Reinhard Kleindl
08.2021 Der Weg des studierten Naturwissenschaftlers Reinhard Kleindl zum Thrillerautor ist ungewöhnlich. Nach seinem Diplom arbeitete er nach eigenen Worten als Klettertrainer, Verpacker, Aufbauhelfer, Wissenschaftsjournalist, Industriekletterer, Softwareentwickler und sogar Erntehelfer. Später war er bis 2016 professioneller Slackliner. Seine zweite Leidenschaft ist das Schreiben. So verfasste er bereits mehrere Romane und schreibt populärwissenschaftliche Texte für den österreichischen Wissenschaftsfond FWF.
Mit Die Gottesmaschine erscheint beim Lübbe Verlag ein hochinteressanter Thriller über Wissenschaft und Glauben. Krimi-Couch-Redakteur Thomas Gisbertz sprach mit Reinhard Kleindl über die Entstehung seines Romans, das Verhältnis von Wissenschaft und Glauben sowie seine Arbeit als Autor.
Thriller-Spannung und Wissenschaftsjournalismus, sind beides mein Handwerk, auf das ich zurückgreife. Aber passt das wirklich zusammen? Das musste ich herausfinden.
Krimi-Couch:
Herr Kleindl, in ihrem aktuellen Thriller Die Gottesmaschine geht es kurz umrissen um den Versuch, die Existenz Gottes wissenschaftlich zu beweisen bzw. zu widerlegen. Dies klingt zunächst für den Thrillerleser wenig spannend. Warum lohnt es sich dennoch, Ihren Roman zu lesen?
Reinhard Kleindl:
Ich fand, dass das enorm spannend für Thrillerleser wäre, deshalb habe ich es so geschrieben! Aber Sie haben schon recht, es ist vielleicht kein Thema, bei dem man sofort an einen Thriller denkt. Für mich brauchen gute Thriller ein Mystery-Element. Die Spannung und das Tempo haben ihren Ursprung in einem Geheimnis. Was hat der Mönch Sébastien mit dem Supercomputer berechnet? Ist es ihm gelungen, Gott zu beweisen? Warum will jemand unbedingt verhindern, dass das Geheimnis ans Licht kommt und schreckt vor nichts zurück?
Krimi-Couch:
Wann kam Ihnen die Idee für diesen Roman und was war die besondere Motivation, dieses Buch zu schreiben?
Reinhard Kleindl:
Zuerst war da das Bild eines Klosters mit einem Supercomputer. Andere Klöster brauen Bier oder machen Käse, dieses Kloster verkauft Rechenzeit an Forschungsinstitute. Es klingt vielleicht nach Science Fiction, ist aber nicht so abwegig. Castel Gandolfo, der Sommersitz des Papstes, hat etwa ein großes Teleskop. Ich habe als Student einmal eine Physik-Tagung in einer mittelalterlichen Burg besucht. Sehr atmosphärisch, dort von der neuesten Forschung über den Aufbau der Welt zu hören. Ich stellte mir vor, wie ein Bischof und eine Physikerin Wein trinken und diskutieren. So hat es angefangen und ich hatte gleich das Gefühl, dass es in eine interessante Richtung geht.
Krimi-Couch:
Der Schweizer Theologe und katholische Priester Hans Küng hat sich 1978 in einem seiner Hauptwerke mit der Frage der Existenz Gottes auseinandergesetzt. Dabei versuchte er nicht, dessen Dasein zu beweisen, sondern wissenschaftliche Argumente anzuführen. Er wollte aufzeigen, dass Gottesglaube und Moderne vereinbar sind. Inwieweit spielen Küng und seine Ausführungen für den Roman, aber auch die moderne Gesellschaft aus Ihrer Sicht eine zentrale Rolle?
Reinhard Kleindl:
Vieles in dem Buch ist nicht recherchiert sondern setzt sich aus Dingen zusammen, die sich über Jahre in meinem Kopf angesammelt haben. Auf Küngs Bücher stieß ich allerdings wirklich erst beim Recherchieren. Ich war verblüfft, wie interessant und kurzweilig sie sind. Er hat mir ein paar Antworten geben können, die ich bis dahin vergeblich gesucht habe. Erstaunlich finde ich, dass er mit Thesen, die mir nicht einmal besonders provokant erscheinen, in so tiefen Konflikt mit der Kirche kommen konnte. Das ist schade! Zum Thema Religion und Wissenschaft habe ich nichts Interessanteres gefunden als Küngs Bücher, deshalb habe ich ihn erwähnt - als Ansporn, sich mit ihm auseinanderzusetzen.
Krimi-Couch:
Wissen und Erkenntnis zu erlangen, gehört sicherlich zu den größten Sehnsüchten der Menschheit. Zahlreiche bedeutende Wissenschaftler*innen sind gläubige Menschen. Warum stehen Wissenschaft und Glauben Ihrer Meinung nach nicht in Konkurrenz zueinander?
Reinhard Kleindl:
Ich war lange Zeit der Meinung, dass sie in Konkurrenz zueinander stünden, aber heute erscheinen mir die Konflikte weniger groß. Besonders interessant finde ich, wie sich die Kirche - nach Jahrhunderten der Fehler - um eine Verständigung mit der Wissenschaft bemüht. Sicher gibt es Dogmen, die mit wissenschaftlichen Fakten nur schwer vereinbar sind. Aber die Welt der Elementarteilchen ist so wunderbar geordnet, dass man dabei in andächtiges Staunen geraten kann. Für die Kirche ist das die Schönheit der Schöpfung und ganz selbstverständlich. Wer Bücher übers Schreiben liest, lernt dort, dass es maximalen Konflikt braucht. Ich fand es hier interessanter, mit einer Utopie zu starten und sie dann infrage zu stellen.
Krimi-Couch:
Mit der Quantenphysikerin Samira Amirpour und dem römischen Weihbischof Stefano Lombardi diskutieren zwei zentrale Figuren die unterschiedlichen Ansätze und Theorien aus der Sicht der Wissenschaft bzw. Kirche. Welcher Figur fühlen Sie sich persönlich näher? Der durchaus in Glaubensfragen interessierten Physikerin oder dem zweifelnden und seines Glaubens nicht sicheren Bischof?
Reinhard Kleindl:
Ich bin mir nicht sicher, und deswegen macht es auch so viel Spaß, über die beiden zu schreiben. Wobei mir objektiv gesehen natürlich die Physikerin näher ist.
Krimi-Couch:
Was war für Sie die schwierigere Arbeit: Die spannende Geschichte rund um den mysteriösen Mord und die Jagd nach dem Täter zu verfassen oder die wissenschaftlichen Theorien und Fakten verständlich in den Thriller einfließen zu lassen?
Reinhard Kleindl:
Die richtige Balance fand ich schwierig. Ich habe das Buch oft umgeschrieben, bis es für mich gepasst hat. Thriller-Spannung und Wissenschaftsjournalismus, sind beides mein Handwerk, auf das ich zurückgreife. Aber passt das wirklich zusammen? Das musste ich herausfinden.
Krimi-Couch:
Bei Thrillern, die sich inhaltlich stark auf wissenschaftliche Theorien und Fakten beziehen, besteht immer die Gefahr, dass der Roman zum Sachbuch wird. Wie geht man als Autor damit um?
Reinhard Kleindl:
Kürzen, gnadenlos. Ich will mich ja nicht um die Früchte meiner Arbeit bringen, indem ich jemanden überfordere oder langweile. Aber ich bin auch nicht der "Kill your darlings"-Typ. Ein paar Darlings dürfen, müssen sein. Was nützt es einem, Schriftsteller zu sein, wenn man nicht frei ist? Ich suche eine ausgewogene Unausgewogenheit, besonders mit diesem Buch.
Krimi-Couch:
Können Sie sich vorstellen, Ihre beiden Hauptfiguren in einem weiteren Thriller auftreten zu lassen? Oder ist dies vielleicht bereits geplant?
Reinhard Kleindl:
Ich mag die beiden sehr gern, also: Ja, ich kann mir gut vorstellen, sie in ein neues Abenteuer zu schicken! Mehr sage ich noch nicht.
Das Interview führte Thomas Gisbertz im August 2021.
Foto: © Romy Supp
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