Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller

  • Fischer
  • Erschienen: März 2023
  • 2
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Thomas Gisbertz
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2023

Unterhaltsame Lektüre über einen ganz normalen Mörder

Der sympathische Delikatessenhändler Norbert Heinlein legt größten Wert auf Qualität und Tradition. Seine Kundschaft, die er mit ausgesuchter Höflichkeit bedient, verzaubert er immer wieder mit selbstgemachten Pasteten und anderen kulinarischen Köstlichkeiten. So auch seinen neuen Stammkunden Adam Morlok, einen charismatischen Geschäftsmann. Bis Morlok eines Tages durch ein Versehen Heinleins tot zusammenbricht. Der Delikatessenhändler ist verzweifelt. Was soll er nun tun? In seiner Panik lagert Heinlein Morloks Leiche kurzerhand im alten Kühlhaus im Keller zwischen. Doch statt einen Weg aus der Sache zu finden, gerät Heinlein immer tiefer hinein. Und es wird nicht bei einer Leiche im Keller bleiben - Morlok bekommt bald Gesellschaft im Kühlhaus. Auch wenn keine böse Absicht dahinter steckt, kommt Heinlein der eine oder andere Tote auch gerade recht. Doch je mehr Personen aus seinem Umkreis verschwinden, desto mehr gerät er in den Fokus der Polizei.

Autor der Zorn-Reihe

Stephan Ludwig wurde 1965 geboren und arbeitete zunächst als Theatertechniker, Musiker und Rundfunkproduzent, bevor er eher zufällig zum Schreiben kam. Ludwig ist vor allem mit seinen „Zorn“-Krimis um den gleichnamigen Hauptkommissar bekannt geworden. Mittlerweile sind elf Bände um das ungleiche Ermittlerteam Claudius Zorn und seinen Kollegen Schröder erschienen. Seit 2014 liefen bislang fünf Verfilmungen in der ARD, zuletzt 2017 „Kalter Rauch“. Die Drehbücher hierfür stammen ebenfalls aus der Feder von Stephan Ludwig. Darüber hinaus erschien 2020 der bisher einzige Stand-Alone-Roman „Unter der Erde“, der wie alle anderen Werke bei Fischer erschien.

Der neue Roman des in Halle lebenden Autors will sogar nicht in ein bestimmtes Genre passen. Zwar gibt es nicht wenige Leichen, die sich nach und nach im Keller des Herrn Heinlein wiederfinden, aber dennoch es in weiten Teilen eher ein Roman als eine Kriminalerzählung.

Ein ganz normaler Mörder

Es geht um einen alteingesessenen Geschäftsmann Nobert Heinlein, der in 3. Generation ein Delicatessen- und Spirituosengeschäft betreibt. Der Delikatessenhändler geht auf die 60 zu und liebt immer noch seinen Beruf. Umgeben von einzigartigen Köstlichkeiten und dem seit Jahrzehnten vertrauten Duft exotischer Kaffee- und Teesorten, frischer, natürlich selbstgebackener Pasteten und iberischen Schinkens geht Heinlein täglich seiner Arbeit nach. Aber er sperrt sich gegen alles Moderne, denn Tradition ist ihm wichtig. Die Küche ist ebenso in die Jahre gekommen wie die vom Alter geschwärzte Holzvertäfelung; freies WLAN für die Kunden sucht man bei ihm vergebens. Heinlein lebt ganz für seine treue Kundschaft, die ihm soeben das Überleben sichert. Auch wenn er spürt, dass das Geschäft die besten Zeiten längst hinter sich hat, verdrängt er die Realität. Er weigert sich gegen jegliche Form der Modernisierung und ist weiterhin der festen Überzeugung, mit Qualität und raffinierten Gaumenfreuden seine Kunden halten zu können.

Doch dann geschieht etwas, was sein Leben auf den Kopf stellt. Durch unglückliche Umstände wird Heinlein zum Mörder, auch wenn dies keineswegs von ihm beabsichtigt ist. Und es wird nicht bei einer Leiche bleiben. Das alte Kühlhaus im Keller füllt sich allmählich. Dabei ist Heinlein eigentlich eine äußerst sympathische, liebenswürdige Figur, die man einfach gern haben muss.

Heinlein, sein Vater und Marvin

Norbert Heinlein wachsen aber nicht nur die Leichen über den Kopf, sondern auch die Probleme mit seinem demenzkranken Vater. In berührender Weise beschreibt Autor Stephan Ludwig die Begegnungen zwischen den erkrankten Vater, der seinen Sohn immer noch barsch zur Ordnung ruft, ihn belehrt, wie er mit den Mietern in Haus zu verfahren habe oder nackt auf dem Balkon steht, und Norbert, der seinen Vater tagsüber per Babyphone belauschen muss, damit dieser keine Dummheiten macht. Unterstützung - sowohl im Geschäft als auch bei der Betreuung seines Vaters - erhält Heinlein vom 21-jährigen Marvin, den er vor einigen Jahren im Förderzentrum für Menschen mit Behinderung kennengelernt hat und den er über alles mag. Marvin spricht wenig, weil ihm das Stottern peinlich ist, aber auch so verstehen sich beide blind. Die Sorge, was aus Marvin wird, falls Heinlein ins Gefängnis muss, ist ein entscheidender Faktor dafür, warum dieser die Toten verschweigt.

Bekannte Figuren

Ganz kann dann Autor Stephan Ludwig nicht von der Zorn-Reihe lassen, denn vor allem Kommissar Schröder taucht als ermittelnder Beamter immer wieder auf. Dabei geht es nicht nur um die ein oder andere vermisste Person, der Norbert Heinlein nahe stand. Schröder kauft auch gerne im Delikatessengeschäft ein und man erfährt so manches über Claudius Zorn, seinen Chef, der ebenfalls einen kurzen Auftritt hat.

Fazit

Autor Stephan Ludwig gelingt ein unaufgeregter (Kriminal-)Roman mit einem äußerst sympathischen Protagonisten. Auch wenn die Erzählung nicht unbedingt Spannung auf höchstem Niveau bietet, unterhält sie doch bestens. Wer schwarzhumorige Spannungsliteratur mag, der liegt hier absolut richtig. Es darf ruhig ein Wiedersehen mit dem liebenswürdigen Herrn Heinlein geben.

Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller

Stephan Ludwig, Fischer

Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller

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