Blutstein
- DHV - Der Hörverlag
- Erschienen: Januar 2011
- 21
- Stockholm: Wahlström & Widstrand, 2010, Titel: 'Blodläge', Seiten: 405, Originalsprache
- München: DHV - Der Hörverlag, 2011, Seiten: 5, Übersetzt: Johannes Steck
- München: Piper, 2012, Seiten: 448
In der Ruhe liegt die mythische Kraft
Die lang gestreckte Insel Öland, süd-östlich des schwedischen Festlands gelegen, ist der Schauplatz eines Roman-Quintetts von Johan Theorin – für viele ein aufstrebender Stern am skandinavischen Schriftsteller-Himmel. Allerdings werden sich an ihm die Geister scheiden, denn für die Fans harter Action und knackiger Polizei-Arbeit hat er nichts zu bieten. Dafür bewegt sich der Autor scharf an der Grenze zur Fantasy, denn es geht im dritten Teil der Reihe auch um Mythen, Trolle und Elfen. Aber vor allem geht es um die dunkle Vergangenheit und die nicht unbedingt hellere Gegenwart.
Seinen Titel hat das Buch von einer Gesteinsschicht, die Blutstein genannt wird. Viele der Bewohner von Öland kennen offenbar die alten Legenden über die vermeintlichen Bluttaten, die dem Stein seine Farbe verschafft haben sollen. Das gilt auch für Per Mörner, der mit seinen Kindern Nilla und Jesper in das alte Sommerhaus der Familie am Steinbruch von Stenvik zieht. Nach einem Besuch bei seiner Tochter, die sich zu Untersuchungen im Krankenhaus aufhält, haben Per und sein Sohn auf der Fahrt zur Insel einen Unfall – und lernen auf ungewöhnliche Weise künftige Nachbarn kennen. Das Ehepaar Max und Vendela sind ein seltsames Duo. Er schreibt Kochbücher, sie spielt die Hausfrau. Erst viel später erfährt Per, dass in Wirklichkeit Vendela die Bücher zu Papier bringt. Und im Zusammenhang mit den Elfen und Trollen der Insel spielt sie eine ganz besondere Rolle – und hat zudem eine dunkle Vergangenheit auf Öland. Auch der pensionierte Kapitän Gerlof Davidsson beschließt zum gleichen Zeitpunkt, aus dem Altersheim zurück in sein Haus nach Stenvik zu ziehen. Und so findet sich eine seltsam gemischte Nachbarschaft rund um den Steinbruch mit seiner merkwürdigen Vergangenheit ein.
Nach einem gescheiterten Brandanschlag auf seinen Vater Jerry – bei dem zwei Menschen getötet werden - sieht Per sich gezwungen, auch ihn zu sich auf die Insel zu holen. Er kann jedoch nicht verhindern, dass Jerry wenige Tage später vor seinen Augen von einem unbekannten Mann getötet wird. Jerry schien seinen Mörder gekannt zu haben – und Per glaubt, diesen Mann beim Brandanschlag auf das Filmstudio gesehen zu haben. Der Mord an seinem Vater – Jerry war ein berüchtigter Produzent von Porno-Filmen und –Magazinen - lässt Per nun keine Ruhe mehr. Er stellt intensive Nachforschungen an, und kommt dabei düsteren Geheimnissen auf die Spur, die ihn heftige erschüttern. Im rasanten Finale gerät Per selbst in die Schusslinie des Killers – und alle Morde und Mordversuche werden auf höchst überraschende Weise aufgeklärt.
Blutstein ist ein Buch, mit dem sich der Leser erst einmal anfreunden muss. Es sei denn, er hat die Vorgängerbände gelesen und kennt bereits den ungewöhnlichen, ruhigen und bedächtigen Stil des Autors. Hektischen Aktionismus kann man dem Buch nicht vorwerfen, Johan Theorin gelingt es anderweitig den Leser zu fesseln. Ich habe nach dem ersten Drittel noch den Kopf geschüttelt, aber das Buch weglegen konnte ich auch nicht. Trolle und Elfen, Sagen und Mythen, und das in einem Kriminalroman? Eigentlich kein Problem für jemanden, der gerne fantastische Literatur liest – aber eben doch gewöhnungsbedürftig. Eines steht auf jeden Fall fest: Johan Theorin ist ein hervorragender Geschichten-Erzähler. Auch ohne viel Action schafft er eine unterschwellige Spannung, macht den Leser neugierig auf den Fortgang der Handlung, beteiligt ihn am teilweise ungewöhnlichen Schicksal der verschiedenen Protagonisten. Gewissermaßen ohne es recht zu merken fliegt man plötzlich durch die Seiten, weil man wissen will, wie es weiter geht. Ein schwer zu beschreibendes, ungewöhnliches Leseerlebnis. So werde ich als Leser sonst nur vorangetrieben, wenn es wirklich krachend und durchaus blutig dahergeht. Irgendwie hat der Stil des Autors etwas, dass sich schwer beschreiben lässt – wahrscheinlich eine geschickte Mischung aus verschiedenen Zutaten.
Dabei sind es mehrere Ebenen, auf denen Theorin die Handlung spielen lässt. Es geht zunächst um Per und seinen eher ungeliebten Vater. Im Zuge seiner Ermittlungen erfährt der Sohn immer mehr über die eklige Porno-Branche, in der sich Jerry wie ein Fisch im Wasser bewegte. Und er bekommt heraus, dass weitaus mehr scheinbar harmlose Männer und Frauen in das Geschäft mit den sexuellen Illusionen verstrickt waren, als sich der Durchschnittsbürger vorstellen mag. Da tun sich einige Abgründe auf, die Per früher lieber nicht sehen oder kennen wollte. Leser und Protagonist lernen aber auch auf die harte Tour, was kriminelle Energie auszulösen vermag.
Der Pensionär Gerlof, den Theorin-Fans bereits aus den Vorgängerromanen kennen, liest in den alten Tagebüchern seiner verstorbenen Frau Ella. Darin ist "von einem kleinen Kerlchen" die Rede, und der alte Mann rätselt nun, ob seine Frau einen Liebhaber hatte. Später hilft er Per bei dessen Nachforschungen und insgesamt spielt er eine wichtigere Rolle, als man nach den ersten Seiten des Romans vermuten durfte. Eine hintergründige Figur, die eine entscheidende Funktion hat, was an jedoch erst spät merkt.
Vendela ist eine ganz spezielle Protagonistin, die praktisch eine eigene Geschichte durchlebt. Sie erinnert sich in eingestreuten Kapiteln an ihre Kindheit, als sie am Elfenstein immer wieder "Geschenke" abgelegt hat. Die Fabelwesen sollten ihr dafür einige ihrer geheimen Wünsche erfüllen. Zuweilen geschah das gründlicher, als es Vendela recht war. Und so sind ihre Erinnerungen an die Kindheit ziemlich unangenehm – und haben Auswirkungen auf die Gegenwart.
Der Autor lässt eine ganze Palette verschiedenartiger und teilweise widersprüchlicher Charaktere aufmarschieren, und das macht einen Teil der Faszination des Buches aus. Aber auch und vor allem die kritischen Töne zur mit Amateuren durchsetzten Pornoindustrie geben der Geschichte einen ganz besonderen Touch. Und dann sind da noch die Elfen und Trolle – deren wahre Bedeutung für die Erzählung ich nicht so recht zu deuten vermag. Auf jeden Fall machen sie die Figur Vendela um einiges sympathischer. Und ich freue mich schon jetzt auf den vierten Teil der Öland-Reihe!Johan Theorin, DHV - Der Hörverlag
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