Horst Eckert
»Ich sage nur: Risiko«
11.2003 Krimi-Autor Horst Eckert über seinen neuen Roman »Purpurland«, den Krieg in Afghanistan, Out-of-Area-Einsätzen der Bundeswehr und Innovation im Kriminalroman.
Krimi-Couch: Herr Eckert, in »Purpurland«, Ihrem soeben erschienenen siebten Krimi, bewegen Sie sich auf Neuland: Schauplatz Afghanistan, dazu die den ganzen Roman durchziehende Kriegs-Atmosphäre. Wie kam es dazu, dass Sie das Düsseldorfer Polizei-Milieu in »Purpurland« zumindest teilweise verlassen und stattdessen nahezu tagesaktuelle Gegebenheiten eingepflochten haben?
Horst Eckert: Zum einen ist eine völlig abgeschirmte Bundeswehrtruppe, die in Afghanistan einen geheimen Krieg führt, ein gefundenes Fressen für einen Autor von Spannungsliteratur. Zum zweiten begann der Irakkrieg während meiner Arbeit an »Purpurland« und ich erkannte, dass die allgegenwärtige Berichterstattung über diesen Feldzug den idealen Hintergrund für die Romanhandlung bildet, der dafür steht, dass das Verbrechen im Buch nur ein Beispiel für die reale, weltweite Gewalt darstellt. Und auch dafür, dass meine Hauptfigur Felix May dieser Allgegenwart des Schreckens nicht entkommen kann, auch nicht, indem er den Mörder zur Strecke bringt.
Krimi-Couch: Trotz des Rahmens Afghanistan-Krieg entfernen Sie sich in der Mitte des Buches gänzlich von der Figur des KSK-Soldaten Tim Sander und dessen Erlebnissen am Hindukusch. Stattdessen rücken Sie die Jagd auf einen Triebtäter in den Vordergrund …
Horst Eckert: Wer meine Romane kennt, weiß, dass ich das Spiel mit Handlungssträngen und Perspektivwechseln liebe. Als Leser fühle ich mich von allzu geradlinigen Geschichten unterfordert und als Autor kann ich nur das schreiben, was ich mir unter einer guten Erzählung vorstelle. Und schließlich gehört es zum Handwerkszeug des Krimiautors, verschiedene Spuren zu legen. Während Ela Bach glaubt, einen Serienmörder zu jagen, verfolgt May einen Junkie, den er für den Mord verantwortlich macht. Und plötzlich gerät der Afghanistanheimkehrer in Verdacht, der Kreis schließt sich, um an anderer Stelle wieder zerbrochen zu werden.
Krimi-Couch: Ihre Duisburger Kollegin Silvia Kaffke hatte sich für ihren letzten Roman »Herzensgut« Ihre Figur Ela Bach »ausgeliehen«. In Herzensgut sagte der Serienmörder, dass er dankbar war, dass sie ihn geschnappt haben. Ohne zuviel von »Purpurland« verraten zu wollen, reagiert Ihr Killer ähnlich. Und als Innovation kann man einen triebgesteuerten Serienmörder doch eigentlich auch nicht mehr bezeichnen …
Horst Eckert: Richtig. Eine Innovation innerhalb des Krimigenres war der Serienkiller-Roman allenfalls in den Achtzigern, im Gefolge diverser wissenschaftlicher Studien, die das Thema Serienmord entdeckt hatten. Ich stehe diesem Subgenre recht zwiegespalten gegenüber. Zum einen fasziniert die bizarre Abartigkeit, die in äußerlich unauffälligen Menschen schlummern kann. Zum anderen gleicht der Serienkiller aber dem bösen Wolf aus dem Märchen – losgelöst von der gesellschaftlichen Wirklichkeit verkörpert er das Böse schlechthin und mit seiner Festnahme scheint die Welt wieder heil zu sein. Und in vielen Romanen, die nach Thomas Harris’ Roter Drache und Das Schweigen der Lämmer geschrieben wurden, ist der so genannte Triebtäter zum letztlich langweiligen Stereotyp verkommen. Doch Serienmörder sind real, natürlich auch in Deutschland. Der Kriminalist Stephan Harbort hat das Phänomen eindrucksvoll dargestellt (Das Hannibal-Syndrom). Nur muss man dem Thema im Kriminalroman neue Aspekte abgewinnen und es aus dem Gruselmärchen in die wirkliche Welt zurückholen.
Silvia Kaffke ist das mit ihren Romanen nach meiner Ansicht gut gelungen. In Bezug auf »Purpurland« möchte ich aber nur so viel verraten: Es ist noch weit weniger eine Serial Killer Story als »Finstere Seelen«, wo ich das Motiv nur benutzt und gespiegelt habe, um die Spannung zu steigern.
Gestatten Sie mir noch zwei Sätze zum Begriff »Innovation«, der immer so gern als Qualitätssiegel betrachtet wird. Innovation ist zunächst mal kein Wert an sich. Es gibt viele Krimis, die neuartig und originell daherkommen, aber auf andere Essentials wie Glaubwürdigkeit, Spannung und gute Sprache verzichten. Oft erweist sich die angebliche Innovation nur als heiße Luft. Manche Autoren trachten danach, die angeblichen Grenzen des Genres zu sprengen, wollen große Innovatoren sein und produzieren dabei Texte, die gegenüber jedem traditionellen Genreroman alt aussehen. Wirkliche Innovation gibt es nur alle zwanzig Jahre und erweist sich erst im Rückblick als solche.
Wenn ich einen Roman schreibe, muss der nicht in jedem Satz den Willen zur Innovation verströmen. Viel wichtiger ist mir, auf der Höhe der Zeit zu schreiben, den Leser nicht mit Stereotypen zu langweilen, sondern das Kino in seinem Kopf möglichst eindrucksvoll in Gang zu bringen. Wenn die Bilder noch ein wenig haften bleiben, nachdem der Leser die letzten Zeilen gelesen und das Buch zugeklappt hat, dann habe ich mein Ziel erreicht.
Krimi-Couch: Zurück nach »Arschghanistan«, wie Sie schreiben. Die Szenen dort zeigen eine neue Seite an Horst Eckert: Sie erzeugen auch Atmosphäre durch die Beschreibung der dortigen Landschaft. Da fragt sich der neugierige Leser natürlich, woher der Autor diese Impressionen hat.
Horst Eckert: Ich habe 18 Monate lang jedes Stückchen Information gesammelt, das ich über Afghanistan erhalten konnte. Da ich selbst nie dort war, erst recht keine Kriegshandlungen miterlebt habe, war es für mich anfangs etwas heikel, darüber zu schreiben. Aber all die Dokumentarfilme, Reportagen und Internetrecherchen haben mir das Land nahe gebracht, zumindest so weit, wie ich es für die ersten vierzig Seiten des Romans brauchte. Mit Hilfe eines Bekannten, der bei Kriegsausbruch mehrere Wochen im Land war, fühlte ich mich schließlich auf der sicheren Seite.
Bei den Recherchen ereignete sich übrigens etwas Sonderbares: Ich las ständig Nachrichten, die meine Komplott-Geschichte über den Waffenschmuggel am Hindukusch sogar immer realistischer erscheinen ließen. Kleine Meldungen im Politikteil, die exakt in mein Konstrukt passten: Von der Verlegung der KSK-Truppen in den Nordosten Afghanistans, wo sie nun weitgehend unabhängig von amerikanischen und britischen Einheiten operierten, über die Verschrottung von 400.000 G3-Sturmgewehren in einem Recyclingbetrieb in Ebersbach am Neckar bis hin zu Rivalitäten zwischen dem BND und dem Bundeswehr-Geheimdienst »Zentrum für Nachrichtenwesen«. Plötzlich war mir, als beschreibe ich reale Tatsachen.
Krimi-Couch: Was hält der politische Mensch Horst Eckert von »Out-of-Area«-Einsätzen im Allgemeinen und dem in Afghanistan im Speziellen?
Horst Eckert: Ich erinnere mich an das Spiel »Risiko«, dem ich in Berliner WG-Zeiten gefrönt habe. In der Spielanleitung hieß es »Befreien Sie ...«, aber letztlich ging es ausschließlich um Macht und Weltherrschaft. Das menschenfreundliche Pathos der rot-grünen Regierung im Fall etwa des Kosovo-Kriegs übertünchte nur den machtpolitischen Zweck. Und wenn man tatsächlich die afghanische Bevölkerung aus den Klauen von Warlords, Drogenbanden und archaischem Religionsterror befreien möchte, müsste man das Land bis in den letzten Winkel besetzen und jeden männlichen Erwachsenen entwaffnen. Den Preis, den das kostet, kann man sich vorstellen. Seit einigen Jahren hält sich Deutschland aus den weltweiten Machtkämpfen nicht mehr heraus. Die Regierung nennt das Normalität. Ich sage dazu nur: Risiko.
Was hat sich in Afghanistan geändert, seit westliche Truppen dort stationiert sind und die Taliban aus der Macht gejagt wurden? Die Opiumproduktion ist auf das Zwanzigfache gestiegen.
Krimi-Couch: Nun haben Sie mit »Purpurland« Ihren siebten Krimi abgeliefert, als roten Faden das Düsseldorfer KK 11 um Ela Bach und Benedikt Engel. Der Handlungsstrang in Afghanistan lässt sich dagegen in die Gattung Thriller, vielleicht sogar mit dem Vorsatz »Polit«, einordnen. Ein Schritt zu neuen Ufern?
Horst Eckert: Mir ist natürlich klar, dass Leser und auch Rezensenten lieb gewonnene Figuren auch im nächsten Roman erleben wollen. Aber ein Serienheld allein macht aus einem Buch noch lange kein gutes Buch. Oft ist der Reiz allzu rasch verpufft und ein Serienheld wird zum Klischee seiner selbst. Als Autor wäre es mir zu langweilig, auf die Erfindung immer neuer Hauptfiguren und aufs Beschreiten neuer Ufer zu verzichten. Jede Figur hat ihren Background, dieses Mal ist eben eine mit Afghanistanerfahrung darunter.
Übrigens: Alle gucken auf Ela Bach und Benedikt Engel, aber Bach ist erst zum zweiten Mal so exponiert und Engel spielt schon seit »Die Zwillingsfalle« nur noch Nebenrollen. In den Vordergrund treten dafür Figuren, die auf besondere Art mit dem Kriminalfall verbunden sind und nicht nur ermitteln, weil es ihr Job ist. Auch das ist ein Grund, warum ich auf einen Serienhelden verzichte. Er wäre rasch überfrachtet, wenn er zu all den Morden meiner Romane ein persönliches Verhältnis hätte. Dass »bewährte Kräfte« wie Engel und Bach trotzdem erhalten bleiben, liegt daran, dass die Handlung nun mal eine KK11-Chefin und einen Kriminalrat braucht und beide bislang noch nicht auf neue Posten versetzt oder vom Dienst suspendiert wurden.
Krimi-Couch: Können Sie es sich insofern vorstellen, aus dem Genre »Krimi« auszubrechen, etwas komplett anderes auszuprobieren?
Horst Eckert: Nein. Kriminalliteratur ist ja kein Gefängnis, aus dem man ausbrechen müsste. Das Genre legt mir keine Fesseln an, sondern gibt mir im Gegenteil die Freiheit, um so direkter in den Kern menschlicher und gesellschaftlicher Konflikte vorzudringen. Ein Kriminalroman kann im Idealfall gute Literatur sein und hochgradig spannend zugleich. Und so lange mir neue Geschichten einfallen, will ich versuchen, diesem Ideal so nahe zu kommen wie möglich.
Krimi-Couch: Herr Eckert, wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und bedanken uns für das Gespräch!
Das Gespräch führte Lars Schafft im November 2003.
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