Mitte der fünfziger Jahre suchte der Verlag Pocket Books einen Nachfolger für Earl Stanley Gardner, dessen Serienheld Perry Mason ziemlich in die Jahre gekommen war. McBain, der als Hunter mit "The Blackboard Jungle" ("Saat der Gewalt") Aufmerksamkeit erregt hatte, erhielt einen Vertrag für drei Manuskripte. Er überraschte mit einem neuartigen Konzept: Realismus der Straße statt detektivischer Einzelleistung, authentische Polizisten statt eines Privatschnüfflers - und das im Ensemble. McBain schaut die Geschichten dem prallen Leben ab. Er recherchiert den Polizeialltag, gibt dem Leser mit detailreicher Schilderung den Eindruck des Miterlebens.
Er traf den Geschmack der Zeit: 1956 erschien "Cop Hater" ("Polizisten leben gefährlich") und fand großen Anklang. Zwar ließ bereits Simenon einen Kommissar ermitteln, doch Maigret unterschied sich noch wenig vom Privatermittler alter Prägung. Erst McBain schuf das neue Subgenre: Police Procedural - der Polizeiroman heutiger Prägung.
Fünfzig Folgen um das 87. Revier sind in 45 Jahren entstanden. Die Figuren Carella, Meyer, Kling und Co. wurden legendär. Sie bearbeiten jeweils verschiedene Fälle. McBain wechselt zwischen den Handlungssträngen, montiert sie zum Ganzen. Das Ensemble entspricht seiner Vorstellung von Realismus. Zudem weiß er, dass es sich im Lauf der Jahre weniger abnutzt als ein Einzelkämpfer. Heute erinnert seine Masche an das Strickmuster von TV-Serien. In Wirklichkeit hat das Fernsehen von ihm abgekupfert.
Neben den Isola-Romanen schrieb McBain 13 Krimis um den Anwalt Matthew Hope. Als Evan Hunter verfasste er Psychothriller in anderem Stil, langsamer aufgebaut, nicht weniger packend. Ungerührt beobachtet McBain die brutale Welt. Ihm entschlüpft kein moralisierender Kommentar. Seine Sprache ist lakonisch und präzise, nie geschwätzig. Als die Autorin, die ihn am wenigsten beeinflusste, nennt McBain Agatha Christie. Sein Polizeiuniversum ist tatsächlich ein Gegenentwurf zum Tüftelkrimi britischer Prägung.
Bis heute ist McBains Ton frei von Resignation. Er liebt seine Helden, die seit 1956 nicht gealtert sind. Dass es angesichts realer Gewaltexzesse und Korruptionsskandale heikel ist, mit Sympathie über Ordnungshüter zu schreiben, weiß McBain. Dass er es distanzlos tut, ist vielleicht seine Schwäche. Längst stellen jüngere Autoren den Dirty Cop ins Rampenlicht und thematisieren den Polizeiapparat in einer Art, die McBain konservativ erscheinen lässt - ein Dinosaurier der Kriminalliteratur.
Er denkt nicht daran, seine Helden in Pension zu schicken. In "Candyland" (noch nicht auf deutsch erschienen) tun sich seine Egos gar zusammen: Hunter schickt einen sexsüchtigen Architekten nach New York, wo er unter Mordverdacht gerät. McBain beschreibt die Ermittlungen. Hunter/McBain blickt auf ein Werk von über hundert Romanen zurück, verkauft in mehr als 100 Millionen Exemplaren - ein Dinosaurier im besten Sinn. Und der Mann, der Salavatore Lombino hieß, hat noch viele spannende Geschichten auf Lager.
Ed McBain starb am 06.07.2005 an Krebs.
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