Die Mafia in Prag
- Deuticke
- Erschienen: Januar 2014
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- Brünn: Druhé mesto, 2011, Titel: 'Mafie v Praze', Originalsprache
- Wien: Deuticke, 2014, Seiten: 320, Übersetzt: Eva Profousová
Der Innenminister hat soeben die Todesstrafe eingeführt.
Darek Balik hat als führender Lobbyist über viele Jahre ein gutes Leben geführt. Er verkaufte "Eintrittskarten"; Gespräche und Kontakte mit den Mächtigen des Landes. Er sammelte Informationen über das organisierte Verbrechen und beantragte nach zwei missglückten Mordanschlägen die Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm. Seitdem wird er rund um die Uhr bewacht, genießt zu viel Rotwein und fürchtet, eines Tages aus dem Programm entlassen zu werden, was seinen sicheren Tod bedeuten würde. Die kroatische sowie die russische Mafia in Böhmen hat er sich zum Feind gemacht, mächtige Gegner warten nur auf eine Gelegenheit, ihn von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Zu allem Überfluss hat er auch belastendes Material über hochrangige Politiker gesammelt und so überrascht es kaum, das plötzlich der Innenminister persönlich veranlasst, von jetzt auf gleich Balik aus dem Zeugenschutzprogramm herauszunehmen und ihn damit zum Abschuss freizugeben.
"Der Leiter der Abteilung Organisiertes Verbrechen wird vom Leiter der Antikorruptionseinheit gejagt? Habe ich das richtig verstanden?"
"Ihren naiven Glauben an Zusammenhalt zwischen den tschechischen Polizeieinheiten finde ich rührend, Herr Redakteur."
Ein Oberst aus der Abteilung für organisierte Verbrechen versucht Balik ebenso zu helfen wie die Verantwortlichen der meistgelesenen Zeitung "MF NDES" der Tschechischen Republik. Ein aussichtsloser Kampf gegen schier unüberwindliche Hürden...
Ein verbal brachiales Feuerwerk gegen korrupte Politiker.
Im Hintergrund tobt der Kampf um ein zweieinhalb Millionen Quadratmeter großes, noch unbebautes Gelände im elften Prager Bezirk. Die russische Mafia, die kroatische Mafia, der Bürgermeister von Prag 11 ebenso wie der Innenminister und der stellvertretende Verteidigungsminister; sie alle wollen nur ein möglichst großes Stück vom Kuchen abhaben. Vor diesem Hintergrund gelang Michal Viewegh unter Mithilfe des Enthüllungsjournalisten Jaroslav Kmenta ein ebenso grandioser wie verstörender Roman. Man muss es betonen: Die Mafia in Prag ist ein Roman!
"Solange man denjenigen kennt, der die Ermittlungen stoppen kann, braucht man sich nicht um Fingerabdrücke oder DNA-Spuren kümmern. Man sagt zwar, vollkommene Verbrechen gebe es nicht, der Täter mache immer Fehler – so stimmte das aber nicht. Natürlich gab es perfekte Verbrechen. Ein perfektes Verbrechen war eines, das überhaupt nicht untersucht wurde."
Gleichwohl bedient sich Viewegh an authentischem Material, reißt dieses – wie er in seiner Anmerkung verdeutlicht – immer wieder auseinander und bastelt eine Collage. Der dadurch entstehende Erzählstil ist gewöhnungsbedürftig, wirkt teilweise etwas abgehackt. Die wenigen Guten gegen die vielen Bösen; Wahrheit vermischt sich mit erzählerischer Fiktion.
"In einem amerikanischen Film wird den sympathischen Detektiven der Fall von einem unsympathischen FBI-Idioten weggenommen; entweder lösen die Detektive den Fall allein, oder es stellt sich heraus, dass der angebliche Idiot ebenfalls ein sympathischer Kerl ist, und sie lösen den Fall gemeinsam. In Böhmen wird den Detektiven der Fall von einem korrumpierten Idioten aus dem Ministerium weggenommen, das ohnehin die Detektive lieber mit Fällen von Auto- oder Antiquitätendiebstahl beauftragt; es wird nichts gelöst, und jeder wird zum Idioten."
Doch wäre das wahre Prag tatsächlich so korrupt und skrupellos, man müsste sich ernsthafte Sorgen um die Gesundheit des Autors machen. Permanent stichelt er verbal mit ätzender Säure gegen die Verantwortlichen, denen alles egal zu sein scheint, Hauptsache die nächste superteure Armbanduhr wird finanziert. Ein Fußballspiel gekauft und trotzdem verloren; Dumm gelaufen, muss wohl ein andere mehr gezahlt haben. Da wundert es denn kaum, dass zum Finale die Gewaltspirale aus den Fugen gerät und alle in einen gewaltigen Abwärtssog gerissen werden. Auch wenn man Die Mafia in Prag als "Lehrbuch für Politikverdrossene" werten könnte, der Autor die Sprache als Waffe – mal Säbel, mal Florett – nutzt, so stimmen zumindest die letzten Zeilen ein wenig hoffnungsfroh; käme da nicht noch der Epilog.
Aber Die Mafia in Prag ist ja glücklicherweise nur ein Roman.
Michal Viewegh, Deuticke
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