Du sollst nicht begehren
- Goldmann
- Erschienen: Januar 1997
- 5
- -: ?, 1991, Titel: 'Linah meshutefet: retsaòh ba-òkibuts', Originalsprache
- München: Goldmann, 1997, Seiten: 505, Übersetzt: Mirjam Pressler
- München: Goldmann, 1999, Seiten: 505
- München: Goldmann, 2000, Seiten: 505
- München: Goldmann, 2001, Seiten: 505
Trockene Themen, meisterhaft erzählt
Im Kibbuz ist man mit den Vorbereitungen für den Feiertag beschäftigt. Zu Gast ist der Abgeordnete Aharon Meros, früher selbst Bewohner dieses Kibbuz. Während Meros von seinem früheren Freund Mojsch durch den Kibbuz geführt wird, ereignet sich ein Zwischenfall: Srulke, der Vater von Mojsch, stirbt an einem Herzanfall.
Als Meron die Kibbuz-Sekretärin Osnat Harel wiedertrifft, auf die er schon früher ein Auge geworfen hat, entwickelt sich daraus eine Beziehung. In den kommenden Wochen besucht er Osnat regelmäßig heimlich. Osnat erkrankt an einer Lungenentzündung und wird in die Krankenstation eingeliefert. Zwei Stunden später stirbt sie plötzlich, vermutlich an einer Penicillin-Allergie.
Durch die Verwicklung des Abgeordneten Meron bekommt der Fall öffentliches Interesse. Die Obduktion fördert Spuren eines Pflanzenschutzmittels im Körper der Toten zutage. Inspektor Michael Ochajon wird als Leiter einer Sonderkommission mit den Ermittlungen beauftragt. Doch in der abgeschotteten Welt eines Kibbuz zu ermitteln, stellt ihn vor eine große Herausforderung, zumal er auch Druck von seinen Vorgesetzten bekommt.
Das globale Schema der Romane von Batya Gur ist im Prinzip immer das Gleiche: Ein Mord ereignet sich in einer abgeschlossenen Gemeinschaft. In dieser Gemeinschaft existieren Neid und Hass. Michael Ochajon muß versuchen, in diese Gruppe einzudringen und die Geheimnisse zu erforschen. Dies klingt zwar nach Kritik, ist aber nicht als solche zu verstehen.
Denn daß die Autorin trotz dieses immer gleichen Schemas sehr variabel schreibt, zeigt der Beginn des Buches. Dies ist der vierte Roman von Batya Gur, den ich lese, und zum vierten Mal bekomme ich eine andere Einführung in das Geschehen. Diesmal erfolgt eine sehr lange Einleitung, die das Leben im Kibbuz anhand eines Feiertags schildert. Es dauert 113 Seiten, bis Ochajon seinen ersten Auftritt hat.
Die Autorin hat ihrem Inspektor diesmal nicht das übliche Ermittlerteam zur Seite gestellt, sondern Ochajon zu einer Spezialeinheit versetzt, in der er zur Teamarbeit verpflichtet ist und nicht so eigenmächtig wie sonst zu Werke gehen kann. Eine interessante Konstellation, bei der seine Vorgesetzten nicht immer einer Meinung mit ihm sind.
Für diejenigen, die noch kein Buch von Batya Gur und noch keine meiner Kritiken dazu gelesen haben, möchte ich wiederholen, dass sie keine Kriminalromane der üblichen Art schreibt. Es geht ihr weniger darum, eine Tätersuche anhand von Indizien aufzubauen und den Leser zum Mitraten zu animieren, sondern mehr anhand von Charakterstudien zu einer Lösung zu kommen.
Dies ist ihr in diesem Fall besonders gut gelungen. Sie versteht es, die Probleme, wie sie in einem Kibbuz bestehen, hervorragend rüberzubringen. Dabei lernt der Leser einen wichtigen Teil des heutigen Israels kennen. Die Kibbuzim stehen an der Schwelle zu einem Umbruch. Auf der einen Seite die immer weniger werdenden Alten, zum großen Teil Wiederstandskämpfer oder Shoa-Überlebende (Holocaust), die von ihren festgefahrenen Ansichten nicht abzubringen sind, auf der anderen Seite die Jüngeren, die sich immer mehr am Konsumzwang der Welt außerhalb ihrer Gemeinschaft orientieren und Neuerungen gegenüber sehr aufgeschlossen sind.
Über 500 Seiten hinweg versteht es die Autorin, mit eher trockenen Themen, aber dennoch meisterhaft erzählt, ihre Leser zu fesseln, ohne daß Langeweile aufkommt.
Ich sehe die Ochajon-Krimis von Batya Gur durchweg als eine Mischung von Kriminalroman und Sachbuch. Von vier gelesenen Büchern ist "Du sollst nicht begehren" zwar nicht der beste Krimi, aber eindeutig das beste Sachbuch. Von mir eindeutig eine Leseempfehlung.
Batya Gur, Goldmann
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