Draußen

  • Ullstein
  • Erschienen: November 2019
  • 9
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Sabine Bongenberg
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2020

Der lange, lange Weg zum Potte

Die beiden Teenager Cayenne und Joshua kennen es nicht anders: Sie leben mit ihrem erwachsenen Begleiter Stephan auf einsamen Campingplätzen oder mitten im Wald, werden darauf gedrillt, hier überleben und sich im Nahkampf behaupten zu können. Schule, Sportverein, Kino – Fehlanzeige. Fast könnte man auf die Idee kommen, dass mal wieder ein weiterer Prepper, Reichsdeutscher oder generell ein Spinner seine skurrilen Phantasien auf zwei Minderjährige überträgt, die ihm mehr oder weniger bedingungslos folgen. Diese Einschätzung ändert sich aber alsbald, als tatsächliche Angriffe auf die kleine Gruppe einsetzen und sie gezwungen wird, sich gegen unsichtbare Angreifer zur Wehr zu setzen.

Gibt es gute Gründe für dieses Leben außerhalb der Gesellschaft?

Wenn jemand die Entbehrungen auf sich nimmt, mit zwei Kindern in Wald zu leben – und wohlgemerkt im deutschen Wald, wo auch die Temperaturen mal gut und gerne auf minus 15° C runter gehen können - dann muss er sehr, sehr wichtige Gründe haben. Werden diese beiden Kinder mehr oder weniger fern von Schulen, Ärzten, öffentlichen Einrichtungen und alles, was das Leben ein wenig einfacher macht großgezogen, werden sie zu kleinen potenten Kampfmaschinen ausgebildet, dann wird klar, dass offensichtlich nicht nur eine „spinnerte“ Idee verfolgt wird, sondern dass es gute Gründe für dieses Leben außerhalb der Gesellschaft gibt. Oder zumindest geben sollte.

Verschwörungstheorie mit rächender Hand aus der Vergangenheit

Volker Klüpfel und Michael Kobr, die sonst mit ihren humorigen „Kluftinger“-Romanen glänzen, haben sich mit diesem Roman ernsten und zeitgeistigen Themen zugewandt. Neben einer Verschwörungstheorie mit rächender Hand aus der Vergangenheit, geht es auch um die Prepper-Szene, gelegentlich gewürzt durch Vertreter der „Reichsdeutschen“, die unabhängig von der Vor- und Fürsorge des Staates ihren eigenen Lebensstandart auf ihre eigene Art und Weise sicherstellen wollen und das insbesondere wann, der Rest der Republik durch einen Strom- oder Wasser-Blackout im Dunklen oder auf dem Trockenen sitzt. Grundsätzlich wird damit eine spannende Idee verfolgt, unglücklicherweise ist die Umsetzung aber hier nicht sonderlich gelungen, denn es reicht nicht, ein hippes Thema aufzugreifen, wenn die dahinter steckende Grundidee eine alte ist und sich der größte Teil der Geschichte nur von der Flucht nährt.

Klüpfel und Kobr treiben hier die kleine Gruppe so lange durch die Wälder und lassen sie so lange von finsteren Gestalten und noch schwärzeren Geheimnissen verfolgen, dass der interessierte Leser irgendwann glauben muss, dass es hier offensichtlich nicht möglich ist, dass die Butter doch irgendwann bei die berühmten Fische kommt. Die Lösung für die ganze Geheimniskrämerei, die nach mehr als 300 Seiten präsentiert wird, ist somit bei aller Tragik und bei allen weltweiten Katastrophen und Verbrechen eine recht banale, und aus welchem Grund deswegen das umfassende Versteckspiel inszeniert wurde, das mag sich auch nicht so recht erschließen.

Will ich einen Elefanten verstecken, ist immer noch das beste Versteck in einer Gruppe von Elefanten und nicht in der Wüste. Zu schwach und zu lieblos abgehandelt bleibt auch der Handlungsstrang, der sich mit den Ursachen für den landesweiten Blackout befasst, der letztendlich ohnehin nur einen Nebenstrang der Handlung bildet und für die Auflösung grundsätzlich unerheblich wäre. Am interessantesten waren meiner Meinung nach noch die – leider recht kurzen – Kapitel über die Tätigkeiten der Fremdenlegion und hier hätte ich sicherlich gerne mehr erfahren und das auch gerne zu Lasten der diversen Beschreibungen, wie man im Wald ein Lager aufschlägt oder ein Karnickel vom Dies- ins Jenseits befördert.

Fazit:

Es soll schon gewürdigt werden, dass Klüpfel und Kobr grundsätzlich ihr Handwerk beherrschen, denn spannend erzählen, das können sie. Trotzdem zerrt das ganze Verstecken, Vorbereiten und Trainieren um seiner selbst willen und die ganzen dunklen Andeutungen um die Fremdenlegion und um mögliche Überlebensstrategien ohne Grundversorgung irgendwann an den Nerven. Anschleichen um des Anschleichens willen, ist – wie bereits der „Schuh des Manitou“ vermittelte – sinnlos und verkommt zu einem eigenartigen Freizeitvergnügen und nicht zu einer Notwendigkeit, und das verdarb ja weiland schon die Stimmung zwischen Ranger und Abahachi

Draußen

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