Marion Todd
Die aus Dundee stammende Schriftstellerin Marion Todd studierte Musik an der Open University in Milton Keynes und arbeitete viele Jahre lang als Klavierlehrerin und Begleitmusikerin. Heute ist sie hauptberuflich Schriftstellerin und lebt im schottischen North East Fife. Marion Todd wurde mit ihrem Debütroman „Die Nummern des Todes“ (2019), dem ersten Band in der Krimireihe um DI Clare Mackay, für den prestigeträchtigen Preis „Bloody Scotland Scottish Crime Debut of the Year“ nominiert.
Nun erscheint mit „Der lauernde Tod“ bei Edition M des Amazon-Verlags der zweite Band der Reihe. Krimi-Couch-Redakteur Thomas Gisbertz sprach mit Marion Todd über ihren Weg zur Schriftstellerin, das Besondere ihres Ermittlerteams und ihren Schreibprozess.
"Ich möchte Polizeibedienstete gerne so zeigen, wie sie sind: als gewöhnliche Menschen, die einen harten Job machen."
Krimi-Couch:
Frau Todd, Sie haben Beiträge und Kurzgeschichten in verschiedenen Zeitungen bzw. Magazinen veröffentlicht, waren aber unter anderem auch als Dozentin, Kerzenmacherin und Pianistin in einer Hotellounge tätig. Ein ungewöhnlicher Weg. Wie ist es letztendlich dazu gekommen, dass Sie nun als Schriftstellerin arbeiten?
Marion Todd:
Es stimmt, ich habe wohl tatsächlich einen recht abwechslungsreichen Werdegang hinter mir. Ich bin gerne kreativ, deshalb habe ich mich u.a. als Kerzenmacherin und Pflanzenzüchterin versucht. Aber meine erste Liebe ist schon immer das Schreiben gewesen. Vor 6 Jahren bot sich mir die Gelegenheit, mich aus meinem Job als Lektorin in die Frührente zu verabschieden. Da wollte ich herausfinden, ob es mir selbst gelingt, einen Krimi zu schreiben. Ich habe den Prozess sehr genossen, auch wenn ich einsehen musste, dass es für eine Veröffentlichung nicht reichen würde. Aber es gab in dem Buch eine Nebenfigur namens Clare Mackay, die mir sehr ans Herz wuchs. Also fing ich einen weiteren Roman mit ihr als Protagonistin an. Daraus wurde Die Nummern des Todes – der Grundstein für die Reihe.
Krimi-Couch:
Sie haben mit verschiedenen literarischen Genres experimentiert und sich erst in jüngerer Zeit der Kriminalliteratur zugewandt. Was gefällt Ihnen an diesem Genre so besonders?
Marion Todd:
Ich bin mit den Agatha-Christie-Romanen meiner Tante aufgewachsen und von Haus aus großer Rätselfan. Darum habe ich darauf gebrannt, herauszufinden, ob ich ein solches Buch schreiben und die Leserschaft auch bis zu den letzten Seiten im Dunkeln tappen lassen kann. Das Konstruieren des Rätsels hat mir sehr gelegen und ist nach wie vor mein Lieblingsaspekt beim Schreiben. Sobald ich ein Buch beende, heckt mein Hirn bereits Ideen fürs nächste aus.
Krimi-Couch:
In Deutschland erscheint aktuell mit „Der lauernde Tod“ der zweite Band Ihrer Clare-Mackay-Reihe. Die Serie spielt in der schottischen Küstenstadt St. Andrews, ganz in der Nähe Ihres Wohnorts North East Fife. Wie kam Ihnen die Idee zur Reihe?
Marion Todd:
Ich mag Colin Dexters „Inspector Morse“-Romane und die darauf basierende Serie. Die wurde in Oxford gedreht, was ja eine wunderschöne Universitätsstadt ist. St. Andrews ist deutlich kleiner, aber vom Charakter her ähnlich, ebenfalls ein Studentenstädtchen. Außerdem ist sie ein Touristenmagnet und hat einen der berühmtesten Golfplätze der Welt zu bieten: „The Old Course“. Die kulturell vielfältige Anwohnerschaft sowie die geschichtsträchtige Architektur schienen mir einiges an Potenzial für eine Krimireihe zu bieten. So wurde die „Detective Clare Mackay“-Serie geboren.
Krimi-Couch:
Die besondere Stärke Ihrer Kriminalreihe ist die genaue Darstellung der Ermittlungsarbeit. Knallharte, exzentrische Ermittlertypen und wilde Verfolgungsjagden sucht man dagegen in Ihren Romanen nahezu vergebens. Bei Ihnen steht die Teamarbeit im Vordergrund. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Marion Todd:
Ich möchte Polizeibedienstete gerne so zeigen, wie sie sind: als gewöhnliche Menschen, die einen harten Job machen. Im Laufe der Jahre habe ich viele Polizisten kennengelernt und wollte vermeiden, in – meines Erachtens – klischeebehaftete Darstellungen abzurutschen. Auch wurde mir klar, dass eine Verbrechen im Alleingang lösende Polizistin unrealistisch ist. Deshalb war es mir wichtig, Clare von Anfang an als Teil eines Teams zu zeigen. Ein Figurenensemble ermöglicht zudem, hin und wieder die Perspektive zu wechseln und andere Charaktere in den Fokus zu rücken. So ist Clare nicht immer die einzige, die sich privat und auf der Arbeit mit Konflikten und Problemen herumschlagen muss.
Krimi-Couch:
Sie haben in Großbritannien seit 2019 bereits sechs Bände der Reihe veröffentlicht. Ein beachtliches Tempo. Wie sieht bei Ihnen der Schreibprozess von der Idee bis zum fertigen Roman aus?
Marion Todd:
Zugegebenermaßen werde ich langsamer. Mittlerweile schreibe ich alle 9 statt alle 6 Monate ein Buch – das lässt sich besser managen. Ich bin Planerin und fange erst mit dem Schreiben an, wenn ich mir über die wichtigsten Handlungspunkte im Klaren bin. Ich nutze PowerPoint-Folien, eine pro Szene. So kann ich sie beliebig anordnen, um die Sequenzen richtig zu sortieren, bis ich so sicher wie nur möglich bin, dass der Plot in logischer Abfolge verläuft. Das kann Wochen dauern. Trotzdem verändert sich manchmal noch etwas während des Schreibens: Neue Ideen tauchen auf, manche Elemente funktionieren nicht wie geplant – da bleibe ich durchaus flexibel. Aber dieses Grundgerüst verhindert zumindest, dass ich ständig darüber nachgrüble, in welche Richtung der Roman gehen soll. Wenn das Fundament steht, schreibe ich ganz flott runter, das dauert dann in etwa noch einmal 3-4 Monate pro Buch. Anschließend gehe ich es noch ein paarmal durch, bevor ich an meine Lektorin übergebe, die Anmerkungen macht und Kürzungen vornimmt. Was ich persönlich extrem hilfreich finde, um holprige Dialoge und Formulierungen aufzuspüren, ist, den Text laut vorzulesen. Bis zur Veröffentlichung habe ich ein Buch bestimmt zehnmal durchgeackert. Es ist insgesamt also ein sehr intensiver Prozess.
Das Interview führte Thomas Gisbertz im Januar 2023.
Übersetzung: Yannic Niehr
Foto: © Marion Todd
Neue Kommentare