Aufgeputscht
- Grafit
- Erschienen: Januar 1997
- 4
- Dortmund: Grafit, 1997, Seiten: 412, Originalsprache
Zusammengerauft
Spätestens seit der amerikanischen Comedy "Sledge Hammer" ist bekannt, warum Polizist der Traumberuf so manch junger Menschen sein muss: Man kann in der Öffentlichkeit mit seiner Pistole rumballern und es ist sogar legal...
Die Kollegen von Sledge Hammer bei der Düsseldorfer Polizei interpretieren ihren Beruf ebenfalls auf eine sehr gewöhnungsbedürftige Art. Jeder hat so seine Leiche im Keller, da gibt es einen Drogenfahnder, der selber Ecstasy schluckt und im Drogenrausch einen unbewaffneten Mann in einem Bordell erschießt. Andere Ermittler haben ihre Triebe nicht im Griff und zerren Frauen von Kollegen, aber auch Verbrechensopfer und Verdächtige in ihr Bett. Gegenüber der Presse werden für ein paar Hunderter Interna ausgeplaudert, bei Razzien in illegalen Spielcasinos zweigen sich die Beamten so manche Mark in die eigene Tasche ab und einst scheute auch ein Mordermittler nicht davor zurück, an vier Kriminellen Selbstjustiz zu üben und sie kaltblütig zu ermorden.
In der Kripo-Truppe liegt einiges im Argen
Kripochef Sonntag weiß, dass in seiner Truppe einiges im Argen liegt und beauftragt einen jungen, unverbrauchten Ermittler namens Thann, ein wenig gegen die eigene Truppe nachzuforschen. Im Zuge einer weitreichenden Strukturreform soll nämlich ein Dezernat für innere Delikte gegründet werden und dafür kommt Thann in Frage. Sonntag hat den Verdacht, dass jemand aus seiner Truppe mit einem hohen Drogenbaron zusammen arbeitet und genau das soll Thanns erster Fall sein.
Rolf Nowak ist im Dienst nicht mehr der Alte. Seit er mit seiner Dienstwaffe während eines Ecstasy-Trips einen Unschuldigen erschossen hat, hat er mehr mit sich selbst als seinem Beruf zu kämpfen. Zum Glück konnte Brauning vom Morddezernat damals Zeugenaussagen frisieren und nichts gelangt von Nowaks Sucht und den Kontakten ins Rotlichtmillieu an die Öffentlichkeit oder in die Kenntnis seiner Vorgesetzten. Nowak hat gerade einen Entzug hinter sich und wird auf den Posten des Hauptdrogenermittlers der Düsseldorfer Polizei gehoben. Ausgerechnet jetzt scheint Klatschreporter Alex Vogel aber wohl Infos über Nowaks Drogenvergangenheit zu haben. Oder blufft er nur?
Hinrichtung eines Disko-Königs
Jener Alex Vogel kann gut mit Ben Engel, dem Intimfeind von Nowak, seit Engel ihm seine Frau ausgespannt hat. Engel ermittelt in einem mysteriösen Mordfall in der Drogenszene, Diskokönig und Ecstasy-Dealer Witteczek ist regelrecht hingerichtet worden. Droht hier ein Bandenkrieg auf dem Düsseldorfer Drogenmarkt? Eine unangenehme Aussicht, wenn er zur Lösung des Falles vielleicht die Hilfe Nowaks benötigt. Als zwei Dealer auf bestialische Weise gefoltert und getötet werden, schließt sich der Kreis und auch Thanns Mitarbeit ist bei der Lösung des Falles gefragt.
Ein ansprechendes Netz von sozialen Konflikten, das Horst Eckert in seinem dritten Kriminalroman ganz hervorragend füllen kann. Jeder Charakter wirkt greifbar. Es gibt keinen Superhelden, der moralisch einwandfrei und politisch korrekt handelt. Und Eckert findet einen Weg, dass jeder auch seine finsteren Geheimnisse behalten darf. Manchmal schwierig für den Leser, der dann etwas mehr über einen gewissen N. weiß als der gerade handelnde E. oder T., dennoch wird der Leser keinesfalls mit Verstrickungen überstrapaziert.
Geradlinig, knallhart, kompromisslos und lebendig
Eckert erzählt sehr gradlinig, macht keine Umschweife und bemüht sich auch nicht um vermeintlich literarisch wertvolle Satzkonstruktionen oder nobelpreisverdächtige Metaphern. Eckerts Sprache ist wie der Beruf des Polizisten: knallhart und kompromisslos. Durch die vielen Szenen und Schauplatzwechsel wirkt der Roman lebendig und kann daher seine Leser fesseln. Was passiert wo als nächstes? Wer ist der große Verräter im Düsseldorfer Polizeipräsidium und wer stellt die gefährlichen, bunten Pillen her? Mit jeder gelesenen Seite will man es mehr wissen.
Was ebenfalls zu einem Eckert-Roman gehört sind die im Stil eines Artikels aus der Boulevardpresse geschriebenen Zwischenrufe. Leider baut Eckert sie ein, aber inzwischen kennt man das und hat sich daran gewöhnt. Sie sind die einzigen Elemente, die den Erzählfluss ein wenig stören, unterscheiden sich ganz deutlich von der Struktur des restlichen Textes. Wenn Eckert auf etwas hätte verzichten können, dann diese Artikel aus dem "Blitz". Andererseits kann man sich gerade an solchen Stellen an seine eigenen Grundbedürfnisse entsinnen und mal das Buch beiseite legen, um zu essen, zu trinken, auf die Toilette zu gehen oder ein wenig zu schlafen. Vom Rest des Romans kann man nämlich nicht genug bekommen.
Horst Eckert, Grafit
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