Blutengel

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2011
  • 5
  • München: Goldmann, 2011, Seiten: 384, Originalsprache
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Andreas Kurth
93°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2011

Tödliche Kunst eines irren Killers

In Berlin wird die 35-jährige Rechtsanwältin Tanja Binkel an einem Fuß an der Decke hängend tot aufgefunden. Der Hamburger Kommissar Mangold und seine unkonventionell zusammen gesetzte Sonderkommission, zu der auch die Profilerin Kaja Winterstein gehört, werden mit den Ermittlungen betraut. In den Oberschenkel der Toten wurde ein lateinischer Spruch eingeritzt: "Semper aliquid haeret" – "Es bleibt immer etwas hängen." Als in einem kleinen Küstendorf an der Ostsee eine weitere Leiche – ebenfalls mit einem eingeritzten Satz – gefunden wird, ist klar, dass es sich um einen Serienmörder handeln muss. Die Polizei wird von einem Tatort zum nächsten gehetzt, es gibt weitere Opfer in Berlin, München und Florenz. Der Killer zwingt den Ermittlern sein perverses Hase-und-Igel-Spiel auf – in der Soko macht sich Ratlosigkeit breit.

Auch in seinem zweiten Roman um die Sonderkommission mit den skurrilen Ermittlern hat Michael Koglin eine Geschichte vorgelegt, die den Lesern förmlich den Atem nimmt. Geradezu atemlos werden die Protagonisten gemeinsam mit den Lesern durch den Kriminalfall gehetzt. Ein derartiges Tempo erinnert stark an die rasanten Romane von Simon Kernick, dabei setzt Koglin weniger auf Action – seine Ermittler ballern und prügeln nicht in der Gegend herum. Dafür gibt der Killer das enorme Tempo vor. Die Floskel "er ist der Polizei immer einen Schritt voraus" trifft hier wirklich zu. Bevor die Ermittler auch nur den Hauch einer Ahnung haben, was als Motiv hinter der Mord-Serie steckt, stehen sie auch schon vor weiteren Leichen. Der Autor verzichtet völlig auf Nebengeschichten oder irgendwelches Liebes-Geplänkel in der Sonderkommission. Stattdessen werden die absolut verschiedenen Typen in der Soko hervorragend charakterisiert – sozusagen im Vorbeigehen.

Diese angenehme Erzählweise wirkt unaufdringlich, und dennoch kommt man als Leser auf seine Kosten, denn man erfährt viel über die Polizisten, den in der Kommission mitarbeitenden Savant und die Psychologin. Aber hier spielt nicht jeder nur einfach seine Rolle, sondern die individuellen Ansätze geben den Ermittlungen eben immer wieder neue Impulse und Wendungen. Der knorrig wirkende Soko-Leiter Mangold ist dabei so etwas wie der ruhende Pol. Die Polizisten Tannen – der Computer-Experte - und Weitz – der zupackende Bulle – repräsentieren verschiedene Facetten der Ermittlungsarbeit. Journalist Hensen bringt das Wissen eines erfahrenen Rechercheurs mit, der nicht in den Konventionen der Polizeiarbeit gefangen ist, und die Profilerin sorgt nebenbei auch für das weibliche Element in der Soko.

Eine ungewöhnliche und deshalb höchst faszinierende Figur ist Peter Sienhaupt, ein so genannter Savant. Damit werden Menschen mit Inselbegabungen bezeichnet. Sienhaupt verknüpft Dinge miteinander, die den übrigen Soko-Mitglieder überhaupt nicht auffallen. Er sitzt in einer aus Computern und sonstiger Technik bestehenden "Kommando-Zentrale" im Hauptquartier der Soko und hackt sich durch Börsen- und Geheimdienst-Rechner auf der ganzen Welt. Allein schon das Konzept dieser völlig chaotisch anmutenden Sonderkommission macht das Buch absolut lesenswert.

Aber auch die Persönlichkeit des Killers und seine Motive sind bemerkenswert. Michael Koglin hat hier hervorragend recherchiert, aber die ganzen Hintergründe entfalten sich erst im Laufe der Geschichte und werden hier aus dramaturgischen Gründen verschwiegen. Während die Handlung immer dynamischer wird, setzen sich für Leser und Ermittler immer mehr Mosaiksteine zusammen, bis zur höchst überraschenden Lösung des Falles in einem enorm dynamischen Finale. Die im Laufe der Zeit aufgetauchten Fragen werden schließlich in einer Art Epilog, der vom Autor allerdings nicht so betitelt wird, aufgelöst. Und zum Abschluss stürzt Michael Koglin seine Leser auch noch in eine gewisse Ratlosigkeit, da er eine Frage aufwirft und offen lässt, die mit dem ersten Roman um Kommissar Mangold und sein Team zusammen hängt. Die Auflösung wird es dann wohl erst im nächsten Buch um die Chaos-Soko geben, auf das man sich als Leser schon freuen sollte.

Blutengel

Michael Koglin, Goldmann

Blutengel

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