Messer, Gabel, Schere, Mord
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2001
- 10
- London: Headline, 1993, Titel: 'Murder among us', Seiten: 250, Originalsprache
- Bergisch Gladbach: Lübbe, 2001, Seiten: 381, Übersetzt: Axel Merz
- Bergisch Gladbach: Lübbe Audio, 2009, Seiten: 4, Übersetzt: Eva Michaelis
Frühe Episode der endlosen Idyllmord- und Seifenoper-Serie
Über Bamford, dem kleinen Landstädtchen irgendwo in England, wo die Welt noch (scheinbar) in Ordnung ist, braut sich ein der idyllischen Umgebung angemessener Sturm im Wasserglas zusammen. Ein "Ausländer”, der Schweizer Eric Schuhmacher, hat sich erdreistet, das Landhaus Springwood Hall zu kaufen und in ein elegantes Nobelrestaurant mit Hotel umzubauen. Zwar war das alte Gebäude vorher wenig mehr als eine Ruine. Trotzdem hat sich der energische Hotelier in Bamford Feinde gemacht.
Da ist vor allem die "Gesellschaft zur Bewahrung des Historischen Bamford”, die mit viel Elan, doch wenig Sachkenntnis den Umbau verteufelt. Eher einen Grund, Schuhmacher zu grollen, hat indes der "Alice-Batt-Schutzhof für Pferde und Esel”, den die junge Zoë Foster führt. Alte, kranke und "ausrangierte” Huftiere finden hier eine neue Heimat - allerdings nicht mehr lange, denn der Hof liegt in direkter Nachbarschaft zum neuen Landgasthaus, beleidigt Augen und Nasen der vornehmen Gäste und ist Schuhmacher ein rechter Dorn im Auge. Da der Reiterhof auf seinem Grundbesitz liegt, verlängert er den Pachtvertrag nicht mehr - fürZoë eine Katastrophe, denn der Hof und die Tiere sind ihr Leben.
Der Mord, von dem alle profitieren könnten
So herrscht wenig Harmonie zwischen Schuhmacher und seiner Nachbarin. Allerdings sind sich auch die Mitglieder der "Gesellschaft” untereinander keineswegs grün. Ellen Bryant, die mondäne, aber auch ein wenig zwielichtige Ladenbesitzerin, wird sogar erpresst, und die Spuren weisen nach Springwood Hall. Das wird mehr als offensichtlich, als während der feierlichen Eröffnung des Gasthauses eben diese Ellen Bryant erstochen im Weinkeller gefunden wird - und zwar von Meredith Mitchell, die eigentlich in London für das Foreign Office arbeitet, sich aber zufällig wieder einmal in Bamford aufhält, wo ihre komplizierte Beziehung zu Chief Inspector Alan Markby in eine neue Runde geht.
Auch der Inspektor ist unter den Gästen. Zu seinem Leidwesen wird er deshalb sogleich mit dem Fall betraut - und Verdächtige gibt es genug, denn ausgerechnet an diesem Tag ist auch die "Gesellschaft” vollzählig erschienen, um gegen Schuhmachers Hotel mobil zu machen. Dann sind da noch der Restaurantkritiker Denis Fulton, der seine Bekanntschaft mit Ellen Bryant sichtlich geheim zu halten sucht, der junge Robin Harding, der sich in Zoë verliebt hat und buchstäblich alles für sie tun würde; die Angestellte Margery Collins, die von der Ermordeten in ihrem Laden tüchtig ausgenutzt wurde und nun wundersamerweise deren gesamtes Vermögen erbt; und - und - und ... Alan Markby steht vor der undankbaren Aufgabe, Licht in die verworrene Geschichte zu bringen, und wie immer macht sich Meredith Mitchell daran, ihren Teil dazu beizutragen, was das Verhältnis des seltsamen Paares mehr als einmal erheblich belastet - besonders, da Meredith der Polizei ein paar Schritte voraus ist ...
Wir morden mit Stil & ohne Schrecken
Der vierte Fall des ungleichen Paares Mitchell und Markby erweist sich als klassischer englischer Landhaus-Krimi reinsten Wassers. Wie das so üblich ist in diesem Genre, spielt er in einer Welt, die einem Goldfischglas gleicht. Bamford ist die idyllische Kleinstadt auf dem Land, die irgendwie außerhalb des normalen Raum-Zeit-Kontinuums zu existieren scheint. Auch wenn die Gegenwart und die Außenwelt nicht mehr völlig negiert werden - Drogen, Arbeits- und Perspektivenlosigkeit sind auch in Bamford keine Fremdwörter mehr - leitet Ann Granger die Handlung rasch auf die ausgefahrenen Gleise des betulichen "Häkel-Krimis” um, der seinen Lesern (die hier wohl hauptsächlich weiblichen Geschlechts sein dürften) echte Überraschungen tunlichst erspart und sich am besten im behaglichen Ohrensessel bei einer guten Tasse Tee genießen lässt.
Und so sind sie wieder da - die notorisch exzentrischen "Eingeborenen” des Miss Marple-Landes auf der einen und die ermittelnde Polizisten auf der anderen Seite. Das Klischee nicht meidend, sondern es selbstbewusst suchend, lässt Granger die Handlung tatsächlich in einem "echten” Landhaus spielen. Ein Mord findet statt, und alle Anwesenden sind verdächtig; Inspektor Markby ermittelt offen, die Hobby-Detektiven Mitchell verdeckt; falsche Spuren werden gelegt, einige Hinweise auf den wahren Täter gegeben, dem dennoch im großen Finale ganz überraschend die Maske vom Gesicht gerissen wird.
Tod & Leben, Mord & Liebe ...
So weit, so gut, denn das altehrwürdige Muster hat sich ja bewährt, und es muss ja nicht immer knallhart-realistischer "Krimi Noir” sein. So lange sich Ann Granger an ihren Fall hält, bleibt ihr mit leichtem Witz erzählter Krimi unterhaltsam. Leider verlässt sie den eingeschlagenen Kurs und flicht den überflüssigen Subplot um einen Kinderschänder ein, der Bamford heimsucht. Warum sie dies tut, bleibt unklar; ist es der Versuch, einen realistischen Zug in die Handlung zu bringen?
Deutlich misslungen ist ein weiterer Handlungsstrang, der sich um eine Art Altersruhesitz für ausgemusterte Pferde, Ponys und Esel rankt. Hier wird mit billigen Stilmitteln auf die Tränendrüse gedrückt, und als sei dies nicht schon übel genügt, entspinnt sich auch noch eine schmalzige Liebesgeschichte zwischen der wackeren Reiterhof-Maid und dem ansehnlichen Landhaus-Eigentümer. Ann, schreib' was "fürs Herz”, das bringt mehr weibliche Leser - so könnte die Anweisung des Lektors an seine Autorin gelautet haben. Sie wurde überredet, aber nicht überzeugt, denn dieser Strang zieht sich schier endlos durch die gesamte zweite Hälfte des Romans, um schließlich in einer Sackgasse bzw. einem ebenso kitschigen wie peinlichen Happy-End zu münden. Dem Roman ist damit ein nicht wieder gut zu machender Schaden zugefügt worden. Der Mordfall wird ordentlich und schlüssig aufgeklärt, aber das interessiert zu diesem Zeitpunkt schon kaum mehr.
Bleibt noch nachzutragen, dass sich Mitchell & Markby auch in ihrem vierten gemeinsamen Fall nicht "kriegen”; allmählich wird es langweilig mit den Beiden, zumal klar ist, dass sie irgendwann zueinander finden müssen, so wie Granger ihre Figuren angelegt hat.
Fazit: ein etwas zu sehr Agatha Christie verhafteter, recht flott startender, doch zu langer und in der zweiten Hälfte heftig verflachender Krimi - nicht Michells und Markbys stärkster Auftritt, aber immerhin besser als das, was die Serie noch bringen wird!
Ann Granger, Lübbe
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