Thomas Enger / Jørn Lier Horst
09.2020 Jørn Lier Horst und Thomas Enger gehören bereits seit vielen Jahren zu den absoluten Topadressen skandinavischer Thrillerliteratur. Bereits 2018 veröffentlichen sie in Norwegen ihren ersten gemeinsamen Roman, der nun auch in Deutschland im Blanvalet-Verlag erscheint. „Blutzahl“ ist der Auftakt eine Reihe um die Bloggerin und Promo-Journalistin Emma Ramm und den Kriminalhauptkommissar Alexander Blix. Krimi-Couch-Redakteur Thomas Gisbertz sprach mit beiden über die gemeinsame Zusammenarbeit, das Besondere skandinavischer Literatur und ihre weiteren Pläne.
"Es ist uns wichtig, dass alles, was wir schreiben, den Eindruck erweckt, es könnte genauso wirklich passieren."
Krimi-Couch:
In Deutschland erscheint derzeit Ihr Thriller „Blutzahl“. Wer von Ihnen hatte die Idee für die gemeinsame Arbeit?
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Die Idee einer Zusammenarbeit hatte Jørn schon 2012, nachdem wir uns kennengelernt und festgestellt haben, dass wir einen ähnlichen Krimigeschmack teilen. Zum damaligen Zeitpunkt ließ es sich zeitlich leider nicht einrichten, aber wir haben im Laufe der Jahre immer wieder darüber gesprochen. 2017 war es dann endlich soweit, und die gemeinsame Schreibarbeit konnte beginnen.
Krimi-Couch:
Wenn man sich Ihre Biografien sowie Ihre bisherigen Veröffentlichungen anschaut, scheint die Rollenverteilung beim Schreiben klar: Die Entwicklung der Figur Emma Ramm liegt in den Händen von Thomas Enger, während Jørn Lier Horst sich stärker Alexander Blix widmet. Liege ich mit der Vermutung richtig?
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Naja, das war eingangs zumindest der Plan. Es hätte durchaus gepasst, dass jeder “seine eigene“ Figur schreibt, da Emma Journalistin ist (wie Thomas es selbst ja schon war) und Alexander bei der Polizei arbeitet (wie Jørn früher). Das hat sich dann aber ziemlich schnell in Luft aufgelöst, und wir haben praktisch von Anfang an jeweils an beiden Charakteren gearbeitet - es hat sich einfach so ergeben.
Krimi-Couch:
Herr Horst, Sie haben viele Jahre als Kriminalhauptkommissar bei der norwegischen Polizei ermittelt. Wie real ist die Figur des Alexander Blix und wo muss man als Thrillerautor auch Kompromisse bei der Erzählung machen?
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Ich finde, als Autor muss man immer Kompromisse eingehen. Allerdings versuchen wir tatsächlich, so nahe wie möglich an der Realität zu bleiben, zumindest was die ermittlungstechnischen Details angeht. Es ist uns wichtig, dass alles, was wir schreiben, den Eindruck erweckt, es könnte genauso wirklich passieren. Blix ist ein gewissenhafter Cop mit starkem Gerechtigkeitssinn, und er bringt eine Menge emotionalen Ballast mit; allein das macht ihn für mich schon sehr “echt” – und sehr menschlich.
Krimi-Couch:
Herr Enger, nach dem Abschluss ihrer Reihe um den Journalisten Henning Juul ist es - zumindest in Deutschland- seit 2017 sehr ruhig um Sie geworden? Woran haben Sie in dieser Zeit gearbeitet und was reizte Sie nun an der Zusammenarbeit mit Ihrem Schriftstellerkollegen Jørn Lier Horst?
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Ich hatte ganz gut zu tun: Ich habe einige Young-Adult-Romane geschrieben und schließlich noch an einem Projekt fürs Fernsehen gearbeitet, aus dem aber leider nichts geworden ist. Aber die Zusammenarbeit mit Jørn stand ja schon seit 2012 im Raum, deshalb habe ich mich sehr gefreut, als wir endlich die Zeit dazu finden konnten. Es ist spannend und macht viel Spaß, mit jemandem zu schreiben, der selbst weiß, wie man Figuren und Geschichten erschafft und der so eine Kooperation pragmatisch angeht.
Krimi-Couch:
Wenn meine Informationen stimmen, dann wohnen Sie, Herr Horst, im Küstenstädtchen Stavern im Süden Norwegens und Sie, Herr Enger, in der Hauptstadt Oslo. Wie sieht da Ihre Zusammenarbeit aus? Trifft man sich zum gemeinsamen Schreiben oder läuft das heutzutage alles digital?
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Eigentlich sowohl als auch. Ab und an treffen wir uns “physisch“ zum Gedankenaustausch, danach folgen dann meist Skype-Meetings, Whatsapp-Nachrichten und gegenseitiges Hin-und-Her-Mailen. Wir telefonieren auch recht häufig miteinander.
Krimi-Couch:
Eine gemeinsame Arbeit läuft selbst unter Freunden selten reibungslos ab. Was haben Sie beim jeweils anderen während des Schreibens zu schätzen gelernt und auf welche Eigenart des anderen könnten Sie auch gerne verzichten?
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Das schwierigste an der ganzen Sache war tatsächlich, unser Zeitmanagement aufeinander abzustimmen. Wir sind beide schwer beschäftigt und arbeiten oft an vielen verschiedenen Projekten gleichzeitig, von dem berufsbedingten Reisen ganz zu schweigen. Trotzdem könnte ich mich nicht daran erinnern, dass wir uns auch nur einmal gestritten hätten. Natürlich gehen wir nicht immer mit allem konform, was der jeweils andere schreibt, aber wir pflegen einen respektvollen Umgang miteinander, können problemlos konstruktive Kritik anbringen und an einer gemeinsamen Lösung für Stellen arbeiten, die noch etwas holprig sind. Bislang hat die Zusammenarbeit also wunderbar funktioniert.
Krimi-Couch:
In Norwegen sind bereits 14. Teile der Wisting-Reihe erschienen, während in Deutschland der Droemer-Verlag gerade den 10. Band „Blindgang“ veröffentlicht hat. Ist ein Ende der Serie in Sicht, Herr Horst, oder dürfen sich die Fans noch auf viele Fälle Ihres Ermittlers William Wisting freuen?
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Sein letztes Rätsel hat Wisting sicher noch nicht geknackt, aber er wird im Laufe der Reihe ja auch älter und geht daher auf seine Pensionierung zu. Ihm bleiben noch ein paar gute Jahre und Fälle, aber ich habe schon eine konkrete Vorstellung davon, wie ich ihn in den Ruhestand entlassen möchte.
Krimi-Couch:
Herr Enger, ist bei Ihnen eine neue Thrillerserie geplant oder konzentrieren Sie sich aktuell ganz auf die gemeinsame Arbeit an der Blix-Ramm-Reihe?
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Jørn und ich haben bis dato drei gemeinsame Romane geschrieben, und an einer Reihe im Young-Adult-Bereich arbeite ich auch noch (2 von 3 Büchern sind fertig). Ich rechne damit, dass nächstes Jahr ein brandneuer Solo-Krimi von mir erscheint - darauf darf man sich also schonmal freuen.
Krimi-Couch:
Thriller aus Skandinavien sind in Deutschland sehr beliebt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Auf diese Frage gibt es eine kurze sowie eine lange, pseudoanalytische Antwort. Wir geben die kurze: Die Bücher sind einfach gut! :)
Krimi-Couch:
Gibt es eine deutsche Autorin oder einen deutschen Autor, der Sie in letzter Zeit mit ihren bzw. seinen Thrillern oder Kriminalerzählungen beeindruckt hat?
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Ferdinand von Schirach und Simone Buchholz sind beide herausragend.
Krimi-Couch:
Verraten Sie uns zum Schluss doch bitte kurz, warum es im zweiten Band der Blix-Ramm-Reihe „Blutnebel“ gehen wird, der im Frühjahr 2021 in Deutschland erscheinen wird.
Thomas Enger / Jørn Lier Horst:
Am Silvesterabend, genau um Mitternacht, erschüttert eine Explosion die norwegische Hauptstadt Oslo. Vier Menschen sterben. Eines der Opfer ist für Blix jedoch keine Unbekannte: Ruth-Kristine Smeplass war die Mutter von Patricia, einem zweijährigen Mädchen, das 10 Jahre zuvor entführt worden und nie wieder aufgetaucht ist. Könnte es da einen Zusammenhang geben? Tja, um das herauszufinden, wird man wohl das Buch lesen müssen!
Das Interview führte Thomas Gisbertz im September 2020.
Übersetzung: Yannic Niehr.
Foto: © Tom Hansen
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