Ralf H. Dorweiler
Der 1973 in im Taunus geborene Schriftsteller, Ralf H. Dorweiler, der seit 2023 unter seinem bürgerlichen Namen veröffentlicht, schrieb zuvor unter dem offenen Pseudonym "Christian Herzog". Seine bisherigen Bücher waren eigenständige, abgeschlossene Romane. Mit “Der Herzschlag der Toten” startet Autor Ralf H. Dorweiler erstmals eine Krimi-Reihe mit historischem Setting. Im Interview mit André C. Schmechta gibt Einblicke in seine Arbeit und den Auftaktroman um Hermann Rieker und Johanna Ahrens.
Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass wir zu allen Zeiten nach Liebe, Glück und Sicherheit gestrebt haben. Nur haben diese Begriffe in verschiedenen Epochen unterschiedliche Bedeutung.
Krimi-Couch:
„Der Herzschlag der Toten“ spielt im Hamburg des 19. Jahrhunderts. Hat die Entscheidung für die Norddeutsche Hafenstadt einen speziellen Hintergrund?
Ralf H. Dorweiler:
Hamburg ist einfach eine spannende Stadt. Ich habe dort Familie und bin regelmäßig da. Klar, dass ich auf der Suche nach einem Setting für einen in der zweiten Hälfte der 1880er-Jahre angesiedelten Krimi in Hamburg hängengeblieben bin. Durch den Hafen und den Handel bündelt sich hier enormer Reichtum, aber es gibt auch abgrundtiefe Armut. Dass alle sozialen Schichten hier auf engstem Raum zusammentreffen, gibt dem Ganzen eine besondere Dynamik. Die sozialen Ungleichheiten spiegeln sich auch bei meinen Ermittlern wider: Johanna Ahrens ist die Tochter eines angesehenen Richters und verkehrt in den höchsten Kreisen. Ihr Herz schlägt aber für die Frauenrechte. Auf der anderen Seite steht der junge Criminalcommissar Hermann Rieker mit Wurzeln im Berliner Gauner-Milieu. Er will seinem Leben eine neue Richtung geben, was gar nicht so leicht ist. Er muss zum Beispiel ständig darauf achten, dass sein Anzug nicht schmutzig wird. Er hat nur den einen. Bei seinen Kollegen hat er einen schweren Stand und ist gezwungen, mit schnellen Ermittlungserfolgen zu punkten. Hamburg passt auch deshalb so gut, weil sich hier gerade eine modernere Form der Kriminalistik herausbildet. Es ist absolut spannend, wie klassische Ermittlungsarbeit Stück für Stück durch wissenschaftliche Methoden ergänzt wird.
Krimi-Couch:
Was mir ausgesprochen gut gefällt, sind die lebendigen, aber niemals übertrieben ausufernden Schilderungen zu Örtlichkeiten und Begebenheiten, dezent werden gesellschaftspolitische Themen und Gepflogenheiten der damaligen Zeit eingeflochten. Das verleiht dem Roman Authentizität ohne Spannung oder Lesefluss zu nehmen. Wie müssen wir uns die Recherche zu ihren Romanen vorstellen?
Ralf H. Dorweiler:
Es gefällt mir sehr, dass Ihnen das so positiv aufgefallen ist. Ich lege nämlich großen Wert darauf, dass meine Protagonisten nicht einfach in einer historisierenden Kulisse agieren, sondern durch ihre Zeit geprägt sind. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass wir zu allen Zeiten nach Liebe, Glück und Sicherheit gestrebt haben. Nur haben diese Begriffe in verschiedenen Epochen unterschiedliche Bedeutung. Damit die Figuren „echt“ wirken, müssen sie aus ihrer Zeit und ihrer gesellschaftlichen Stellung heraus und mit ihrer eigenen Motivation handeln. Dafür ist wichtig, sich in die jeweilige Zeit hineinzuversetzen. Dafür lese ich viel. Aber ich bin auch ein Kartenmensch und habe mich in diesem Fall der Geschichte Hamburgs über alte Stadtpläne angenähert. Beim genauen Hinsehen tun sich mir meist Ideen auf, über die ich dann weiter recherchieren kann.
Krimi-Couch:
Wie sind Sie erstmals auf den Beruf des Totenfotografen aufmerksam geworden?
Ralf H. Dorweiler:
Vor vielen Jahren bin ich mal über den Begriff Post-Mortem-Fotografie gestoßen. Portraitgemälde konnten früher nur die ganz Reichen in Auftrag geben. Fotografien waren ebenfalls teuer, aber zu besonderen Gelegenheiten leistete man sich eine Aufnahme, etwa zur Hochzeit. Wenn ein geliebter Mensch starb, wollten viele eine aktuelle Erinnerung behalten. So hat sich ein Berufsstand herausgebildet, der zunächst die Leichen geschminkt und im Totenbett abgelichtet hat. Einige Tüftler wollten die Toten so lebendig wie möglich im familiären Umfeld zeigen. Dafür wurden eigens Gestelle für die Toten gebaut. Meist ist wegen der langen Belichtungszeiten nur eine Person auf diesen Fotos absolut scharf: eben der Verstorbene, der sich nicht mehr bewegen konnte. Darauf nimmt letztlich auch der Titel des Romans „Der Herzschlag der Toten“ Bezug.
Krimi-Couch:
Entstehen alle ihre Figuren im Vorfeld oder entwickeln sie sich erst im Laufe des Schreibens?
Ralf H. Dorweiler:
Ich habe im Voraus immer eine recht gute Vorstellung von meinen Hauptfiguren. Feinheiten, die eine Person erst richtig realistisch machen, bilden sich aber erst später heraus. Bei der Handlung ist es ähnlich. Ich sage immer: Zu Beginn habe ich ein Skelett und beim Schreiben kommt dann das Fleisch an die Knochen.
Krimi-Couch:
„Der erste Fall von Hermann Rieker und Johanna Ahrens“ ist auf dem Umschlag zu lesen. Hatten Sie von Anfang an eine Reihe geplant?
Ralf H. Dorweiler:
Ja, das hatte ich von Anfang an so vorgesehen. Meine bisherigen historischen Romane sind alle eigenständige Bücher und spielen zu unterschiedlichen Zeiten. Ich wollte mit der Rieker-und-Ahrens-Reihe die Möglichkeit haben, die Figuren über mehrere Romane zu entwickeln – und habe auch eine Handlung entworfen, die über die einzelnen Fälle hinausgeht.
Krimi-Couch:
Können und dürfen Sie uns denn schon etwas zum zweiten Fall verraten?
Ralf H. Dorweiler:
Um jetzt schon Einzelheiten zu verraten, ist es noch zu früh. Ich bin auch ein bisschen abergläubisch, was das angeht. Von genauen Titeln, Erscheinungsdaten und Inhalten rede ich erst, wenn der Verlag das Buch öffentlich vorstellt. Auf jeden Fall werden Rieker und Ahrens es mit einem Fall zu tun bekommen, der sich als weit komplexer erweist, je weiter sie in ihren Ermittlungen voranschreiten. Ich kann manchmal selbst kaum glauben, was ich mir wieder ausgedacht habe … (lacht)
Krimi-Couch:
Sie haben bereits zahlreiche historische Romane und Krimis geschrieben. Gibt es ein Epoche oder Zeit, der sie sich gerne noch widmen möchten?
Ralf H. Dorweiler:
Ich nehme mir gerne Epochen oder historische Ereignisse vor, bei denen ich Lust habe, mich intensiv damit zu beschäftigen. Für mich eine der schönsten Sachen beim Schreiben eines Buchs ist es, mich richtig in ein mir neues Thema reinzuknien. Insofern habe ich in der Vergangenheit noch Unmengen zu entdecken. Vielleicht das alte Rom. Oder das frühe Mittelalter. Mal mit auf einen Kreuzzug gehen oder im Gewirr des dreißigjährigen Kriegs überleben … Ach, mir fällt da noch so viel ein. Und: Als jemand, der sehr viel Science Fiction liest, würde ich auch gerne mal einen Blick in die Zukunft werfen …
Das Interview führte André C. Schmechta im November 2024.
Foto: © Daniela Bianca Gierok
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