Veit Etzold
07.2020 Krimi-Couch-Chefredakteuer Andreas Kurth hat Veit Etzold im Interview Fragen zum neuen Thriller "Blutgott" gestellt.
"Die Ideen kommen nicht aus meiner Phantasie, sondern aus der Realität."
Krimi-Couch:
Veit Etzold, in Blutgott müssen Clara Vidalis, ihre Kollegen und die Leser wieder viel aushalten. Wem das zu brutal ist, der sollte vermutlich ihre Bücher nicht lesen?
Veit Etzold:
Ja, so ist es wohl. Die Cover sind ja blutig und es steht auch „Thriller“ drauf. Dennoch gibt es immer wieder Leute, die wohl trotzdem einen Liebesroman erwarten und dann schockiert sind. Die schreiben dann schockierte Bewertungen bei Amazon oder auch Krimi-Couch, die aber die Hardcore-Fans erst recht zum Kauf animieren. Interessant ist aber: 80 Prozent der Leser von derart harten Sachen sind Frauen.
Krimi-Couch:
Beruht der Plot auf realen Ereignissen? Wenn nicht, könnte es so etwas in Deutschland tatsächlich geben?
Veit Etzold:
Ja und ja. Es gibt ja schon Banden, die absichtlich Minderjährige die kriminellen Taten machen lassen, da sie genau wissen, dass die strafrechtlich nicht belangt werden (können). Von daher gilt das gleiche wie bei all meinen Thrillern: Die Ideen kommen nicht aus meiner Phantasie, sondern aus der Realität.
Krimi-Couch:
Sehen Sie da eine Gesetzeslücke, die problematisch ist? In der organisierten Kriminalität werden ja gerne Kinder eingesetzt, die noch nicht strafmündig sind.
Veit Etzold:
Genau, Sie haben es erfasst! Ich halte diese Gesetzeslücke, genau so wie die gesamte Gerechtigkeitsauffassung der deutschen Justiz, die grundsätzlich Täter-Interessen vor Opfer-Interessen stellt, für hochproblematisch, und für das Fortbestehen von Rechtsstaat und Demokratie für sehr gefährlich. Auch wenn es nach Stammtisch klingt: Statistisch werden Sie in Deutschland für Steuerhinterziehung härter bestraft als für Mord.
Krimi-Couch:
Wie passen teilweise blutrünstige Thriller und Sachbücher, die Sie ja auch schreiben, inhaltlich eigentlich zusammen? Oder, wie trennen Sie das bei ihrer publizistischen Arbeit?
Veit Etzold:
Ja, das trenne ich. Ich schreibe ja auch Politthriller, die deutlich weniger blutig sind. Da überschneiden sich auch die Zielgruppen: Business-Bücher und Politthriller für Männer, Clara Vidalis eher für Frauen. Die Sachbücher wie „Strategie“ und „Wandel kommunizieren“ sind natürlich gar nicht blutig, die Politthriller weniger (mit Ausnahme von „Dark Web“). Die Zielgruppe von Clara Vidalis möchte aber gern blutige Thriller - und die kriegen sie geliefert. Ich bin selbst natürlich Thriller-Fan, aber es muss nicht immer blutig sein. Ich schreibe nicht blutig, weil ich so pervers bin, sondern weil Leute das lesen wollen. Und bin selbst immer wieder schockiert über das reale Grauen, das es wirklich gibt. Da darf man als Thriller-Autor auch nicht abstumpfen, denn sonst kann man kein Mitleid mit Opfern oder Ermittlern erzeugen, was für die Spannung aber ungemein wichtig ist.
Ich könnte mir auch Komödien vorstellen. Meine Frau und ich haben dazu einmal einen Entwurf geschrieben mit skurrilen Storys aus der Ehe, die bei Lesungen immer super ankamen. Das wollte aber kein Verlag haben, auch mein Hausverlag nicht. Also bleibt es beim Blutigen.
Krimi-Couch:
Was macht als Autor mehr Spaß, eine Serie wie die mit Clara Vidalis, oder eher die Einzeltitel zwischendurch?
Veit Etzold:
Unterschiedlich: Clara wegen dem klaren Fundament, die Einzeltitel, wenn es etwas neues gibt. Irgendwann muss man sich natürlich immer Gedanken machen, wie lange eine Serie noch funktioniert. So lange mir bei Clara die Ideen nicht ausgehen und die Fans das lesen wollen, wird sie wohl weiter ermitteln.
Krimi-Couch:
Will man sich als Autor nicht auf eine Figur festlegen lassen? Oder was ist die Motivation, auch mal einen Einzeltitel zu schreiben?
Veit Etzold:
Gewisse Ideen aus den Polit-Thrillern wie China, Überwachung, Banken, seltene Erden, würden bei Clara nicht funktionieren. Sie ist nun mal beim LKA und behördlich auf Deutschland festgelegt. Daher grenzt das den Themenschwerpunkt schon einmal ein. Zudem ermittelt sie bei Morden und nicht bei Wirtschaftskriminalität, von daher könnte sie in einem Thriller wie Todesdeal oder jetzt bald Final Control gar nicht groß mitspielen.
Krimi-Couch:
Wie teilt sich ihre Arbeit eigentlich auf? Verwenden Sie mehr Zeit auf ihre Tätigkeit als Redner und Coach, oder steht das Schreiben doch im Vordergrund?
Veit Etzold:
Ich würde sagen 50/50. Die Zeit da immer richtig zu allokieren, bleibt die größte Herausforderung. Andererseits macht die Arbeit mit Unternehmen viel Spaß, und ich bekomme auch spannende Impulse von Leuten, die mir sagen „Wenn Sie mal zu diesem Thema was schreiben wollen, melden Sie sich einfach...“ Das erspart dann natürlich Stunden an Recherche und diese Kontakte habe ich nur durch meine Firmenprojekte.
Krimi-Couch:
Ziehen sie sich für die Arbeit an einem neuen Buch zurück, und sind dann nicht erreichbar? Wie haben sich die Leser einen Arbeitstag von Veit Etzold vorzustellen?
Veit Etzold:
Leider nicht so fokussiert wie ich es gern hätte. Meist schreibe ich morgens ein bis zwei Kapitel, ziemlich roh, und optimiere die dann alle später. Insgesamt sehe ich es wie Hemingway: Der erste Entwurf ist immer Mist. Aufgabe ist es dann, alles so zu optimieren, dass die Leser und besonders Leserinnen es gern lesen.
Krimi-Couch:
Unvermeidliche Schlussfrage: Wann lesen wir wieder einen nervenaufreibenden Fall von Clara und ihren Kollegen? Ober gibt es erstmal etwas anders?
Veit Etzold:
Im Oktober 2020 kommt Final Control, ein Thriller über das chinesische Überwachungssystem und Europa. Der nächste Clara Vidalis-Fall, mittlerweile schon der achte, kommt dann 2021.
Das Interview führte Andreas Kurth im Juli 2020.
Foto: © Veit Etzold
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