Weil ich euch liebte

  • Droemer Knaur
  • Erschienen: Januar 2012
  • 21
  • New York: Bantam, 2011, Titel: 'The accident', Originalsprache
  • München: Droemer Knaur, 2012, Seiten: 480, Übersetzt: Silvia Visintini
Weil ich euch liebte
Weil ich euch liebte
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Andreas Kurth
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2011

Plagiate, Killer und die Hausfrau von nebenan

Eigentlich ist Glen Garber durchaus zufrieden. Hier und da gibt es wegen der Wirtschaftsflaute Stress mit seiner Baufirma, aber privat ist alles im Lot. Glaubt er jedenfalls. Bis er sich eines Abends Sorgen macht, weil seine Frau Sheila von einem Buchhaltungskurs nicht wie gewohnt pünktlich zurück nach Hause kommt. Er fährt los um sie zu suchen, und dann trifft ihn der Keulenschlag. Sie hat einen Unfall verursacht, ist tot, und zwei weitere Menschen wurden getötet. Sheila soll volltrunken gewesen sein. Für Glen bricht die Welt zusammen. Obwohl der Schock noch anhält, beginnt er Fragen zu stellen. Eine Freundin seiner Frau stirbt unter ungeklärten Umständen, eine andere will einen Umschlag mit viel Geld zurück haben. Glen fühlt sich wie in einem falschen Film. Aber es bedarf noch weiterer Vorfälle und Ungereimtheiten, bis der Durchschnittsbürger aus einer ganz normalen amerikanischen Stadt scheibchenweise die Wahrheit herausfindet.

Linwood Barclay ist ein brillanter Erzähler, das macht der Autor auch mit seinem neuen Roman wieder deutlich. Seine Helden sind amerikanische Nobodys, die scheinbar unverschuldet in große Nöte geraten – die sogar tödlich enden können. Wirklich unschuldig sind die meisten Protagonisten der Geschichte allerdings nicht, dafür jedoch grenzenlos naiv. Der Autor baut in diesem Buch ganz unterschwellig Spannung auf, die anfangs nur scheibchenweise gesteigert wird. Der geheimnisvolle  Unfall von Glens Ehefrau ist ein gelungener Einstieg, aber es dauert dann einige Zeit, bis Glen starke Zweifel an der Schilderung des Hergangs bekommt. Vor allem der zweite Todesfall wirft viele neue Fragen auf und bringt mehr Dynamik in die Handlung.

Aber auch schon vorher gelingt es Linwood Barclay ganz ausgezeichnet, die Leser mit einer Geschichte über das Leben höchst durchschnittlicher Menschen zu fesseln und zu faszinieren. Stück für Stück findet Glen heraus, dass sich Freunde, Bekannte und Kollegen auf zweifelhafte Geschäfte eingelassen haben. Die Rolle seiner Frau in dieser undurchsichtigen Gemengelage bleibt bis fast zum Schluss unklar – wird aber von Glen ständig hinterfragt. Es geht um gefälschte Markentaschen, Medikamente und vieles mehr. Protagonist und Leser müssen Personen und Fakten sorgfältig im Geiste sortieren, zumal sich durch jede neue Antwort, die Glen findet, abermals weitere Fragen ergeben.

Linwood Barclay hat die Lösung seiner Rätsel wie Zwiebelschalen hintereinander geschichtet, und nach dem eher dahin plätschernden ersten Drittel des Buches gibt der Autor dann richtig Gas. Mehrfach glaubt man eine – oder die – Lösung vor Augen zu haben, nur um erneut mit einem Rätsel oder ungeklärten Vorgängen konfrontiert zu werden. Der angenehme und kurzweilige Schreibstil des Autors sorgt dabei dafür, dass die fesselnde Handlung förmlich am Auge des Lesers vorbei fliegt.

Im letzten Drittel des Buches wird es dann so spannend, dass man das Buch kaum noch aus der Hand legen möchte. Es sind noch etliche Seiten zu lesen, und dennoch ist man sich sicher, dass bald die Auflösung kommen muss, weil es eigentlich nicht mehr verzwickter werden kann – weit gefehlt. Als immer deutlicher wird, dass sich die gutgläubigen, naiven oder geldgierigen Jedermanns auf Kontakte mit dem organisierten Verbrechen eingelassen haben, schwirrt Glen im Wortsinne der Kopf. Dabei ist er ein höchst ungewöhnlicher Protagonist, den im Grunde nur die Sehnsucht nach Antworten im Zusammenhang mit dem rätselhaften Tod seiner Frau antreibt. Es ist wirklich angenehm, mal einen "Helden" zu haben, der kein knallharter Ermittler ist, sondern einfach ein Kumpel von nebenan, der sich wie ein Terrier in die Suche nach der Wahrheit verbeißt. Glen stellt die richtigen Fragen, ist zufällig zur rechten Zeit am rechten Ort, und er zieht auch Schlüsse wie ein Kriminalist. Sehr unkonventionell, sympathisch, einfach gekonnt. Er bekommt natürlich Unterstützung von der Polizei, aber die Profis spielen in diesem Roman im Grunde nur eine untergeordnete Rolle.

Der gesellschaftskritische Hintergrund der ganzen Geschichte rundet den Lesegenuss wirklich ab. Die gleichgültige Haltung der Durchschnittsamerikaner zu Hehlerware und Fälschungen wirft zahlreiche Fragen auf. Naivität, Skrupellosigkeit, Dummheit, Gier – oder alles zusammen? Gefälschte Handtaschen, Medikamente, elektronische Bauteile. Alle diese Dinge spielen eine Rolle in dem grandiosen Verwirrspiel um Verdächtigungen, Eifersucht, Neid, Kauf- und Alkoholsucht und vieles mehr. Wahrscheinlich muss man diesen nahezu perfekt erzählten Roman zweimal lesen, um jede Nuance genießen und vollständig verstehen zu können. Und danach freut man sich schon auf die Verfilmung.

Weil ich euch liebte

Linwood Barclay, Droemer Knaur

Weil ich euch liebte

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