Tod auf Bewährung

  • Liebeskind
  • Erschienen: Januar 2011
  • 2
  • Paris: Gallimard, 1984, Titel: 'La Der des ders', Seiten: 215, Originalsprache
  • München: Liebeskind, 2011, Seiten: 288, Übersetzt: Stefan Linster
Tod auf Bewährung
Tod auf Bewährung
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Jochen König
88°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2011

La Grande Désillusion

Gut zwei Jahre nach dem ersten Weltkrieg führt Renè Griffon eine mäßig erfolgreiche Ein-Mann-Detektei - wenn man von der tatkräftigen Unterstützung seiner Freundin und Sekretärin Iréne absieht. Die Spezialität des ehemaligen Kriegsteilnehmers René sind die "unbekannten Soldaten" und ihre Angehörigen. Menschen, deren Identität, Gedächtnis, Körper und Seele der Krieg zerstört hat. Das ist immerhin so einträglich, dass er sich einen luxuriösen Packard leisten kann. Ein Umstand, der ihn in große Bredouille bringen wird.

In einer geschäftlichen Flaute kommt ihm das Angebot des hochdekorierten Colonels Fantin De Larsaudiére ganz recht, einen Erpresser ausfindig zu machen, der die Untreue der Gemahlin des Offiziers öffentlich machen will. Doch anstatt eines einfachen Jobs mit leicht verdientem Geld, findet sich Griffon auf einem ganz anderen Schlachtfeld wieder, inmitten eines politischen und zwischenmenschlichen Scharmützels, das es mit seinen düsteren Kriegserinnerungen locker aufnehmen kann.

Tod auf Bewährung ist zunächst einmal ein klassischer hardboiled Krimi. Ein standhafter Detektiv wird in einen Fall verwickelt, der ihm über den Kopf wächst und bleibt doch daran kleben. Auf der Suche nach den tatsächlichen Hintergründen, egal, ob sein Leben dabei in Gefahr gerät. Geplagt von Kriegserinnerungen, ist seine Motivation ebenso nachvollziehbar wie sein Entsetzen über den menschenunwürdigen Umgang mit der Generation der Kriegsheimkehrer.

Verlogene Würdenträger, der Beginn einer Medienkultur, die sich auf Seiten der Kriegsgewinnler schlägt, und die es mit gründlicher Recherche und Wahrheitspflicht nicht so genau nimmt. Daeninckx überpointiert nicht, er lässt all dies sowie viele kleine Alltagsbeobachtungen dezent einfließen, erschafft so ein stimmiges Zeitbild, das sich aber nicht durch streberhafte Assimilation und akribische Faktenanhäufung anbiedert. So weist der Roman weit über sein gewähltes Zeitfenster hinaus; ist gleichzeitig spannender Krimi, garniert mit hintergründigem, beißendem Humor, und bittere Bestandsaufnahme einer politischen Realität, die das Interesse der Reichen und Mächtigen vertritt, während sich die Geschundenen und Missbrauchten in Grabenkämpfen aufreiben und zudem noch instrumentalisiert werden.

Spätestens an diesem Punkt hat Tod auf Bewährung die Bahnen des Detektiv-Romans amerikanischer Prägung verlassen. Denn während dort noch ein Hoffnungsschimmer besteht, dass das aufrechte Individuum den politischen- und historischen Geschicken kleine Siege abringen kann, wartet auf Renè Griffon und seine Iréne die große Desillusion. Sie werden den Fall klären und herausfinden, was genau geschehen ist. Doch dieses Wissen nutzt ihnen nichts, denn der Preis der dafür verlangt wird, ist viel zu hoch, um ihn bezahlen zu können.

Der 1984 entstandene Roman ist seit seiner Entstehung nicht gealtert; Daeninckx gelingt das Kunststück, simultan Geschichte unter die Lupe zu nehmen und zeitlos zu bleiben. Denn der Kampf um Integrität, Mitleid und Menschenwürde, um politisches Mitspracherecht und eine Geschichtsschreibung, die nicht von verlogenen und egoistischen Klitterern geschrieben wird, hat leider kein absehbares Ablaufdatum.

Tod auf Bewährung kommt ohne moralinsaure Zurechtweisungen aus. Zeitgeschehen, Politik und der Kampf um individuelle Redlichkeit werden zu harter Genreliteratur verquickt, um dabei so folgerichtig wie konsequent einem bitterbösen Ende entgegen zu streben.

Tod auf Bewährung

Didier Daeninckx, Liebeskind

Tod auf Bewährung

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