Mike Omer
07.2019 Andreas Kurth im Gespräch mit Mike Omer - Autor von "Der Präparator".
Meiner Einschätzung nach werden vor allem forensische Technologien in Zukunft eine größere Rolle bei der Verbrechensaufklärung spielen.
Krimi-Couch:
Mike Omer, eine forensische Psychiaterin ist die Protagonistin ihrer Thriller-Reihe. Wie sind Sie auf einen so ausgefallenen Beruf gekommen?
Mike Omer:
Als ich meine erste Thriller-Reihe geschrieben habe, gab es da ein Buch, das die Jagd nach einem Serienmörder schilderte. Ein Bekannter, der Polizeichef ist, hat mir damals erzählt, dass das FBI in solchen Fällen gerne mal unter die Arme greift und jemanden zur Erstellung eines Profils schickt. Zuerst war ich nicht begeistert, da ich praktisch nichts übers Profiling wusste. Aber als ich mit der Recherche anfing, hat es mich sofort in seinen Bann gezogen. Dieses Berufsbild, wo man Statistiken und Fakten so sehr braucht wie Bauchgefühl, ist wirklich etwas Besonderes, und ich wollte mich noch eingehender damit beschäftigen.
Als ich dann mit meiner neuen Reihe anfing, sollte es darin nur um Serienmörder gehen. Im Mittelpunkt sollte ein Gesetzeshüter stehen, der sich auf Verbrechen dieser Art spezialisiert hat. Eine forensische Psychologin war da die perfekte Lösung.
Krimi-Couch:
Zoe Bentley hat eine ganz spezielle Biographie. Gibt es ein historisches Vorbild - oder haben sie sich das alles komplett ausgedacht?
Mike Omer:
Das kam alles von mir. Ich wollte von Anfang an ein Ereignis in Zoes Vergangenheit, das mit ihrer späteren Berufswahl zu tun hatte, und da kam mir die Idee, dass sie ihre erste Begegnung mit einem Serienmörder schon im Teenageralter gehabt haben könnte.
Als Kind habe ich die Nancy Drew-Bücher und Krimis von Enid Blyton verschlungen, in denen Teenager die Protagonisten waren. Ich wollte etwas Ähnliches schaffen, aber eben düsterer und näher an der Wirklichkeit. Wenn Teenager im echten Leben zur Polizei gehen, nachdem sie „den Fall gelöst haben”, werden sie nicht ernst genommen, und die Verbrecher erhalten auch nicht ihre gerechte Strafe dank dieser “lästigen Gören”.
Krimi-Couch:
FBI-Agent Tatum Grey wird von Zoe ein wenig “an die Wand” gespielt. Dennoch punktet er mit speziellen Fähigkeiten. Wird er im nächsten Band eine etwas größere Rolle spielen?
Mike Omer:
Definitiv. Im ersten Buch ging es darum, dass Tatum und Zoe sich kennenlernen und einer Zusammenarbeit annähern. In der Fortsetzung hat er eine deutlich größere Rolle, aber das werde ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten.
Krimi-Couch:
Der Konflikt zwischen lokaler und Bundespolizei tritt in Romanen nach guten Ansätzen immer wieder auf. Muss das so sein - oder könnte es auch mal eine gute Zusammenarbeit geben?
Mike Omer:
Es ist kein Muss, aber Konflikte sind eben interessant. Ich glaube, wenn mehrere Behörden kooperieren müssen, entstehen generell Reibungen. Während meines Wehrdienstes habe ich die hochstehenden Offiziere ständig aneinander geraten sehen. Selbst innerhalb einer einzigen Einrichtung sind ja unterschiedliche Interessen vertreten, und meistens prallen diese irgendwann aufeinander.
Allerdings finde ich die Kooperation in Der Präparator recht gelungen, trotz der vielen Konflikte. Und in der Fortsetzung ist die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der Verhaltensanalyseeinheit noch effektiver.
Krimi-Couch:
Bei Forensikern denken die Leser wohl meistens an den Gerichtsmediziner. Werden forensische Psychiater in Zukunft noch wichtiger für die Aufklärung schwerer Verbrechen?
Mike Omer:
Meiner Einschätzung nach werden vor allem forensische Technologien in Zukunft eine größere Rolle bei der Verbrechensaufklärung spielen. Die forensische Psychologie ist auch ein hilfreiches Mittel, aber Dinge wie Gesichtserkennung, DNA-Datenbanken und digitale Fußabdrücke werden den Großteil der Ermittlungsarbeiten bestimmen. Das ist ja jetzt schon so.
Krimi-Couch:
Müssen es eigentlich immer Serienmörder sein? Oder kann man auch einen spannenden Thriller mit einem anderen Plot schreiben?
Mike Omer:
Na klar. Ich selbst habe schon einen Thriller über eine Entführung geschrieben und plane eine Reihe, in der es um Verhandlungen mit Geiselnehmern geht.
Allerdings ist einer der wichtigsten Bestandteile eines guten Thrillers das Element einer “tickenden Zeitbombe”: wenn die Ermittler nicht schnell genug arbeiten, wird etwas Schlimmes passieren. Eine gelungene Prämisse für eine solche Zeitbombe findet sich gar nicht so leicht (außer natürlich es ist eine tatsächliche Bombe). “Wenn sie nicht schnell genug sind, wird der Killer davonkommen” reicht nicht aus, um die spannende Sogwirkung zu erzielen, die einen das Buch nicht mehr aus der Hand legen lässt.
Ein Serienmörder hat diesen Effekt von Natur aus. Wird er nicht rechtzeitig dingfest gemacht, tötet er weiter. Das sind wandelnde Zeitbomben. Und ihr Tun beschleunigt sich immer. Ich habe noch keinen Thriller gelesen, in dem ein Detective sagt: “Oh, jetzt lässt er aber nach. Wir haben noch massig Zeit bis zum nächsten Mord.” Es muss ja etwas auf dem Spiel stehen, der Druck muss sich stetig erhöhen. Deshalb sind Serienmörder in Thrillern so überproportional vertreten.
Krimi-Couch:
Am Ende muten Sie ihren Lesern einen heftigen Cliffhanger zu - wie lange müssen wir auf die Auflösung warten? Und mögen Sie schon etwas zum zweiten Band der Reihe sagen?
Mike Omer:
Ich betrachte es lieber als Teaser statt als Cliffhanger. Es deutet auf das Thema des nächsten Buches hin. Zur Fortsetzung kann ich auf jeden Fall schon einmal sagen, dass sie einen Monat später beginnt, und die Geschehnisse vom Ende des ersten Teils treiben die Figuren nach wie vor um. Ich will nicht alles verraten für diejenigen, die den ersten Band noch nicht gelesen haben, nur so viel: Zoe und ihre Schwester werfen immer noch nervöse Blicke über ihre Schulter, und das wird im Laufe der Fortsetzung nicht besser.
Ich glaube, als ich angefangen habe, die Frage zu beantworten, war es noch ein Teaser, und jetzt habe ich es irgendwie doch zum Cliffhanger gemacht. Tut mir leid.
Das Interview führte Andreas Kurth im Juli 2019.
Übersetzt aus dem Englischen von Yannic Niehr.
Foto: © Yael Omer
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