Linus Geschke
03.2018 Krimi-Couch Chefredakteur Andreas Kurth traf Autor Linus Geschke zum Interview und sprach mit ihm unter anderem über seinen neuen Krimi »Das Lied der toten Mädchen«.
Krimi-Couch.de:
Linus Geschke, hat man als Journalist problemlos Ideen für Krimis oder musst Du trotzdem länger nachdenken, um Dir ein Thema für das nächste Buch zu suchen?
Linus Geschke:
Die Themen, die kommen automatisch, eigentlich mehr als man Bücher schreiben kann. Das Problem ist, die dann auszuarbeiten. Also das macht mehr Probleme. Das heißt die Grundidee für einen Mord oder den Startpunkt, von dem aus man los will, den findet man relativ einfach. Mehr Arbeit macht es dann wirklich, das so am Ende zu einem logischen Ende zu bringen, ohne dass der Leser schon auf Seite 100 genau weiß, was passieren wird.
Krimi-Couch.de:
Jan Römer und Stephanie Schneider sind auch Journalisten. Wie bist Du darauf gekommen, Kollegen als Ermittler ins Rennen zu schicken?
Linus Geschke:
Weil ich ein sehr fauler Autor bin. Meine erste Idee war eigentlich, ich hätte gern einen Pathologen gehabt. Dann ist mir aber eingefallen, dass ich von Pathologie null Ahnung habe. Mit Polizei kenne ich mich auch nicht so gut aus und Journalist war dann eben naheliegend, das heißt, ich brauche nicht viel recherchieren, deshalb ist auch Jan Römer passenderweise im selben Alter und kommt aus derselben Stadt. Also, der macht mir das Leben leicht.
Krimi-Couch.de:
Dazu passt ja die nächste Frage. Der männliche Protagonist hat so einige Züge, die an Deine eigene Biografie erinnern. Wie viel Linus Geschke steckt in Jan Römer?
Linus Geschke:
Er ist kein alter Ego, aber ich glaube, damit man eine Figur authentisch auch über mehrere Reihen und Bücher hinweg tragen kann, sollte die einem schon ein bisschen ähnlich sein. Also der hört gerne die Musik, die ich gerne mag, der fährt die Autos, die ich selber gerne fahren würde, der Frauengeschmack ist ähnlich. Also, die Sachen stimmen schon, aber wie jetzt im ersten Fall, ich habe zum Beispiel nie in meiner Clique in der Jugend eine Leiche gehabt.
Krimi-Couch.de:
Im aktuellen Roman geht es auch um den Verfassungsschutz und Aussteiger aus der radikalen Szene von links und rechts. Hast Du selbst einmal darüber geschrieben als Journalist, oder was hat Dich zu diesem speziellen Thema inspiriert?
Linus Geschke:
Meine letzte Arbeit auf der Journalistenschule, die war wirklich über die RAF, dritte Generation, wo der Verfassungsschutz ja auch eine große Rolle spielt. Und ich habe seitdem, bin mit Sicherheit kein Experte, habe mich auch nicht permanent mit dem Thema beschäftigt, aber ob es um die NPD-Verfahren ging, ob es um die NSU-Sachen ging, mir ist eben keine größere Sache mehr untergekommen, in die der Verfassungsschutz involviert war und die so ganz sauber war. Ich würde auch wahnsinnig gerne irgendwann noch mal einen Roman schreiben über die RAF, dritte Generation, weil ich finde, da gibt es so viele unbeantwortete Fragen und wenn die die Regierung nicht beantworten kann, dann kann der Autor ja vielleicht ein paar Antworten finden, ob sie denn nun richtig sein mögen oder nicht.
Krimi-Couch.de:
Das hat Horst Eckert beim NSU ja so ähnlich gemacht.
Linus Geschke:
Ja, ganz genau.
Krimi-Couch.de:
Wie oft gerät man als Journalist in derart gefährliche Situationen, wie sie in »Das Lied der toten Mädchen« geschildert werden?
Linus Geschke:
Eigentlich noch nie. Ich mache auch Reisen, ich glaube, die einzige Reise, auf der ich mich mal unwohl gefühlt habe, das war eine Nacht in Honduras, San Pedro Sula, das war damals die Stadt mit der zweithöchsten Mordquote, wo die uns dann geraten haben, nach vier Uhr nicht mehr aus dem Hotel zu gehen. Aber ansonsten hält sich die Gefahr im Journalisten-Dasein in überschaubaren Grenzen.
Krimi-Couch.de:
Ist das Schreiben von Kriminalromanen ein netter Zeitvertreib oder soll daraus mal der Hauptberuf werden?
Linus Geschke:
Das ist es. Ich weiß gar nicht, ob es jetzt schon so ist. Im Moment ist es so fifty-fifty mit Romanen und journalistischer Arbeit. Ich würde ungerne das eine aufgeben oder das andere. Definitiv macht das mehr Spaß, das Schreiben, weil, das kennen Sie ja auch, man hat halt keine Vorgaben, man hat keine genau festgelegten Zeichenlängen und keinen Redakteur, der einem dann noch so groß am Text rumdoktert wie das vielleicht im Journalismus der Fall ist.
Krimi-Couch.de:
Wie wichtig sind Dir Lesungen und der damit verbundene Kontakt und Austausch mit den Lesern? Gibt es bei solchen Gelegenheiten auch Anregungen für die nächsten Bücher?
Linus Geschke:
Also ich mache wahnsinnig gerne Lesungen, und ich glaube sogar, bis auf die Abrechnung vom Verlag, ist das der Punkt, der am schönsten ist beim Schreiben: Lesungen. Man hat direkten Kontakt zu den Leuten, was mir unheimlich gut gefällt, und man kann auch mit den Leuten spielen, so ein bisschen mit dem Publikum. Man kriegt, denke ich, wenn man mal darauf achtet, schon ein Gespür was ankommt, was nicht ankommt. Nur ein ganz kleines Beispiel: Aber immer wenn ich neu anfange mit einem Buch Lesungen zu machen, ändere ich später mit der Zeit die Kapitel, weil ich merke, das kommt nicht so gut an und steige auf ein anderes um, was besser ankommt. Also, man kann auch als Autor da was mitnehmen, ja.
Krimi-Couch.de:
Wer als freier Journalist und Autor unterwegs ist, muss sich gut organisieren und einiges an Disziplin aufbringen. Wie funktioniert das – feste Schreibzeiten oder gar Schreibklausuren?
Linus Geschke:
Feste Schreibzeiten. Feste Schreibzeiten, die ich aber sehr locker handhabe. Also ich stehe morgens auf, fange dann immer um dieselbe Uhrzeit an zu schreiben. Der Vormittag läuft meistens ganz gut, dann mache ich nachmittags eine Pause, setze mich am späteren Nachmittag noch mal hin, wenn es dann wieder gut läuft, schreibe ich einen Roman – wenn es nicht so gut läuft, schreibe ich einen kurzen Bericht, weil den kriegt man dann über die Jahre mit der Erfahrung auch hin, ohne dass man den kreativsten Tag erwischt.
Krimi-Couch.de:
Wenn ich es richtig gelesen habe, dann bist Du leidenschaftlicher Taucher. Was ist daran so faszinierend?
Linus Geschke:
Ein Großteil der Erde ist von Wasser bedeckt und dieser Großteil bleibt den meisten Menschen verborgen. Also man guckt aufs Wasser, vielleicht mal ein paar Zentimeter darunter, aber man weiß vielleicht aus dem Fernsehen, dass sich darunter eine komplett andere Welt verbirgt, und Tauchen ist für mich einfach nur das Mittel diese Welt zu erreichen.
Das Interview führte Andreas Kurth im März 2018.
Foto: © Krimi-Couch.de / Literatur-Couch Medien GmbH & Co. KG
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