Nicolas Remin

»Immer drei Teile: set up, conflict, solution – solides Kochrezept, nicht sonderlich originell, aber äußerst praktisch.«

03.2011 Jörg Kijanski hatte Gelegenheit dem Autor einige Fragen zu seiner Commissario-Tron-Reihe zu stellen. Auch nach sechs Teilen seines Helden noch nicht überdrüssig, erzählt Nicolas Remin über seine Vorliebe für Venedig und das 19. Jahrhundert und gewährt einen Einblick in seine Art des Recherchierens und Schreibens.

Krimi-Couch: Wie kommt man als deutscher Autor auf die Idee, eine Krimiserie zu schreiben, die im Venedig des 19. Jahrhunderts spielt?

Nicolas Remin: Voraussetzung ist sicherlich, sagen wir mal, eine generelle Affinität zum 19. Jahrhundert – die habe ich definitiv. Und wenn Sie diese Affinität mit einer alten, bis in die Kindheit zurückreichenden Bekanntschaft mit Venedig verbinden, landen Sie automatisch bei diesem bizarren Schnittpunkt zweier politischer Systeme, die ihre besten Zeiten lange hinter sich haben, bei einer morbiden Schnittmenge zweier ziemlich dekadenter Systeme: in der Zeit, in der Venedig zum Habsburgerreich gehörte. Die sechziger Jahre sind aus zwei Gründen zusätzlich interessant: da besucht die Kaiserin Venedig (die ja mehrmals bei mir auftritt) und Sie haben als zusätzlichen Hintergrund die italienische Einheitsbewegung, die ja ebenfalls bei mir eine Rolle spielt; Tron hält bekanntlich nicht viel von dieser ganzen Veranstaltung, – die hat bekanntlich, wie in Deutschland, auch in Italien nie erfreulich funktioniert. Darüber wird in den Romanen häufig und ausführlich verhandelt.

Krimi-Couch: Bei Ihrem aktuellen Roman Die letzte Lagune beleuchten Sie den vierten Kreuzzug ebenso wie das sich nähernde Ende der österreichischen Herrschaft über Venedig. Was hat Sie an diesen beiden Themen so besonders gereizt?

Nicolas Remin: Der vierte Kreuzzug im letzten Roman kam ins Spiel durch eine Lohengrin-Aufführung, die mich auf den Gral brachte. Wenn Sie Venedig mit dem Gral kombinieren, landen Sie automatisch in Byzanz – damals randvoll mit Reliquien – und folglich beim vierten Kreuzzug. Gereizt hat mich übrigens auch die Gelegenheit, in diesen Text Passagen einzubauen (die Tagebücher Zanetto Trons), die vom Ton und vom Sprachgestus völlig anders sind als der Roman selber.

Krimi-Couch: Das Privatleben Ihres Protagonisten wird hingegen nur wenig beleuchtet und bietet den Fans des Commissario kaum Neuigkeiten. Darf man bei zukünftigen Romanen hier etwas mehr erwarten und wird es überhaupt eine »Fortsetzung« geben?

Nicolas Remin: Diese Privat-Passagen, also die liebevollen Häkeleien zwischen Tron und der Principessa, schreibe ich eigentlich am liebsten, frage mich allerdings immer dabei, ob das die Leserinnen und Leser wirklich spannend finden, neige also dazu, mich da etwas zu bremsen. Und weiß nie, ob das gut ist oder eher nicht.

Krimi-Couch: Arbeiten Sie neben der Commissario-Tron-Reihe noch an weiteren Büchern? Wäre es beispielsweise denkbar, dass es von Nicolas Remin einen Krimi geben wird, der in der Gegenwart spielt?

Nicolas Remin: Wird es einen Nicolas Remin Krimi geben, der in der Gegenwart spielt? Ja, vermutlich. An einer Reihe und an einer Personage über sehr lange Zeit so wie Donna Leon (die ich übrigens schätze) gußeisern festzuhalten, ist nicht mein Ding. Konkrete Überlegungen gibt es da jedenfalls noch nicht.

Krimi-Couch: Wie und wo recherchieren Sie die historischen Fakten?

Nicolas Remin: Übermäßiges »Recherchieren« ist auch nicht unbedingt mein Ding – sehr wohl aber, wie bei der Grals-Geschichte, ausgedehnte und lustvolle Lektüre über Sachverhalte, von denen ich an Ort und Stelle schon weiß, daß ich sie für den Roman wahrscheinlich nicht verwenden kann. Hilfreich ist natürlich, wenn Sie als Autor von historischen Romanen, eine präzise Grundorientierung mitbringen, also die großen Linien vor Augen haben. Details nachzuschlagen ist dann, wenn Sie wissen, wo Sie suchen müssen, in der Regel kein Problem.

Unter »Recherche« (ein äußerst beliebtes Wort in dieser speziellen Krimi-Szene) verstehe ich im übrigens das aufwendige Rumsuchen in Archiven. Das habe ich nie gemacht. Mir reicht meine Bibliothek.

Krimi-Couch: Wie muss man sich die Entstehung eines neuen Romans vorstellen?

Nicolas Remin: Da kann ich Ihnen nur sagen, wie ich vorgehe. Ich lege zuerst den Anfang und das Ende fest, dann die beiden strategischen Plot-Points. Also einmal den Plot-Point I, mit dem ich gegen Ende der Exposition (dem ersten Teil des Romans) die Konflikte lostrete, dann gegen Ende der Konflikte (dem zweiten Teil des Romans) den Plot-Point II, der die Lösung (das ist der dritte Teil des Romans) einleitet. Das ist, wenn Sie so wollen, das alte aristotelische Rezept für das Verfassen eines Dramas oder die Kochanleitung Syds Field für ein Drehbuch, im Grunde ist es auch die klassische Sonatensatzform – immer drei Teile: set up, conflict, solution – solides Kochrezept, nicht sonderlich originell, aber äußerst praktisch.

Ich schreibe – das will ich damit sagen – nie ins Blaue, sondern habe mir immer, bevor ich zur Feder greife, ein solides Gerüst gebastelt.

Krimi-Couch: Herr Remin, vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Jörg Kijanski im März 2011.

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