Dunkle Schuld
- Heyne
- Erschienen: Januar 2009
- 3
- New York: Walker & Co., 2003, Titel: 'Cypress Grove', Seiten: 255, Originalsprache
- München: Heyne, 2009, Seiten: 301, Übersetzt: Jürgen Bürger
Die ganze Tragik des Lebens
Turner kann man wohl getrost einen Eremiten nennen. Er hat sich in eine kleine Hütte zurückgezogen und kümmert sich nur einmal im Monat um neue Lebensmittel. Das sind dann seine einzigen Kontakte zur Außenwelt. Turner war früher einmal Polizist, ein ziemlich guter sogar. Dann saß er elf Jahre lang im Knast, um währenddessen zu studieren und danach als Therapeut zu arbeiten. Er hat all das hinter sich gelassen, einfach weil er genug über die Tragik der menschlichen Existenz am eigenen Leib zu spüren bekommen hat.
Und trotzdem lässt er sich darauf ein, als ihn der Sheriff des nahen, kleinen Örtchens Cypress Grove um Hilfe bittet. Ein Landstreicher wurde ermordet, seine Leiche anschließend gepfählt zur Schau gestellt. Der unerfahrene Sheriff kann keine Hilfe von außerhalb erwarten, weshalb er Turner überredet. Und für den ist die Routine des Polizeiberufes mit vielen Erinnerungen verbunden.
Episoden, zu traurig, um wahr zu sein
Eingangs gelingt es Autor James Sallis, einem grandiosen Erzähler, eine sehr ausgewogene Mischung aus langsam anlaufenden Ermittlungen und Erinnerungen an alte und sehr tragisch verlaufende Fälle zu präsentieren. Er leuchtet die Graubereiche eines Polizistenlebens aus: die stets präsente Gefahr; Straftaten aus Leidenschaft; Verbrechen an wehrlosen Kindern; eskalierende Konflikte in der Nachbarschaft. Sallis präsentiert die traurige Bandbreite von Nichtigkeiten, die Recht und Ordnung auf den Plan rufen, manchmal banal, manchmal einfach nur traurig. Vermitteln kann er damit vor allem, wie sehr das Leben als Polizist auch eine psychische Belastung sein kann.
Irgendwann verlässt Sallis diesen Pfad und beginnt verstärkt die Tragik im Leben von Turner zu beschreiben. So schildert er die Zeit im Gefängnis und die Machtkämpfe dort, aber auch die Zeit unmittelbar nach seiner Entlassung. Erst sehr spät verrät er dem Leser, aus welchem Grund Turner überhaupt erst ins Gefängnis musste.
Suche nach einem Russ-Meyer-Verschnitt
Der Zeitpunkt, an dem sich der Autor wieder auf den kleinen Fall besinnt, den Turner hier zu lösen hat, ist bedenklich spät gesetzt. Als er aufgrund der Platzierung der Leiche erkennt, dass der vermeintliche Landstreicher ein fanatischer Verehrer eines legendären Regisseurs war und sein abgetauchtes Idol suchte, weiß Turner, dass er mit Auffinden dieses sagenumwobenen Regisseurs auch den Mörder stellen kann. Die unkonventionellen Indie-Filmchen (Russ Meyer lässt grüßen) sind letztlich der Schlüssel zur Auflösung.
Lange Zeit ist Dunkle Schuld ein zutiefst melancholischer Roman voller Tragik und Traurigkeit, beschreibt dabei jedoch eine Gratwanderung: Wenn die Figur Turner beim Leser zündet, dann ist der mittlere Teil fesselnd und ergreifend. Solange Turner aber nicht in diesem Ausmaß ankommt, mag die Lebensgeschichte des Protagonisten als unnötige Länge empfunden werden und die Warterei auf die Auflösung des aktuellen Falles nervend lang auf sich warten lassen.
James Sallis, Heyne
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