Der letzte Gast

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2018
  • 0
  • München: Piper, 2018, Seiten: 384, Originalsprache
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Carola Krauße-Reim
20°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2018

Zäh, wie ein Dogwalk im Matsch

Schon auf der vierten Seite kracht es

Sabine Kornbichler fackelt nicht lange. Ohne Prolog, ohne Vorgeschichte macht Mia schon nach drei Seiten schmerzhafte Bekanntschaft mit einem Einbrecher im Hause Kiening. Der Leser wird in eine Geschichte katapultiert, in der die Protagonistin und Ich-Erzählerin agiert, als kenne man sie und ihr Umfeld schon lange. Aber, das ist nicht der Fall! Leider gibt Kornbichler erst nach und nach Informationen über Mia preis, die sie charakterisieren, sie von "Irgendwem" zur "Person Mia" werden lassen.

Diese Unkenntniss führt anfangs zu leichten Irritationen, sieht man doch alles durch die Augen Mias, die sich aber legen, sobald klar ist, wer sie ist und wie sie tickt. Die Autorin bedient sich so mancher Klischees, wie dem Münchner "WG-Zwang", wegen der enormen Mieten oder der reichen Familie, der Ansehen wichtiger ist, als das Gesetz, aber sie schafft es, neben der Protagonistin, jeder handelnden Person einen typischen Charakter zuzuweisen, der es dem Leser einen Lesefluss ohne großen Wiedererkennungszwang ermöglicht. Aber hier ist die Positivbilanz dieses Buches auch schon erschöpft.

Können Sie um die Ecke sehen?

Das ganze Geschehen fußt auf der letzten Begegnung Mias mit Berna Kiening. Anders als sonst, wird Mia schon an der Haustür abgepasst, gelangt nicht ins Haus. Frau Kiening wirkt geschwächt und benommen, lehnt aber jede Hilfe ab, besteht nur darauf, dass Mia auch nachmittags den Hund ausführt. Nebenbei bemerkt sie, dass sie Besuch hat und einen Streit mit ihrem Neffen Niko. Nachdem Mia die ermordete Berna Kiening gefunden hat, wird schnell klar, dass die Szene an der Haustür im Beisein des verborgenen Mörders stattgefunden hat.

Aber, ein verborgener Mörder ist eben verborgen, nicht sichtbar! Wie kann er sich dann so bedroht fühlen, dass er Mia aus dem Weg schaffen muss? Ich kann jedenfalls nicht um die Ecke sehen und habe auch keinen Röntgenblick und Mia ganz offensichtlich auch nicht. Warum sie dann töten? Nachdem Mia die Auseinandersetzung zwischen Berna Kiening und Niko zu Protokoll gegeben hat, ist dieser der Hauptverdächtige.

Verdächtiger kann er durch die Angriffe auf Mia nicht werden. Im Gegenteil, wenn er ein Alibi vorweisen könnte, wäre er aus dem Schneider. Wenn Niko es nicht war, wer war es dann, und warum lässt er nicht einfach Niko über die Klinge springen? Das Buch wäre zwar nur ein paar Seiten dick, wenn nach dem Mord und der Festnahme des Hauptverdächtigen nichts mehr geschehen würde, aber wesentlich logischer. Der Mörder, wie vom letzten Gast gewollt, ist überführt - Ziel erreicht.

Logik - was ist das denn?

Aber das ist nicht der einzige Stolperstein, der beim Leser Stirnrunzeln und Kopfschütteln verursacht. In der ganzen Geschichte gibt es nur wenige Momente, die realistisch und entspannend für Gesichts- und Nackenmuskulatur sind. Schade, sind die handelnden Personen doch so gut getroffen. Es geht schon damit los, dass Mia den Überfall von Seite vier nicht der Polizei meldet. Egal, was Berna Kiening auch sagt, jetzt hat sie doch eine Zeugin, dass sie nicht unzurechnungsfähig ist, wie ihre Familie behauptet.

Es wird auch nicht realistischer, wenn die snobistische Unternehmerfamilie den mordverdächtigen, machthungrigen Spross versteckt und Familienehre über Gesetz und Justiz stellt. Wenn dann die Hauptzeugin zum Abendessen von eben dieser Familie mit eben diesem Hauptverdächtigen geladen wird (und das mehrmals), sie dann auch noch hin geht und es nicht der Polizei meldet (und das mehrmals), schüttelt der Leser nicht nur den Kopf, sondern schaltet im besten Fall nur ab, liest aber weiter oder legt im schlechteren Fall, das Buch ganz aus der Hand.

Wer weiter liest kann sich dann auch weiter an der verqueren Logik der Autorin ergötzen oder vor ihr erschauern. Ein verschwundener Ring der Toten taucht auf und wieder wird die Polizei nicht sofort informiert, jemand enttarnt den Mörder nur aufgrund von zwei niedergeschriebenen Bemerkungen, die vielen Zufälle, die zum "Gelingen" des Mordes beigetragen haben...

Mia, die ewig Grübelnde - oder wie man Seiten schindet

Es ist verständlich, dass sich die Gedanken nach einem dramatischen Erlebnis drehen. Aber muss das auf gefühlten 150 von 373 Seiten sein? Zuerst lässt der tätliche Angriff im Hause Kiening Mia keine Ruhe. Immer wieder grübelt sie über das Wer und Warum nach. Es raubt ihr den Schlaf. Ja Mädel, dann geh doch zur Polizei, bring alles ans Licht! Die Unterstellung der Unglaubwürdigkeit Frau Kienings wäre vom Tisch, die Polizei würde ermitteln und du könntest wieder schlafen.

Die zweite, noch länger andauernde Grübel-Phase erleidet Mia nach dem Tod von Berna Kiening. Ständig und in scheinbarer Endlosschleife fragt sie sich, warum sie nicht erkannt hat, dass Frau Kiening in Gefahr war. Das ist nachvollziehbar, aber dennoch schleicht sich beim Leser das Gefühl ein, dass alles Grübeln nicht zum Fortschreiten der Handlung, sondern lediglich zu ein paar mehr Seiten Buchumfang führt. Neben Logikfehlern, die zu mehr Handlung führen, auch ein Mittel die Seitenzahl zu erhöhen.

Gute Lektoren können Bücher retten

Ich bin immer davon ausgegangen, dass Lektoren Manuskripte auf Logik, Orthografie und Schreibstil überprüfen und gute Lektoren Abhilfe bei Mängeln schaffen. Scheinbar war der Lektor hier nicht so fleissig. Wenn man das Buch liest, hat man vor allem am Anfang das Gefühl ein Erstlingswerk vor sich zu haben. Zu viele Details, zu viele Nebensätze.

"In der Geschwindigkeit, die ihr die Krankheit aufzwang, bewegte sie sich zurück zum Bett, ließ sich mit einem Stöhnen auf die Kante sinken und robbte sich dann Richtung Kopfende, um sich anzulehnen und die Beine hochzulegen."

"Ich willigte ein und befürchtete schon, er würde gleich wieder gehen, als er einen so sehnsüchtigen Blick auf die Schüssel mit Spaghetti warf, dass Charlotte auf den Stuhl neben sich deutete und meinte, für ein schnelles Essen habe er doch sicher noch Zeit".

Das legt sich zwar im Laufe der Geschichte, aber eigentlich sollte man von einer Autorin, die schon sechs Bücher veröffentlicht hat, von Beginn an einen weniger holprigen Schreibstil erwarten oder zumindest einen Lektor, der sie auf die Mängel hinweist. Genauso, wie auf die fehlende Logik.

Eine Enttäuschung ohne Kaufempfehlung

Kriminalromane sind Unterhaltungsliteratur, die intellektuell sein können, aber nicht müssen. Was sie aber sein müssen ist gut und flüssig geschrieben mit einem Plot, der den Leser fesselt und, der in sich schlüssig ist. Alles das hat dieses Buch nicht. "Der letzte Gast" ist eine Enttäuschung auf der ganzen Linie. Schlechter Stil, unglaubwürdiger Plot und endlose Wiederholungen machen die Lektüre dieses Buches zur Qual, die man nur mit viel gutem Willen bis zum Ende durchhalten kann.

Der letzte Gast

Sabine Kornbichler, Piper

Der letzte Gast

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