buch mit einem Bild an. »Die Blutlinie« etwa fing mit Träumen an. Dieser Abschnitt und der Name der Hauptfigur – das war alles was ich hatte. Ich wusste noch nicht, wie sich die Handlung entwickeln würde. Bei »Der Menschenmacher« war es ähnlich. Ich habe mit dem »1968-1974 Spruch«mit seiner Mutter angefangen. Dieses Motiv hat dann quasi das Buch geschrieben. Ich schätze, für mich haben die Charaktere Priorität, und ich frage mich, was wohl mit ihnen geschieht. Manche Schriftsteller starten mit der Handlung, die die Personen beeinflusst. Für mich ist es wichtig, die Figuren zu verstehen, um die Handlung zu verstehen.

Krimi-Couch: »Charakter« ist ein gutes Stichwort. Mit Der Menschenmacher haben sie die Serie rund um Smoky Barrett verlassen. Warum?

Cody McFadyen: Es gab einige Gründe. Der wichtigste war, einfach eine Pause einzulegen. Nicht, dass ich von ihr gelangweilt wäre. Ich schreibe bereits an einem neuen Band. Das bin ich schon sehr häufig gefragt worden. Ich habe mich mit Schriftstellern unterhalten, die ebenfalls Serien schreiben, und habe sie gefragt, wie sie es schaffen, erfolgreich zu bleiben. Man darf einfach nicht gelangweilt sein! Man darf keinen blinden Punkt entwickeln. Das geschieht beim Schreiben sehr oft und zeigt sich erst beim Redigieren. Dann fragt einen der Verleger, ob man dieses klaffende Loch in der Geschichte nicht sehe. Man selbst sieht es eben nicht. Ich denke, das passiert, wenn man zu lange an einer Serie arbeitet und sich eben keine Auszeit gönnt. Dann entwickelt man diese blinden Punkte und verliert seine Kreativität. Im letzten Smoky-Band habe ich sie aus Kalifornien geholt, und sie ist schwanger. Ich habe beschlossen, dass es das Beste für die Serie ist, wenn ich mal eine Pause mache. Das ist der Hauptgrund.

Krimi-Couch: Birgt dieser Schritt nicht das Risiko, seine Fans zu enttäuschen?

Cody McFadyen: Das ist es immer, aber ich habe mich von all den Meinungen nicht beeindrucken lassen. Das soll nicht arrogant klingen, aber ich bin nun mal der Schriftsteller. Letztendlich gebe ich für jedes Buch alles, was ich habe. Auch wenn die Leser anfangs nicht verstehen, warum ich das mache – ich verspreche, dass ich damit der Serie nur helfen will. Ich denke, es hängt direkt mit Smoky zusammen. Ich habe darüber auch in meinem Blog geschrieben. Ich lese gern Serien und bin auch enttäuscht, wenn – zum Beispiel lese ich gerne Karin Slaughter, ich mag die Stand Alones, die sie geschrieben hat, aber eigentlich will ich die Serie lesen.

Krimi-Couch: Würden Sie Jefferey Deaver zustimmen, der gesagt hat: »Ich weiß, was meine Fans wollen, und das gebe ich ihnen!«?

»Ich kann kein Buch schreiben, nur weil es die Fans wollen.«

Cody McFadyen: Ich denke, über Jeffery Deaver kann man sich nicht streiten. Er ist unglaublich erfolgreich und ein toller Schriftsteller. Aber Jeffery geht seine Bücher ganz anders an als ich. Ich habe einmal ein Interview von ihm gesehen, in dem er gesagt hat, dass er acht Monate plant und dann vier Monate schreibt. Er hat sein Konzept und ist unglaublich detail-versessen. Darüber hinaus bin ich ihm zu Dank verpflichtet. Er hat auf amazon in den USA seine Leseempfehlungen für Krimiautoren gegeben, sehr forensische Bücher. Ich habe sie alle gekauft, und sie waren sehr hilfreich. Aber ich gehe meine Bücher anders an. Ich muss das Gefühl haben, dass das Buch, das ich schreibe, es wert ist. Auf welcher Ebene auch immer. Ich versuche nicht, den »Großen amerikanischen Roman« zu schreiben. Wie auch immer. Ich kann kein Buch schreiben, nur weil es die Fans wollen. Nicht böse gemeint. Ich schreibe und hoffe, dass es ihnen gefällt.

Krimi-Couch: Was die Struktur und den Stil betrifft ist »Der Menschenmacher« sehr komplex: verschiedene Zeitlinien, wechselnde Perspektiven. Ist es Ihr bislang ambitioniertester Roman?

Cody McFadyen: Ganz klar. Das einzige Buch, das ihm nahe kommt, ist wahrscheinlich mein zweiter Roman – »Der Todeskünstler«. Ihn zu schreiben war ein Alptraum, weil das Tempo einfach nicht stimmen wollte. Es war schwierig, in der Zeit hin und her zu springen und dennoch die Handlung voran zu treiben.

Krimi-Couch: Sie schreiben Ihre Bücher hauptsächlich aus den Blickwinkeln von Frauen, man nehme Smoky Barrett. Warum wählen Sie diese Perspektive? Für einen Mann ist es doch schwierig, zu beschreiben, wie eine Frau fühlt?

Cody McFadyen: Für mich nicht! Das war die erste Frage, die mir jemals gestellt wurde, und sie traf mich vollkommen unvorbereitet. Ich fand, das war ehrlich eine tolle Frage, aber ich habe sie mir selbst niemals gestellt, während ich das Buch schrieb. Vielleicht war es gut, dass ich mir die Frage erst im Nachhinein gestellt habe, sonst hätte ich mir vielleicht zu viele Gedanken gemacht. Als ich dann zum ersten mal danach gefragt wurde, war ich verwundert, dass ich mir die Frage nicht eher gestellt habe. Ich weiß es immer noch nicht ganz genau, aber ich denke, es hat mit zwei Faktoren zu tun.

Zum einen gab es immer starke Frauen in meinem Leben. Ich hatte also niemals Grund, mich mit ihnen unwohl zu fühlen. Zum anderen glaube ich, dass wir jenseits einiger wichtiger Punkte innerlich nicht so unterschiedlich sind. Menschen sind Menschen. Frauen haben andere Geschmäcker. Und ich hatte Input. Mir wurde zum Beispiel erzählt, dass sich einige Frauen auf öffentlichen Toiletten nicht hinsetzen, sondern über dem Klo hocken. Das sind so Sachen, die ich nicht weiß. Aber ich beobachte alles. Überall, wo ich gerade bin, beobachte ich die Menschen und präge mir die Details ein. Aus irgendeinem Grund – ich glaube es ist auch Glück dabei – fällt es mir nicht schwer, aus der Sicht einer Frau zu schreiben.

Krimi-Couch: Kommen wir zurück zu Ihrem neuen Roman. Ich würde Ihnen gerne ein anderes, deutsches Buch zeigen: Also sprach Zarathustra.

Cody McFadyen: Ach Nietzsche. Damit kenne ich mich aus.

Krimi-Couch: Ich denke, Sie wissen, worauf ich hinaus möchte. Können Sie erklären, was Nietzsche mit »Der Menschenmacher« zu tun hat?

Cody McFadyen: Ich bin mir nicht sicher, ob die Antwort wirklich befriedigend sein wird. Ich neige dazu, über Super-Schurken zu schreiben. Und zwar mit Absicht. Es ist nicht real, diese Menschen gibt es nicht. Menschen, die solche Verbrechen im wahren Leben begehen, sind keine Superhirne. Das sind besessene, einsame und wütende Menschen, von denen viele nicht gerade intelligent sind. Das ist natürlich nicht sehr interessant. Es wäre etwas dürftig, die Frage nach dem Motiv einfach mit »Ihm war danach!« zu beantworten.

Als ich dieses Buch geschrieben habe, insbesondere die Szenen der Kinder, hatte ich ursprünglich ein religiöses Thema im Kopf. Als ich es dann nochmal durchgegangen bin, fand ich es aber ziemlich langweilig und unbefriedigend. Dann habe ich es in das Bild eines Verrückten geändert, der einfach Gefallen daran findet, andere zu verletzen. Das hat mich wirklich verstört. Und wenn es mich schon verstört, dann erst recht den durchschnittlichen Leser. Die Idee, dass jemand irgendwann ohne Grund beschließt, das Leben anderer Menschen zu zerstören. Vielleicht aus purer Langeweile. Aber das ist Realität. Das ist keine Welt, in der ich leben möchte. Daraufhin habe ich hin und her überlegt und den gesamten Lauf des Buches nochmal geändert. Ich habe ihn in das Reich des Menschenmachers verschoben, vorher hatte es diese Form noch nicht. Das Konzept von Nietzsche bildet ein Art Bezugssystem für seine Handlung. Das war wirklich notwendig. Ich brauchte das, weil ich selbst manchmal in diese düsteren Orte falle. Es war ein düsterer Ort, in dem ich eine Zeit lang gelebt habe.

Krimi-Couch: Wie intensiv haben sie sich mit Nietzsche beschäftigt?

Cody McFadyen: Ich habe dieses Buch gelesen und noch ein weiteres, dessen Titel mir gerade nicht einfällt. Ich habe es im Moment sogar auf meinem I-Pad. Ich habe einiges gelesen. Es ist interessant, denn ich denke, er ist zu Unrecht verschrien. Leute neigen dazu, zu sagen, dass Nietzsche den perfekten Hintergrund für einen Serienkiller bietet. Ich denke das ist falsch, ich glaube nicht, dass er darauf hinaus wollte. Dieses ewige »Gott ist tot« wird laufend völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Er sagt nicht:»Gott ist tot. Gut!«, er sagt:»Gott ist tot. Wir haben ihn in dieser Gesellschaft umgebracht.« Es ist eine Beobachtung. Das ist eine Sache, die Nietzsche wichtig war: die Wahrheit zu beobachten, auch wenn sie nicht populär war. Sie trotzdem als Wahrheit zu akzeptieren. Und ich glaube nicht, dass er damit falsch lag.

Krimi-Couch: Im Gegensatz zu Ihrer Figur Bob Gray sprach Nietzsche über Moral, als er den Begriff »Übermensch« bemühte. Bob Gray denkt anders, oder?

»Man kann jedes Werkzeug missbrauchen, wenn man möchte.«

Cody McFadyen: Nein, und genau das ist der Punkt. Das ist, als würde man sagen, das Internet sei schlecht, weil man so schnell an Kinderpornographie kommt. Was ist mit den guten Seiten? Was ist mit der Tatsache, dass Dissidenten in Birma E-Mails schreiben können? Dass über den eisernen Vorhang hinweg E-Mails ausgetauscht wurden, bevor die Mauer fiel? Das ist großartig. Man kann jedes Werkzeug missbrauchen, wenn man möchte. Nietzsches Ansichten boten eine Möglichkeit, seine eigene Moral zu erschaffen. Meine Moral ist die eigentliche Botschaft Nietzsches: Man muss seine Moral auch verantworten können. Sie muss die anderen mit einschließen. Ich habe nirgends Nietzsche so interpretiert, dass es vertretbar sei, andere Menschen zu unterdrücken.

Krimi-Couch: Es gibt eine Szene im Buch, in der David von Bob Gray gefoltert wird. Er wird gezwungen, Nietzsche und gleich danach Bibeltexte zu zitieren. Wie passen die Bibel und der Atheist Nietzsche zusammen?

Cody McFadyen: Ich denke, das wird erklärt. Wenn ich mich richtig erinnere, sagt er über das Studium der Bibel, dass sie die einzige Referenz wäre, die er finden konnte, um gottgleich zu werden. Ich denke, sie sollten aus zwei Gründen die Bibel studieren: Erstens, weil es Opium des Volkes ist. Zweitens: Wenn du dich wie Gott verhalten willst, dann lies, was er getan hat.

Krimi-Couch: Das Christentum ist ein Thema in diesem Buch, und sie führen Bertrand Russell an, der einen Aufsatz mit dem Titel »Warum ich kein Christ bin« geschrieben hat. Außerdem erwähnen Sie Ernest Hemingway, von dem Studien ebenfalls sagen, er sei Atheist gewesen.

Cody McFadyen: Wirklich? Das habe ich nicht gewusst.

Krimi-Couch: Würden Sie sich in diese Kette – Bertrand Russell, Ernest Hemingway – einreihen? Hat es etwas mit Ihnen zu tun?

»Mich fasziniert an Bertrand Russell, dass er heilige Kühe geschlachtet hat.«

Cody McFadyen: Das ist ein Thema, über das ich nicht rede. Aber ich vertrete das Konzept, dass sich die Vernunft immer durchsetzen muss. Ich denke jenseits aller Religion ist die Vernunft das eine, was wir besitzen – die Fähigkeit, Dinge so zu sehen, wie sie hoffentlich sind. Mich fasziniert an Bertrand Russell, dass er heilige Kühe geschlachtet hat. Ich halte das für sehr wichtig. In seinem Aufsatz zitiert er Stellen aus der Bibel und betont, dass er sie für unmenschlich hält. Ich will nicht sagen, dass die Bibel für mich ein menschenverachtendes Buch ist, aber die Passagen, die Russell anführte, sind menschenverachtend. Wenn das jemand betrachten und als wahr anerkennen kann, ohne gleich alles schwarz zu sehen – es ist nur ein Satz -, was ist daran falsch? Ich bewundere diese Art zu denken, und Bertrand Russell verkörpert sie besonders.

Krimi-Couch: Sie reden nicht all zu viel über sich. Ihre Biographie auf Ihrer Verlags-Homepage besteht aus zwei Sätzen. Auf Ihrer Homepage liest man etwas mehr. Sie sind in Texas geboren und aufgewachsen.

Cody McFadyen: Ja.

Krimi-Couch: In ärmlichen Verhältnissen?

Cody McFadyen: Ja, sehr ärmlichen.

Krimi-Couch: Lebens sie also den amerikanischen Traum?

Cody McFadyen: Im Moment. Viele Menschen bezeichnen mich als Zyniker, das bin ich aber nicht. Vielleicht liegt es an der ärmlichen Herkunft. Ich weiß, das alles könnte morgen vorbei sein, einfach so. Ich genieße es einfach, ohne zu glauben, endlich angekommen zu sein. Ich glaube, an diesen Punkt werde ich niemals kommen. Vielleicht wenn ich einmal Milliardär sein sollte, aber wahrscheinlich auch dann nicht. Ich halte das, was ich habe, nicht für selbstverständlich. Ich denke, eine Etappe habe ich geschafft, aber das Rennen ist noch nicht vorbei. Ich kann nicht sagen, dass ich das für den amerikanischen Traum halte.

Krimi-Couch: Sie schreiben im Moment also wieder über Smoky Barrett. Können Sie etwas von der Handlung preisgeben?

Cody McFadyen: »Unholy competition – gottloser Wettbewerb«. Außerdem wird es wieder Kinder einbeziehen, wenn auch auf eine andere Art und Weise als in meinem aktuellen Buch.

Krimi-Couch: Sie arbeiten also weiter an Ihrem Weg zum Milliardär?

Cody McFadyen: Gott, das wäre großartig! Meine Frau und ich reden über dieses Thema und wir kommen aus ähnlichen Verhältnissen, wenn auch aus verschiedenen Kulturen. Ich denke nicht, dass ich mit jemandem verheiratet sein könnte, der kein Verständnis dafür hat, wie es war, wirklich arm zu sein. Ich will nicht weinerlich klingen, aber man führt sein Leben in dem Bewusstsein, dass solche Dinge möglich sind. Manchen Menschen fehlt das Verständnis dafür. Ich denke, es könnte passieren. Du könntest kein Geld haben und hungern, keine Schlafgelegenheit haben … Ich bin glücklich, wie es im Moment läuft. Ich muss mir keine Gedanken um Rechnungen machen. Und wenn es dazu kommen sollte, dass ich mit meiner Frau in einem kleinen Appartement wohnen würde, könnten wir damit leben.

Krimi-Couch: Weiterhin viel Glück auf Ihrem Weg, für den heutigen Abend und Ihre weitere Karriere.

Cody McFadyen: Vielen Dank. Es war sehr nett, auch wenn Sie sich filmen lassen mussten.

Mit Cody McFadyen sprach Lars Schafft auf seiner Lesereise in Dortmund, März 2011. Übersetzung von Lutz Vogelsang.

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