Kathrin Lange / Susanne Thiele

10.2021 Sie sind sicherlich ein besonderes Autorenduo: Die Schriftstellerin Kathrin Lange, die bereits zahlreiche Romane für Jugendliche und Erwachsene geschrieben hat, und Susanne Thiele, eine studierte Mikrobiologin und Biochemikerin. Gemeinsam haben sie den packenden Wissenschaftsthriller Probe 12 geschrieben, der aktuell im Lübbe Verlag erscheint. Inhaltlich geht es beim Roman um die Jagd nach Superphagen, einer alternativen Therapieform bei Antibiotikaresistenzen. Krimi-Couch-Redakteur Thomas Gisbertz sprach mit den Autorinnen über die Entstehung ihres Romans, ihre gemeinsame Arbeit und den wissenschaftlichen Hintergrund des Romans.

Wenn wir mit unserem Roman ein paar Menschen die Gefahr der Antibiotikaresistenzen verdeutlichen konnten und das obwohl sie sich spannend unterhalten haben, dann finde ich, haben wir unser Ziel erreicht. (Kathrin Lange)

Krimi-Couch:
Probe 12 ist ein hochaktueller und thematisch wichtiger Roman. Wer von Ihnen hatte die Idee dazu?

Kathrin Lange:
Das Thema der Phagen kam von Susanne. Sie hat mich während einer Tagung zur Vernetzung von Kulturschaffenden angesprochen, weil sie daraus gern einen Thriller machen wollte. Zufällig hatte ich da gerade die Anfrage eines Verlages für einen Science-Thriller auf dem Tisch. Das passte wunderbar zusammen.

Susanne Thiele:
Die Idee, die spannende Geschichte rund um antibiotikaresistente Keime und die innovative Phagentherapie zu erzählen, begleitete mich schon einige Zeit, da ich beruflich damit an zwei Forschungsinstitutionen viel zu tun hatte. Die politischen Verstrickungen und monetären Motive der Pharmafirmen musste ich mir auch nicht ausdenken – all das existierte auch schon in der Realität. Es musste also nur noch eine emotionale Story um die Kerngeschichte gestrickt werden, damit die Leser auch mitfiebern können.

Krimi-Couch:
Eine Thrillerautorin und eine Mikrobiologin: Wie schwierig ist es bei der Entstehung des Romans, literarische Fiktion und wissenschaftliche Realität miteinander zu verbinden?

Kathrin Lange:
Wir hatten öfter einmal unterschiedliche Vorstellungen, klar. Da mussten wir uns zusammenraufen, damit das Buch fachlich korrekt und gleichzeitig auch spannend wird. Letztendlich ist uns das aber gut gelungen, finde ich. Und gestritten haben wir uns nie. :)

Susanne Thiele:
Ich bin zwar Biologin, aber als Wissenschaftsjournalistin schon mehr auf der Seite der verständlichen Vermittlung komplexer Sachverhalte an Laien. Über gut gemachte Sciencethriller erreichen wir ganz andere Adressaten als sonst, die neben der guten Unterhaltung auch noch etwas Neues lernen können. Ich bezeichne das gern als Infotainment oder „Edutainment“ – die Inhalte können abgespeckt sein – müssen aber trotzdem faktisch richtig sein. Das ist der Respekt vor dem Leser und mein Berufsethos :)!

Krimi-Couch:
Wie müssen wir uns die gemeinsame Arbeit und den Schreibprozess vorstellen?

Kathrin Lange:
Wir haben zuerst gemeinsam Susannes Grundidee zu einer Story weiterentwickelt. Das konnten wir noch an einer großen Pinnwand in meiner Küche machen, da wir nur wenige Kilometer auseinander wohnen. Dort haben wir auch den Plot gebaut. Dann kam allerdings Corona und wir haben unsere Zusammenarbeit ins Netz verlegt. Wir haben die Protagonisten unter uns aufgeteilt, Susanne war für Nina zuständig, ich für Tom.

Susanne Thiele:
Sehr rechercheintensiv war es, einen multiresistenten Keim zu finden, der die Geschichte von hinten bis vorn trägt und auch für Sylvies Erkrankung verantwortlich war. Die Wahl fiel letztendlich auf einen, mit Antibiotika schwer zu bekämpfenden, resistenten Erreger Pseudomonas. Auch die medizinischen Hintergründe und Therapien mussten passen und für die Leser nachvollziehbar sein.

Die zunehmende Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen ist leider schon ausreichend dokumentiert und in der Gesellschaft aber noch nicht genügend thematisiert bzw. fehlt es an echter Aufklärung. (Susanne Thiele)

Krimi-Couch:
Der Weg von der Idee bis zum fertigen Roman ist lang. Sind Sie beim Schreibprozess manchmal auch von der Wirklichkeit eingeholt worden?

Kathrin Lange:
Definitiv! Die ursprüngliche Idee war nämlich, unser Thema anhand von Tuberkuloseerregern zu erzählen, was Corona dann unmöglich gemacht hat, weil es unserer Prämisse die Beine weggeschlagen hat. Susanne kann das besser erklären als ich.

Susanne Thiele:
Forschung ist sehr dynamisch. Am Anfang hatte ich multiresistente Tuberkuloserreger im Fokus, die sich z.B. über Russland immer weiter ausbreiten und gegen die es noch keine wirksamen Medikamente gibt. Im Zuge der schnellen Impfstoffentwicklung gegen Covid19 wurden aber auch Impfstoffkandidaten gefunden, die gegen Tuberkulose wirken könnten. Das wäre zwar für die Weltgesundheit eine wunderbare Nachricht in fünf Jahren so ein Medikament zu haben – für unseren Thriller hätte es den ganzen Plot zerstört. So habe ich den ganzen Medizinpart sicherheitshalber nochmal völlig neu auf Pseudomonas umgeplant. Mit der Tuberkuloseimpfung ging es dann leider doch nicht ganz so schnell voran. Es zeigt aber, wie dicht wir mit einem Ohr immer an den aktuellen Nachrichten sein mussten, da wir realitätsnah schreiben.

Krimi-Couch:
Wie realistisch ist aus Ihrer Sicht der Roman?

Kathrin Lange:
Sehr realistisch! Das war die Aufgabe, die wir uns gestellt haben. Wir haben nur an ganz wenigen Stellen die Realität ein bisschen spannender gemacht. Wo das passiert ist, haben wir dies im Nachwort offengelegt.

Susanne Thiele:
Ja das Szenario ist wissenschaftlich sehr realistisch. Die zunehmende Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen ist leider schon ausreichend dokumentiert und in der Gesellschaft aber noch nicht genügend thematisiert bzw. fehlt es an echter Aufklärung. An einer Stelle haben wir dramaturgisch etwas gebogen, aber das legt ein Faktencheck am Ende offen.

Krimi-Couch:
Laut dem Frauenhofer-Institut fordern antibiotikaresistente Erreger etwa 2400 Todesopfer in Deutschland pro Jahr. Dabei scheint es doch eine alternative Therapieform - wie auch im Roman beschrieben - zu geben: Bakteriophagen infizieren Bakterien und töten sie ab. Bereits vor 100 Jahren heilte man mit ihrer Hilfe schwere Infektionen. Warum ist hierzulande die Forschung dennoch derart schwierig?

Susanne Thiele:
Die Phagentherapie wurde in der früheren Sowjetunion, vor allem in Georgien, sehr erfolgreich eingesetzt. Diese Studien sind aber in keiner Weise mit den hohen Auflagen für klinische Studien und Medikamentenzulassungen in Deutschland zu vergleichen. Ärzte können die Phagentherapie in Deutschland nur als letzten Ausweg anwenden, wenn gar kein Antibiotikum mehr hilft. Die Bakteriophagen sind als „lebende Heilmittel“ bisher nicht als Medikamente zugelassen. Man darf sich das auch nicht als ein Massenmedikament vorstellen. Jedes Bakterium hat einen speziellen Phagen, der es angreift. Damit ist das immer eine sehr auf den speziellen Patienten zugeschnittene Therapie.

Krimi-Couch:
Frau Thiele, Sie zitieren im Roman Prof. Mark Brönstrup, der als Leiter der Abteilung Chemische Biologie genauso wie Sie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung arbeitet. Was sagt er aus der Sicht des Wissenschaftlers zu Ihrem Roman?

Susanne Thiele:
Im Moment ist er noch selbst am Lesen, er hat das Buch auch erst bekommen J. Aber ich kenne ihn sehr gut und daher kann ich sein Urteil vorwegnehmen. Er findet es auch sehr wichtig, dass über verschiedene Wege auf die Gefahr des Versagens von wichtigen Antibiotika hingewiesen wird, da die Wissenschaftler nicht so schnell Ersatzkandidaten schaffen können. Der Thriller trägt somit auch zur Aufklärung des Publikums bei, wie wir aus dem positiven Feedback aus den ersten Leserunden entnehmen durften.

Krimi-Couch:
Frau Lange, warum sind Romane wie Probe 12, die Wissenschaft und Unterhaltung miteinander verbinden, aus Ihrer Sicht wichtig?

Kathrin Lange:
Romane sind die Literaturform, die den Raum bieten, Themen von vielen Seiten zu beleuchten, nicht nur gesellschaftliche, sondern auch wissenschaftliche. Das macht es möglich, eher trockene Themen wie z.B. wissenschaftliche interessant aufzubereiten. Thriller bieten darüber hinaus auch noch ein gewisses Maß an Spannung, durch die es möglich ist, diese Themen sozusagen „nebenbei“ zu erzählen. Wenn wir mit unserem Roman ein paar Menschen die Gefahr der Antibiotikaresistenzen verdeutlichen konnten und das obwohl sie sich spannend unterhalten haben, dann finde ich, haben wir unser Ziel erreicht.

Krimi-Couch:
Können Sie sich vorstellen, noch einmal zusammenzuarbeiten? Oder gibt es vielleicht schon konkretere Pläne für einen weiteren Roman?

Kathrin Lange:
Wir planen einen zweiten Band mit Nina Falkenberg und Tom Morell. Erste Arbeiten daran laufen bereits.

Susanne Thiele:
Ja, ich stecke schon wieder tief in den Recherchen für ein neues Abenteuer unseres Duos. Aber mehr wird noch nicht verraten J!

Das Interview führte Thomas Gisbertz im Oktober 2021.
Foto Kathrin Lange: © Susanne Krauss, München
Foto Susanne Thiele: © Verena Meier

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