Linwood Barclay

»Ich bin ein 53-jähriges Kind«

11.2008 Der kanadische Shooting-Star Linwood Barclay über seine beiden Bestseller Ohne ein Wort und Dem Tode nah, seine ganz alltäglichen Ängste und Sorgen sowie über seine ziemlich verspielten Hobbys – ein Gespräch mit Lars Schafft.

Krimi-Couch: Mr. Barclay, herzlichen willkommen in Frankfurt! Sie sind der Bestseller-Autor von Ohne ein Wort und Dem Tode nah. Möchten Sie sich Ihren deutschen Lesern vielleicht selbst etwas näher vorstellen?

Linwood Barclay: Hi, ich bin Linwood Barclay, der Autor von Ohne ein Wort und Dem Tode nah, im Original No Time for Goodbye und Too Close to Home. Dies sind meine neuesten Romane und heben sich ziemlich von den früheren ab, die mehr in Richtung komische Krimis gingen. Ich habe mich aber entschlossen, einen anderen, düstereren Weg einzuschlagen und diesen Weg werde ich auch weitergehen.

Krimi-Couch: Ich finde es sehr erstaunlich, dass Ohne ein Wort zuerst in Deutschland veröffentlicht und ein dermaßen großer Erfolg wurde – und erst danach in Großbritannien auf den Markt kam und an die Spitze der Verkaufscharts gelangte. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Linwood Barclay: Nun, ich war total begeistert, als ich mitbekommen habe, wie gut Ohne ein Wort in Deutschland läuft. Zuallererst denke ich, dass mein Verlag, Ullstein, eine glänzende Arbeit und PR geleistet.

Dass das Buch in Deutschland zuerst erschien, obwohl es auf Englisch verfasst wurde, ist zwar ungewöhnlich, jedoch stellte es sich als wunderbare Sache heraus. Denn das Buch kam in Deutschland so gut an, dass als es in Nordamerika, den USA, in Kanada (wo ich lebe), und in Großbritannien erschien, die Leute schon wussten, dass in Deutschland darüber gesprochen wird, man es dort mag und es ein Bestseller ist. Das kam mir alles sehr entgegen und ich war wirklich glücklich darüber.

»Das Buch spricht eine Ur-Angst von uns an, nämlich die Angst, allein gelassen zu werden.«

Einer der Gründe für den Erfolg des Buches im Vergleich zu anderen auf dem Markt ist, dass die Geschichte selbst uns hinsichtlich unserer Lebensweise berührt. Es spricht eine Ur-Angst von uns an, nämlich die Angst, allein gelassen zu werden. Ein Kind zu sein, das seine Familie verliert.

Der Aufhänger des Buches ist ein vierzehn Jahre altes Mädchen, das ausgeht, trinkt, mit ihrem Freund herumhängt, den ihre Eltern nicht mögen, sie kommt nach Hause, hat einen großen Streit mit ihrer Familie, sie geht betrunken ins Bett und als sie morgens aufwacht, sind ihre Mutter, ihr Vater und ihr Bruder verschwunden. Fünfundzwanzig Jahre vergehen, bevor Cynthia, das Mädchen in der Geschichte, nun eine erwachsene Frau, die Antworten zu diesem Rätsel findet und diese enthüllt werden. Sie hat sich all die Jahre gefragt, was aus ihrer Familie wurde. Wurde sie vielleicht von einem Serienmörder umgebracht oder hatte sie sich einfach entschieden, zu gehen und sie zurück zu lassen? Und was wäre schlimmer? Wäre es schlimmer herauszufinden, dass sie tot sind oder wäre es schlimmer gewesen, dass sie fortgefahren sind, ohne sie mitzunehmen?

Krimi-Couch: In Ihrem neuen Buch ist die Situation recht ähnlich …

Linwood Barclay: Das neue Buch hat ein wenig das ähnliche Thema, aber aus einer anderen Perspektive. Im ersten Buch wussten wir nicht, was aus der Familie wurde, aber im neuen Buch wissen wir ab dem ersten Kapitel, was mit der Familie, den Nachbarn, passiert ist. Die Geschichte wird aus der Sicht einer Familie erzählt, deren nächste Nachbarn alle umgebracht worden sind. Eines Nachts werden alle Nachbarn ermordet. Sie merken nichts davon, aber diese fürchterliche Tragödie ereignete sich nebenan. Der ausschlaggebende Punkt für mich war, dass solche Vorkommnisse sehr selten sind. Wenn alle Nachbarn ermordet werden, heißt das, dass man sicherer ist als zuvor? Weil so etwas nie in zwei nebeneinander liegenden Häusern passieren kann? Wenn die Nachbarn im Lotto gewinnen, kann man ja auch nicht davon ausgehen, dass man selbst als nächster ebenfalls gewinnt. Wenn sie also umgebracht worden sind, muss man nicht zwingenderweise auch umgebracht werden. Vielleicht ist man so sogar sicherer als zuvor.

Aber was ist, wenn man nun herausfindet, dass die Mörder in das falsche Haus gegangen sind?

Das würde alles ändern und du fragst dich, warum jemand einen Grund gehabt hat, dich und deine Familie umzubringen und warum du eigentlich das geplante Ziel bist.
Das war die Idee hinter Dem Tode nah.

Krimi-Couch: Ihre Romane kann man als Psychothriller bezeichnen. Gefällt es Ihnen, mit den Ängsten der Leser zu spielen?

»Ja, ich mag es wirklich, mit den Ängsten der Leser zu spielen!«

Linwood Barclay: Ja, ich mag es wirklich, mit den Ängsten der Leser zu spielen! Ich selbst bin jemand, der sich ständig Sorgen macht. Ich weiß natürlich, dass viele Dinge, über die ich mir Sorgen mache, es nicht dermaßen wert sind. Aber ich bin ein Typ, der immer die Parallelen zwischen Unheil oder Risiko zu sehr gewöhnlichen Ereignissen sieht. Und darüber sorge ich mich.

Krimi-Couch: Wie äußert sich dieses Sorgen über alltägliche Dinge?

Linwood Barclay: Hm, wie soll ich sagen …Ich bin immer derjenige, der sich fragt ob wir unsere Türe abgeschlossen haben …Oder die kleineren Dinge: Ich mache mir Sorgen darüber, ob die scharfen Messer mit der Spitze nach oben in den Geschirrspüler eingeräumt sind, weil man sich beim Hineingreifen die Handgelenke aufschlitzen könnte. So etwas halt.

Mein erster Kriminalroman heißt Bad Move und ein Teil der Idee dahinter war ein Typ, der seine Familie aus der Innenstadt in die Vorstadt brachte, weil er dachte, dass sie dort sicherer ist. Jedoch passierten dort viel schlimmere Sachen, als alles das, was jemals in der Innenstadt geschehen ist.

So ungefähr bin ich auch. Ich habe diese Art unterschwellige Angst vor vielen Dingen, aber ich denke, ich kann sie kontrollieren.

Krimi-Couch: Dann muss es für Sie doch purer Horror sein, für ein paar Tage nach Europa zu kommen?!

Linwood Barclay: [lacht] Ja, das ist es. Aber es geht eigentlich nicht ums Reisen an sich, sondern darum, was zu Hause alles passieren könnte, wenn ich nicht da bin. Was kann da alles geschehen? Ein Baum könnte aufs Haus fallen oder auf das Auto, die Rohre könnten brechen oder sonst irgendwas Schreckliches. Man kann 365 Tage in seinem Haus leben und nichts geht schief, aber sobald man es verlassen hat, wird etwas Schlimmes passieren.

Solche fürchterlichen Sorgen mache ich mir. Aber ich fange an, mich hier zu entspannen und eine tolle Zeit zu haben.

Krimi-Couch: Hilft es, über diese Ängste zu schreiben?

Linwood Barclay: Ja, ich denke es hilft, über seine Ängste zu schreiben. Aus der Sicht eines Autors ist es sehr ansprechend für die Leser, über Ängste zu schreiben. Denn so ist es möglich, diese Ängste ohne wirkliche Gefahr zu erleben. Ich denke, der Nervenkitzel kann auftreten, auch wenn man der Gefahr nicht selbst ausgesetzt ist.

Die Bücher die ich geschrieben habe und schreibe, sind keine Spionageromane oder Police Procedurals, nichts Fantastisches wie James Bond oder ähnliches – weil ich teilweise davon auch gar nichts verstehe. Ich verstehe etwas von gewöhnlichen Leuten.

»Keiner wird je mit einem Laser auf mich schießen!«

Ich bin verheiratet, habe zwei Kinder und die gleichen Sorgen und Ängste, die normale Leute nun mal haben. Diese Ängste möchte ich im Roman erkunden, weil ich denke, dass sie mit den Menschen direkt zu tun haben. Gut, ich habe den neuen James-Bond-Roman von Sebastian Faulks gelesen und er hat mir auch wirklich gut gefallen. Ich habe aber nicht die Gefahr gespürt, in der sich James Bond befand. Keiner wird je mit einem Laser auf mich schießen; so was wird mir ganz bestimmt nicht passieren. Es sind die Romane, die von einer Gefahr handeln, die mir selbst wirklich widerfahren kann – die berühren mich. Und genau solche möchte ich schreiben.

Krimi-Couch: Sind es in der Regel Ihre eigenen Ängste, über die Sie schreiben? Oder beobachten Sie Menschen und schreiben über deren Ängste?

Linwood Barclay: Die Ängste, die ich habe, sind wohl ziemlich verbreitet. Ich schreibe darüber, weil ich mich damit auskenne.

Ich habe gerade einen Roman fertig gestellt, der in einem Jahr erscheint. Die Idee dazu kam mir ganz plötzlich: Ich brachte meine Tochter – sie ist 21 – regelmäßig zur Arbeit und eines Morgens haben wir uns beim Frühstück unterhalten und da stellte sich mir die Frage: Angenommen du fährst deine Tochter jeden Tag zu ihrem Ferienjob und eines Tages kommt sie nicht nach Hause, sie ist spät dran und du fährst zu ihrer Arbeitsstelle und sagst, dass du deine Tochter abholen willst. Und sie haben überhaupt keine Ahnung, wovon du sprichst. Sie haben sie dort noch nie gesehen, sie hat dort noch nie gearbeitet. Sie wissen gar nichts über sie. Dann fängst du an darüber nachzudenken, wo sie jeden Tag seit Wochen hingegangen ist, wo sie wirklich arbeitete und was sie vor dir verstecken möchte, welche Geheimnisse sie vor dir hat …

Das ist etwas, was wirklich meiner Erfahrung nach passieren könnte. Nicht, dass meine Tochter so etwas jemals getan hätte – aber was, wenn es mal passiert? Das ist irgendwie glaubhaft und es kann jedem passieren, der Kinder hat.

Krimi-Couch: Die Ideen in Ihren beiden Büchern beruhen also darauf, was alles im Alltag passieren kann?

Linwood Barclay: Ja, das kann man so sagen. Die meisten meiner Bücher basieren wirklich auf Alltagserfahrungen. Auch das erste Kapitel von Dem Tode nah basiert – wenn auch sehr frei – auf einem Vorfall von dem ich mal gehört habe: Einige Jugendliche nutzen das Haus von Leuten die im Urlaub sind, um wochenlang dort Partys zu feiern. Darüber habe ich dann nachgedacht, denn jeder von uns, der Kinder im Teenageralter hat oder hatte, weiß, dass wenn du dein Zuhause verlässt und sie nicht mitkommen, wirklich alles passieren kann. Das ist keine Angst vor Entfremdung oder des Alleinlassens, das ist einfach die Angst, wenn man Kinder im Teenageralter hat. Und das ist das Beunruhigendste überhaupt: Teenager zu haben.

»Und das ist das Beunruhigendste überhaupt: Teenager zu haben.«

Da spielen so viele Dinge mit hinein und es ist eng mit den Sorgen und Ängsten verknüpft, die Eltern haben, Dinge in die Kinder hineingeraten können, man will sie beschützen und alles für sie tun, aber man kann halt nicht immer da sein.

Krimi-Couch: Sie haben vor diesen beiden Büchern als Journalist gearbeitet, aber auch eine Krimiserie geschrieben.

Linwood Barclay: Ich habe vor diesen beiden Büchern vier Romane über eine Figur namens Zack Walker geschrieben. Er war Journalist und Autor von Science-Fiction-Romanen – ein zwanghafter, getriebener, nerviger Besserwisser, aber nie mit böser Absicht. Er stellt – mehr als alle meine anderen Charaktere über die ich schrieb – alle meine Sorgen in einer Person dar. Zack Walker ist im Grunde ich, ungehemmt und ohne irgendwelche Absicherungen. Er ist jemand, der sich zwanghaft Sorgen macht. Ich bin sehr zufrieden mit diesen Büchern und sie sind auch wirkliche Thriller, aber sie haben eben einen komischen Einschlag.

Krimi-Couch: Bevor Sie mit Krimis anfingen, hatten Sie als Kolumnist gearbeitet …

Linwood Barclay: Ich war fünfzehn Jahre lang der Humor-Kolumnist beim »Toronto Star«, der auflagenstärksten Tageszeitung in Kanada. Eigentlich habe ich aber schon 1981 beim »Toronto Star« als Redakteur angefangen. Ich habe da viele Positionen ausgefüllt, auch in der Verwaltung, bevor ich 1983 die Humor-Kolumne übernahm. Ich schrieb drei die Woche, ein Drittel davon über alltägliche Geschichten, die mir zu Hause als Vater passieren. Ein weiteres Drittel dann über den restlichen Alltag. Das dritte Drittel war dann politische Satire, wodurch ich meinem Ärger über die kanadischen Politiker Luft machen konnte.

Krimi-Couch: Was würden Sie als Humor-Kolumnist über Ihre erst Reise nach Deutschland schreiben?

Linwood Barclay: [lacht]: Wenn ich immer noch meine Kolumne hätte – ich mache das ja nicht mehr – würde ich wahrscheinlich darüber schreiben, wie ich mich das erste Mal in meinem Leben dazu entschloss, Erste Klasse zu reisen. Ich dachte: Wir fliegen über Nacht nach Frankfurt, kommen früh morgens an, ich werde viele Leute treffen, – so wie mit Ihnen jetzt hier – und da möchte ich absolut ausgeruht sein. Deswegen habe ich für den besten Erste-Klasse-Sitz einige Scheinchen locker gemacht. Der war wirklich ein klasse Liegesesessel, mit eingebautem Bildschirm, vielen Knöpfen; Man musste nur auf einen drücken und wurde massiert – klasse! Die ganze Idee dahinter war aber, dass ich schlafen kann, dass ich ausgeruht und wach mich mit Ihnen unterhalten kann. – Ich konnte nicht eine Minute schlafen, habe nicht eine Minute Schlaf gefunden! Ich habe das ganze Geld für diesen tollen Sessel ausgegeben – und die ganze Nacht habe ich nur an die Decke starren können, konnte keinen einzigen Moment schlafen.

Aber egal, ich habe eine tolle Zeit hier. Und ich bin jetzt wach, es gibt zu sehen und viel zu tun.

Krimi-Couch: Ist es schwierig, Romane gänzlich ohne – oder zumindest mit wenig – Humor zu schreiben?

Linwood Barclay: Nein, die ersten vier Romane waren tatsächlich witziger, in gewisser Weise bezogen die sich das auf meinen Ruf als Humor-Kolumnist, den ich in Kanada hatte. Aber es war nicht schwer umzuschalten und dunkler zu schreiben. Es gibt immer noch humorvolle Momente in den beiden neuen Büchern, aber sie sind nicht wirklich als Komik gedacht. Der Humor kommt eher von den erwähnten Sorgen und Ängsten. Es gibt witzige Momente oder sarkastische Passagen, aber im Gegensatz zu den ersten Büchern sollten die beiden neuen nicht witzig sein.

»Humor beinhaltet viel Wut und Dunkelheit.«

Ich denke manchmal Humor, besonders beim Schreiben politischer Satire, beinhaltet viel Wut und Dunkelheit. Wir sind dann nun mal Klugscheißer, um mit dieser Wut umzugehen.

Anstatt die Dunkelheit durch den Humor zu kanalisieren, ließ ich dieses Buch einfach düster.

Krimi-Couch: Passt Humor zu Mord?

Linwood Barclay: Wissen Sie, es gibt wirklich viele lustige Krimis. Natürlich ist Mord an sich nicht lustig, aber das Lustige ist meiner Meinung nach, wie wir darauf reagieren oder damit umgehen; wenn wir hysterischer werden als nötig. Gewiss ist es witzig, wenn wir eines Mordes beschuldigt werden und man ist unschuldig. Und seine Unschuld zu beweisen versucht, wenn einem keiner glaubt …Das ist ist natürlich tragisch, aber richtig damit umgegangen, kann das auch ziemlich lustig sein.

Krimi-Couch: Aus europäischer Sicht kam Ihr Erfolg – Ohne ein Wort hat sich über 500.000 mal verkauft – mehr oder weniger aus dem Nichts. Was bedeutet Ihnen der deutsche Buchmarkt?

Linwood Barclay: Oh, Deutschland bedeutet alles für mich. Mein erster wirklicher großer Erfolg gelang mir hier in Deutschland. Meine anderen vier Romane wurden nur in Nordamerika verkauft, nicht im Ausland. Sie liefen …okay. Bis dann Ohne ein Wort in Deutschland erschien und ich ein Bestseller-Autor wurde. Das bedeutet mir enorm viel.

Krimi-Couch: Wie fühlt sich das an?

Linwood Barclay: Es fühlte sich …ja es fühlt sich einfach wundervoll an; das tut es wirklich. Es erscheint mir aber auch unwirklich. Ich lebe tausende Kilometer entfernt und versuche mir vorzustellen, dass mein Buch überall in den Läden steht. Sie stehen in Hamburg, Berlin und Frankfurt. Schwierig, sich das vorzustellen -.es ist einfach so weit weg. Das gleiche Gefühle hatte ich, als im letzten Sommer Ohne ein Wort ein so großer Erfolg in Großbritannien wurde und immer noch ist. Das schien mir unwirklich. Für Ohne ein Wort gab es Fernsehwerbung, Plakate in Bushaltestellen, Poster. Zu Hause passiert so was nicht.

Warum passiert so was nicht bei mir zu Hause?

Krimi-Couch: Möchten Sie jetzt Ihre deutschen Leser kennenlernen?

Linwood Barclay: Darauf freue ich mich sehr, es ist die erste Möglichkeit für mich, meine Leser in Europa kennenzulernen und das ist wundervoll.

Krimi-Couch: Glauben Sie, dass europäische oder deutsche Leser anders lesen als Leser in Nordamerika?

Linwood Barclay: Ja, das glaube ich. Deutsche Leser unterscheiden sich sehr von nordamerikanischen Lesern. Sie sind an sich eh unterschiedlich.

In Deutschland ist das Interesse und die Unterstützung für Literatur größer, als auf dem Kontinent wo ich lebe. Wir kaufen viele Bücher, lesen viele Bücher, aber ich habe dort praktisch noch nie Fernsehwerbung für ein Buch gesehen. Es ist auch eher selten, Buch-Werbung in der U-Bahn zu sehen.

»In Deutschland ist das Interesse und die Unterstützung für Literatur größer.«

Bücher werden hier anders vermarktet, aggressiver. Wahrscheinlich deswegen, weil es hier Menschen gibt, die wirklich Bücher kaufen wollen. Das ist auf eine wunderbare Weise ermutigend.

Krimi-Couch: Sollten Sie dann nicht vielleicht nach Europa umziehen?

Linwood Barclay: Ja, vielleicht sollten wir das tun. Wir mögen es dort, wo wir leben und fühlen uns dort auch wohl, aber es ist stimmt schon: in Europa herrscht ein viel größeres Interesse für Literatur. Ich habe befreundete Autoren in den USA, die dort erfolgreich sind; hier sind sie aber viel erfolgreicher! Meine Freundin Joy Fielding, sie kommt auch aus Toronto. Sie ist hier außergewöhnlich erfolgreich. Auch in Nordamerika; hier aber besonders. Ich kenne viele Autoren, bei denen das so ist. Und wir alle sind dafür sehr dankbar, glauben Sie mir.

Krimi-Couch: Im Netz habe ich ein Video von Ihnen und Ihrem Arbeitszimmer gesehen. Wie können Sie bei den ganzen Modelleisenbahnen darin Thriller schreiben?

Linwood Barclay: Ich bin ein 53-jähriges Kind, habe Spielzeug schon immer gemocht und mag es immer noch. In meinem Arbeitszimmer steht eine hübsche Sammlung von Bat-Mobilen, viele Oldtimer-Modellautos. Als Kind war ich von Gerry-Anderson-Marionetten förmlich besessen, dem Thunderbird, dem Stingray. Mittlerweile gibt es davon herrliche Reproduktionen. Und direkt unter der Decke fährt eine Modellbahn im Kreis. Schon ziemlich peinlich, die Modelleisenbahn im Keller, das ganze Spielzeug …Dazu kommt: An der Wand gegenüber hängen wunderschöne Zeichnungen alter Automobile aus den 50er-Jahren, da schaue ich beim Arbeiten direkt drauf.

Mein Vater war Werbegrafiker, in den 50ern in New York. Zu der Zeit waren alle Abbildungen von Autos in den einschlägigen Magazinen Illustrationen, noch keine Photos. Mein Vater war einer derjenigen, die diese gezeichnet haben. Wunderschöne Airbrush-Zeichnungen.

Auf der einen Seite habe ich also die Spielzeugautos, auf der anderen diese unglaublich tollen Zeichnungen an den Wänden.

Krimi-Couch: Was denkt Ihre Frau von ihrem 53-jährigen Kind?

»Besser eine Modelleisenbahn als eine Affäre!«

Linwood Barclay: Meine Frau sagt, wenn sie diese alberne Modelleisenbahn im Keller sieht oder darauf angesprochen wird immer: »Besser eine Modelleisenbahn als eine Affäre!« Wenn sie aussuchen müsste, ob ich eine Affäre hätte oder ein Modelleisenbahnfanatiker bin, sagt sie immer: »Züge sind schon in Ordnung.«

Krimi-Couch: Das Schreiben auch?

Linwood Barclay: Ja, das auch. Sie ist sehr nachsichtig, was meine Hobbys angeht. Und auch wenn sie wirklich das Recht dazu hat, sich über mich lustig zu machen – das macht sie nicht. In dieser Hinsicht ist sie schon etwas sehr Besonderes.

Krimi-Couch: Was dürfen wir von Ihnen als Autor in den nächsten Jahren erwarten?

Linwood Barclay: Ich habe einen Vertrag bis 2011, jedes Jahr einen Thriller zu schreiben. Ich glaube, dass ich auch danach damit weitermache. Ich habe mich von den mehr komischen Krimis entfernt in Richtung düsterer Thriller und ich sehe keinen Grund, das wieder zu ändern. Ich möchte so weitermachen. Und einfach besser darin werden.

Krimi-Couch: Mr. Barclay. Vielen Dank!

Linwood Barclay: Es war mir ein Vergnügen. Danke!

Mit Linwood Barclay sprach Lars Schafft auf der Buchmesse in Frankfurt, Oktober 2008. Übersetzung von Nils Schafft und Lars Schafft.

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

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