TV-Serie:
Private Eyes
Serien-Spezial von Jochen König (03.2019) / Titel-Motiv: © edel:motion/Glücksstern
They're watching you
Als kleine Ergänzung zum Thema Hardboiled, ein Blick in die Serienlandschaft, in der Privatdetektiv Thomas Magnum gerade eine umstrittene Modernisierung erlebt, Jessica Jones die äußerst schlagkräftige Ermittlerin im Marvel-Universum gibt (dazu später mehr), in dem auch der Punisher derbe aufräumt. Gleichzeitig wird in Kanada ein zartes Pflänzchen gehegt, das vor allem popkulturell kenntnisreich in der Historie der „Rockford Files“, von „Simon & Simon“, „Magnum P.I“ oder etwas moderner „Castle“ steht. Mord und Totschlag sind auf ein Minimum reduziert, stattdessen gibt es Teamwork (der sehr reif gewordene „Brandon Walsh“ Jason Priestley und die autarke Cindy Sampson harmonieren prächtig), Familienbusiness, clevere Dialoge, und eine gehörige Portion Witz zu bestaunen.
Angie & The Shadow – ein fast perfektes Paar
Es brauchte zum Serienstart 2016 zwei Folgen bis die Chemie zwischen Angie Everett, der toughen Privatermittlerin und Matt Shade, dem ehemaligen, etwas mickrig geratenen, Eishockeyprofi, der erst als Angies Angestellter, später als Partner anheuert, stimmte. Das war so erfolgreich, dass bereits Mitte der ersten Staffel, die von 10 auf 18 Folgen erweiterte Fortsetzung abgesegnet wurde. Die nahezu nahtlos anschließt.
Das Duo ist eingespielt, die Gags sitzen, es werden aber nicht auf Teufel komm raus Kalauer produziert, die Serie nimmt ihre Figuren auf bodenständige Weise ernst, Komik entsteht meist aus treffenden Dialogen, kleinen Gesten, Blicken und missinterpretierten Situationen. Gelegentlich aufkeimendes Pathos – gerade im Verhältnis von Matt Shade zu seiner blinden Tochter Jules – wird umgehend karikiert und mit Augenmaß zurechtgestutzt. Das ist überhaupt ein Markenzeichen der Serie: Sie ist auf erfrischende Weise unaufdringlich. Maßlosigkeit ist keine Sünde, der sich „Private Eyes“ schuldig macht, stattdessen gehen Lässigkeit und Eleganz eine lockere Verbindung ein.
Toronto is the place where….
Obwohl das Fernsehmaß selten gesprengt wird, besitzen die „Private Eyes“ Stil. Man beginnt sogar langsam, den gecoverten Melodic Rock-Titelsong zu schätzen. Toronto wird, wie schon in den ersten zehn Folgen, visuell sehr ansprechend in Szene gesetzt. Eine gute Idee der Macher, die Serie – wie sonst oft üblich – nicht nur in Kanada zu drehen, sondern dort auch spielen zu lassen. So erinnert der Dreh- und Handlungsort zwar an großstädtische amerikanische Vorbilder, wirkt aber gleichzeitig eigenständig und unverbraucht.
Gewalt ist keine Lösung
Gleich zu Beginn dreht sich das Liebeskarussell, der gemeinsame Erholungsurlaub von Everett und ihrem Freund, Detective Nolan, scheint die Trennung eingeleitet zu haben. So sind Angie und Matt zumindest anfänglich solo, eine gewisse Anziehungskraft zwischen den beiden Protagonisten schwebt über der gesamten Serie, legt sich aber nicht belastend darauf, wie es stellenweise etwa bei „Castle“ der Fall war. Stattdessen wählt man einen realistischeren Weg: Während Angie Everett, trotz nachweislicher Bindungsangst, situatives Gespür und familiäre Anhänglichkeit entwickelt, bleibt der zwischenmenschlich leicht tumbe Matt Shade scheinbar unbedarft. Das bleibt angenehm unaufgeregt und sorgt für eine Mischung aus leisem Vergnügen und milder Spannung.
Was für das gesamte Serienkonstrukt gilt. Es dauert bis zur zwölften Folge, ehe ein Mord geschieht. Dann passiert es zwar gleich zweimal hintereinander, um anschließend wieder das Augenmerk auf die bedrohliche, aber nicht unbedingt tödliche Alltagskriminalität zu werfen. Thematisiert werden unter anderem Stalking (mehrfach), Korruption im Sport, inklusive einer schmerzhaften Konfrontation Shades mit seiner Vergangenheit, die Schrecken der Nachbarschaft, mit einer Drohne als Fenster zum Hof, Cyber-Mobbing, die Auswirkungen des organisierten Verbrechens sowie Versuche einer gewaltsamen Gentrifizierung. Die Folge „Alt heißt noch lange nicht tot!“ (anspielungsreich im Original: „Boardwalk Empire“) beschert nicht nur Shades Vater Don eine neue Perspektive bezüglich Arbeit und Liebe, sondern der Detektei auch Zuwachs in Gestalt des leicht manisch-chaotischen Beobachtungsgenies Zoe Chow, die „Private Eyes“ nicht nur um komödiantische Momente bereichert. Zugleich fällt ein romantisches Scharmützel mit Freund und Helfer Kurtis Mazhari ab. Kulminiert in einer Episode, in der die derzeit beliebten Escape Rooms gekonnt auf die Schippe genommen werden.
Der Charme des Hausgemachten
Horizontales, sprich folgenübergreifendes Erzählen findet wieder nur in den (familiären) Nebenhandlungen statt, die Fälle der Woche sind in sich abgeschlossen. Mehr geben sie auch nicht her, was okay ist, denn seinen Reiz bezieht die Reihe nicht aus ausgefeilten Storylines, sondern aus dem gut aufgelegten, stimmig aufspielenden Ensemble, den amüsanten verbalen Scharmützeln, dem Können, die eher biederen Plots weder überzustrapazieren, noch der Lächerlichkeit preiszugeben. Shades Tochter Jules kommt partiell ein wenig zu kurz, kann aber immer wieder Akzente setzen und wird überzeugend porträtiert von Jordyn Negri.
Schätzenswert auch, dass die Figuren Einsehen in ihr Verhalten zeigen, ihre Limitationen anerkennen und gerade Everett und Shade auch schon mal irren. Selbst bei nicht gerade übermäßig komplizierten Verstrickungen. „Private Eyes“ spielt mit Stereotypen, um sie beizeiten linde aufzubrechen. Da kann eine Folge konsequent damit enden, dass man anerkennt, juristisch keine Chance gegen einen Mogul zu haben, und ein finsterer Rachefeldzug der freundlichen Grundhaltung per se zuwider spricht. Also wird an das Gute im Menschen appelliert. Mit positiven Auswirkungen. Eine freundliche Illusion, die im seriellen Kontext stimmig erscheint. Der Punisher ist weit weg, wandelnde Tote sowie mörderische Sippen ebenfalls, und Toronto ist nicht Banshee. Hier herrscht der Geist Jim Rockfords und das Flair des Original-P.I. Magnum.
Mit Captain Kirk zur Modenschau in Eureka
Feine Boni sind die Gastauftritte William Shatners als windigem Privatdetektiv, der im entscheidenden Moment das Herz natürlich am rechten Fleck hat, des Octopusses Leroy in der durchgeknallten Folge „Auf der Suche nach Leroy“ („Finding Leroy“!) und des Modeschöpfers Stephen Caras im sehenswerten Catwalk-Krimi „Modeverbrechen“ (kongenialerer Originaltitel: „Crimes Of Fashion“). Cindy Sampson lässt – bei einer realen Modenschau – sämtliche „Next Topmodels“ blass aussehen.
In der letzten Folge schaut Ex-„Eureka“-Sheriff Colin Ferguson vorbei, seine schauerliche neue Synchronstimme verkündet bereits, dass er Übles im Schilde führt. Dem Zuschauer schwant schon mit dem ersten Auftritt der neuen Klientin, in einem Fall von Mobbing und Datenklau, dass jemand falschspielt. Unsere beiden Detektive lassen sich arg simpel vorführen, damit die Staffel mit einer offenen Folge und einem Cliffhanger hängen kann. Fast schon Hochspannung im Hause Everett.
Es geht weiter – vorerst und gut so
Staffel Drei dürfte also gesichert sein und ist bereits abgedreht. Ob es bei bloß zehn Folgen bleiben wird und wie die Zukunft um eine weitere Verlängerung aussieht, bleibt indes ungewiss. Wäre schön, wenn uns die „Private Eyes“ noch ein wenig erhalten bleiben, denn die grundsympathische Serie ist eine lakonische Wohlfühlsause, die einen netten Ausgleich zum weltbedrohlichen, schlachten- und leichenreichen Serienkosmos darstellt, der alleweil sein gebeugtes Haupt aus komplexen Strukturen erhebt.
Cover und Fotos: © edel:motion/Glücksstern
„Private Eyes - Staffel 2“ - DVD-Version:
Laufzeit: 18 x 45 Minuten auf 5 DVDs
Bonus: diverse Featurettes (ca. 36 Min.)
Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Erscheinungstermin: 22.02.2019
FSK Freigabe: 12 Jahre
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