Psycho
Legacy Collection
Krimi-Couch Spezial von Marcel Scharrenbroich
AUSGEBUCHT!
„Fan-Herz, was willst du mehr?“ dürfte sich wohl jeder Film-Freund gedacht haben, als die ersten Details zur ultimativen „Psycho“-Veröffentlichung für den deutschsprachigen Markt durchgesickert sind. Die Glücklichen, die die Box bereits ihr Eigen nennen, dürfte es ähnlich wie mich mal kurzzeitig vom Stühlchen geschleudert haben, denn DAS, was die massive Kiste beinhaltet, sprengt wirklich jeden Rahmen.
Allein das stimmige Motiv auf der beinahe zwei Kilo schweren Kollektion macht sofort wieder Lust auf einen spontanen Motel-Abstecher. Für das Artwork zeichnet sich der Künstler Jean-Baptiste Chuat verantwortlich… ein großes Lob an dieser Stelle! Nach dem Öffnen des hochwertigen Kartons springt zuallererst ein individuell nummeriertes Zertifikat ins Auge, welches besagt, dass diese Edition auf 3.636 Einheiten limitiert ist und NICHT mehr neu aufgelegt wird, sollten alle Exemplare vergriffen sein. Auch der Rückseite ist ein Retro-Postkarten-Motiv mit der schön verschnörkelten Aufschrift „When in California… visit Bates Motel“ abgedruckt. Sehr einladend… ich konnte mich gerade noch zügeln, ein Zimmerchen in dem Schuppen zu reservieren.
Weiter geht es mit einem gebundenen Hardcover-Buch im DIN A4-Format. In dunklem Braun gehalten und mit der Aufschrift „Hotel Register“ versehen, ähnelt es dem Schmöker am Motel-Empfang, in dem sich Normans Opf… äh, ich meine GÄSTE… in dem sich Normans GÄSTE eingetragen haben. Anders als im Film, finden sich hier aber nicht die Daten von Miss Crane - beziehungsweise Miss „Samuels“, wie sich die gesuchte Marion beim Check-in nennt – oder den anderen Kurzzeit-Gästen, sondern akribisch recherchierte Fakten, Fakten, Fakten. Auf 120 Seiten hat Autor Tobias Hohmann alles zusammengetragen, was man über die gesamte „Psycho“-Reihe wissen muss. Hier erfährt der Leser, wer für den außergewöhnlichen Titelvorspann verantwortlich war und zudem die detailreichen Storyboards zur berühmtesten Dusch-Szene der Filmgeschichte beisteuerte, bekommt Einblicke in die Entstehung eben jener Sequenz, es wird berichtet, welche Auswirkungen Hitchcocks Meisterwerk auf das gesamte Genre hatte und mit welchen Marketing-Strategien man damals an den Start ging. Im Gegensatz zu diversen Mediabooks, deren „Buchteil“ meist nur aus irgendwelchen ganzseitigen Szenenbildern besteht, bekommt man hier, im großformatigen Begleitbuch, WIRKLICH was zu lesen… und das nicht zu knapp. Damit das Ganze aber nicht zu textlastig wird, finden sich auch haufenweise Bilder in Hohmanns Lektüre. Gestochen scharfe Promo-Shots, seltene Hinter-den-Kulissen-Bilder, Aushangfotos und Kinoplakate… in diesem „Psycho“-Kompendium findet der geneigte Fan ALLES.
Gräbt man noch etwas tiefer in der Box, stößt man auf sechs schwarz-weiß-Artcards. Auf einem der 21 x 14,8 cm großen Karten ist zum Beispiel Alfred Hitchcock mit einer „Psycho“-Filmklappe abgebildet, auf einem anderen blickt er den Betrachter direkt über die Schulter an, während er auf dem Stuhl von „Mrs. Bates“ thront. Natürlich darf auch eine atmosphärische Aufnahme des Anwesens nicht fehlen und das panische Gesicht von Marion Crane, die unter der Dusche (vergeblich) um ihr Leben schreit, ist TURBINE ebenfalls ein Motiv wert.
Neben vier gefalteten Filmplakaten (DIN A2) zur gesamten Perkins-Reihe und einem schwarz-weiß-Poster (DIN A1), das Mr. Bates unter den bedrohliche wirkenden Schwingen einer von ihm ausgestopften Eule präsentiert, liegen noch drei weitere Goodies bei, die man zwar nicht zwingend haben MUSS, aber durchaus nette und kreative Gimmicks darstellen.
Zum einen wäre da der Brief, den Sam im von ihm geführten „Sam Loomis Hardware“-Laden an seine geliebte Marion schreibt, welcher originalgetreu reproduziert wurde und zudem in einer deutschen Übersetzung enthalten ist.
Dann haben wir noch einen Block mit 25 „Bates Motel“-Briefbögen, inklusive idyllischer Zeichnung der Unterbringung und Slogan im Briefkopf und der genauen Adresse – samt Telefonnummer – in der Fußzeile. Wenn Sie also mal Ihre Liebsten mit einem netten Brief aus den Ferien schocken wollen…
Abgerundet werden die Beilagen dann von einem „Please do not disturb!“-Türhänger. Wendet man diesen, kann es sein, dass Ihr netter Motel-Betreiber Ihnen eine kleine Notiz hinterlassen hat, sollte am Empfang etwas für Sie abgegeben worden sein. Unten steht dann noch der freundliche Hinweis „If you need assistance please ask for Norman.“ …süß.
Hat man sich nun durch diesen Bonus-Berg gekämpft, fällt endlich der Blick auf das Herzstück der „PSYCHO: Legacy Collection - Deluxe Edition“. Dieses besteht aus zwei Digipacks, untergebracht in zwei unterschiedlich gestalteten Schubern. Diese wurden in einen haargenau passenden Schaumstoffrahmen versenkt, damit hier auch nichts wackelt oder aneckt. Hervorragend und bombensicher gelöst, was übrigens auch für die Beilagen gilt. Hier rappelt und klappert NICHTS im Karton. Ein Digipack ist mit der Aufschrift „Die Filme“, das andere mit „Das Vermächtnis“ versehen. Jedes dieser Schätzchen umfasst vier randvolle Blu-ray-Discs, die jeweils mit Schlüsseln bedruckt sind. Entfernt man diese aus der Halterung, bleibt im Digipack ein leerer Haken auf einem Schlüsselbrett zurück. Ich bin hin und weg, an was hier alles gedacht wurde…
In der „Filme“-Box sind selbstverständlich die vier „Psycho“-Streifen mit Anthony Perkins enthalten, wovon das Hauptaugenmerk ohne Frage auf dem Hitchcock-Original liegt. Aber nicht nur, weil dieses wohl das größte Kauf-Argument darstellt, sondern weil sich hier das eigentliche Highlight befindet… „Psycho“ liegt in dieser Edition nämlich erstmals UNZENSIERT vor. Somit ist der Klassiker nun endlich in seiner vom Regisseur gewünschten Fassung verfügbar, die so bisher nirgendwo erhältlich war. Alle bisherigen Veröffentlichungen orientierten sich an der amerikanischen Schnittfassung, die damals bei der zuständigen US-Prüfstelle ein paar Federn lassen musste. Alle Fehlstellen wurden aufwendig restauriert und wieder in den Film integriert. Generell ist das Bild von „Psycho“ phänomenal geworden und strahlt in feinstem HD. Zum ungekürzten Hauptfilm gesellen sich noch mal 196 Minuten an Bonusmaterial. Ein spielfilmlanges „Making of“, Interviews, der Werbefilm zum Kinostart, Fotogalerien, Storyboards, vollständig untertitelte Audiokommentare, und, und, und… So geht es auch bei den Fortsetzungen weiter. Hier finden sich ebenfalls Interviews mit Cast & Crew, Audiokommentare von Drehbuchautoren, Regisseuren und Darstellern, Aufnahmen der Musik und ein Feature, das zeigt, wie man Mami zusammengeklöppelt hat.
Befindet sich auf den Film-Discs schon stundenlanges Zusatzmaterial, springt beim Blick in die „Vermächtnis“-Box selbst der irrste Irre aus der Zwangsjacke. In dieser ist erneut die unzensierte Fassung von Hitchcocks „Psycho“ untergebracht, diesmal allerdings in der eingedeutschten Version, sprich mit deutschen Texteinblendungen… beispielsweise beim Briefverkehr. Über das Remake von Gus Van Sant hatte ich mich ja schon ausgelassen. Es sei aber nochmal erwähnt, dass sich dieses unnötige Experiment ebenfalls im „Vermächtnis“ befindet. Auch der TV-Film „Bates Motel“ (1987) ist dort untergebracht, jedoch kaum der Rede wert und wohl nur für Komplettisten sehenswert. Der Pilotfilm einer nie realisierten TV-Serie liegt auch nur im SD-Format vor und befindet sich im damals gängigen 4:3-Format auf der blauen Scheibe.
So richtig ans Eingemachte geht es dann noch mal mit den beiden spielfilmlangen Dokumentationen „Psycho Legacy“ von 2010 und dem 2017 produzierten „78/52“ (wir erinnern uns: 78 Kameraeinstellungen, 52 Schnitte), die sich hauptsächlich mit der Inszenierung der Dusch-Szene auseinandersetzt und diese bis ins kleinste Detail seziert. Allein „Psycho Legacy“ verfügt über 322 zusätzliche Minuten und „78/52“ kommt immerhin auch noch auf amtliche 144 Minuten an Bonus. Nach dem Genuss dieser Dokumentationen sollten eigentlich ALLE Fragen restlos beantwortet sein, denn so gut wie jeder, der in die Produktion der Film-Reihe involviert war, kommt hier zu Wort. Auch Außenstehende, Insider und diverse Film-Experten plaudern aus dem Nähkästchen und als besonderes Highlight ist sogar ein Q&A-Panel mit Anthony Hopkins vom „Fangoria’s Weekend of Horror 1988“ auf der Disc verewigt.
So kommen wir insgesamt auf über 15(!) Stunden an reinem „Psycho“-Bonusmaterial, die (komplett deutsch untertitelt) erstmal verdaut werden müssen…
Fazit:
Mehr „Psycho“ geht beim besten Willen nicht! Eine vorbildliche Edition, die mir in diesem Umfang noch nicht untergekommen ist und sich nicht nur dem unumstößlichen Klassiker im Thriller-Genre widmet - und diesem damit absolut gerecht wird -, sondern auch dessen Fortsetzungen die nötige Beachtung schenkt. Nicht nur lieblos hinzugepackt, sodass man das Ding „komplett“ nennen kann. Nein, auch die Qualität ist vortrefflich und es wird jedem einzelnen Film genügend Platz eingeräumt. Dieser ist auch wohlverdient, da jeder Ableger dem „Ganzen“ ein weiteres Puzzleteil hinzufügt und sich dem Stoff auf seine eigene Art und Weise nähert. Hochwertige Goodies und tonnenweise Bonusmaterial sorgen dafür, dass man sich tagelang mit Norman Bates und „Psycho“ beschäftigen kann. Ich habe mehr als eine Woche für die gesamte Sichtung gebraucht und bin nach einigen Tagen Abstand immer noch im Tunnel. Ein schickes Sonntagskleid habe ich mir bereits gekauft und nun wächst in mir das dringende Bedürfnis… meine Mutter anzurufen.
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Cover und Fotos: © TURBINE Medien
Foto "Alfred Hitchcock": © istock.com/PictureLake
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