Selbs Justiz
- Diogenes
- Erschienen: Januar 1987
- 29
- Zürich: Diogenes, 1987, Seiten: 298, Originalsprache
- Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2002, Seiten: 7, Übersetzt: Hans Korte
- München: Süddeutsche Zeitung, 2006, Seiten: 220, Originalsprache
- Zürich: Diogenes, 2011, Seiten: 7, Übersetzt: Hans Korte
Sympathisch: die Natürlichkeit der Charaktere
Selbs alter Schulfreund Korten ist Direktor der Rheinischen Chemiewerke (RCW) in Ludwigshafen. Koten erteilt Selb den Auftrag, herauszufinden, wer der Verursacher für die Unregelmäßigkeiten im Computernetz der Firma ist. Einigen Mitarbeitern wird zuviel Gehalt überwiesen, die Bestellung von hundert Rhesusaffen wurde auf hunderttausend geändert und ähnliche Kleinigkeiten stören den Geschäftsablauf. Verdächtigt wird der Mitarbeiter Schneider, nachdem dessen Spielschulden bekannt wurden. Eine Explosion in Schneiders Labor, bei dem Selb leicht verletzt wird, verstärkt den Verdacht, zumal Schneider gerade an diesem Tag abwesend war. Als sich Schneider erhängt, gilt der Fall als gelöst und Selb wird von seinen Ermittlungen entbunden. Doch wenig später geschehen weitere unbefugte Computer-Zugriffe, Selb ist weider im Geschäft.
Als Selb feststellt, dass zur Emissionsdatenerfassung eine externe Firma an das Computernetz angeschlossen ist, verlagert er seine Ermittlungen in diese Richtung. Als Journalist getarnt lässt er sich dort von dem sympathischen und sehr fähigen Mitarbeiter Peter Mischkey über alle Einzelheiten informieren. Schon recht schnell wird ihm klar, dass Mischkey sein Mann ist. Er beobachtet ihn und stellt fest, dass er mit Frau Buchendorff, einer Sekretärin der RCW eng befreundet ist. Mit einem Trick stellt Selb den Täter.
Als Selb nach Abschluß der Ermittlungen aus seinem Griechenland-Urlaub zurückkehrt, erwartet ihn ein neuer Fall. Frau Buchendorff beauftragt ihn, Ermittlungen über den Unfalltod von Peter Mischkey anzustellen. Sie glaubt, dass er ermordet wurde.
Was den Roman so sympathisch macht, ist die Natürlichkeit der handelnden Personen. Alles Leute mit zumindest einem kleinen Spleen, wie ihn fast jeder hat. Vielleicht bei Selb, der seinen Weihnachtsbaum immer etwas unkonventionell schmückt, diesmal mit leeren Ölsardinendosen, etwas dick aufgetragen, aber gerade das macht ihn so liebenswert.
Zudem spielt der Roman in einem realen Gebiet, das sicher viele Leser persönlich kennen und so gut nachvollziehen können, wo sich der Detektiv bewegt. Wohnhaft in Mannheim führen ihn seine Fälle meist in der Gegend zwischen Ludwigshafen und Heidelberg kreuz und quer hin und her. Dabei werden sogar Straßennamen und markante Punkte erwähnt, so daß der Ortskundige das Geschehen genau mitverfolgen kann. Diesmal muß er für die Lösung seiner Fälle sogar Abstecher nach Amerika, nach Frankreich und zum Lago Maggiore machen.
Ebenfalls positiv, dass das Leben eines Privatdetektivs hier einigermaßen realistisch dargestellt wird. Es geht nicht nur um einen Kriminalfall. Selb hat natürlich zwischendurch auch andere Fälle zu lösen und nicht alle führen zu einem positiven Abschluß. Auch sein Privatleben kommt nicht zu kurz. Es nimmt sogar einen relativ zentralen Teil der Handlung ein. Durch den ständigen Wechsel zwischen Privatleben und seiner Arbeit wirkt jedoch das Geschehen ab und an etwas zerrissen.
Schlinks Schreibweise ist nicht so, wie man sie von einem Juristen erwarten würde. Seine Sätze sind meist kurz, doch oft mit Ironie und kleinen Pointen versehen. Da der Leser immer nah am Geschehen ist, ist das Buch sehr leicht und flüssig lesbar. Kurze Kapitel sorgen zudem dafür, dass man noch eines und dann noch eines liest und somit schnell mit dem Roman durch ist.
Vom Kriminalistischen her ist die Logik nicht immer nachzuvollziehen. Die Figur des Detektivs Selb lebt oft von seinen Ahnungen und Mutmaßungen, weniger von logischen Schlüssen und klaren Beweisen. Und wie in "Selbs Betrug" spielt auch hier wieder die Vergangenheit, in der Selb Staatsanwalt im Nazi-Regime war, eine große Rolle. Schlink gibt dem Leser dabei einige Anregungen, über die Handlungen der Menschen in dieser Zeit nachzudenken, ohne jedoch dabei großartig in die Tiefe zu gehen.
Dieser Selb ist eine nette Abwechslung gegenüber amerikanischen oder englischen Krimi-Helden.
Bernhard Schlink, Diogenes
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