Der Seelensammler
- Piper
- Erschienen: Januar 2012
- 6
- Mailand: Longanesi, 2011, Titel: 'Il tribunale delle anime', Seiten: 462, Originalsprache
- München; Zürich: Piper, 2012, Seiten: 465, Übersetzt: Christiane Burkhardt
Killer und Priester im dramatischen Wettlauf
In einer vornehmen Villa finden Rettungskräfte einen Mann mit einem Herzinfarkt vor, dem es zuvor noch gelang, selbst einen Notruf abzusetzen. Zum Team gehört die junge Monica, die auf der Brust des Mannes eine seltsame Tätowierung findet. "Töte mich". Im Wohnzimmer der Villa befinden sich Gegenstände, die zu jungen Frauen gehören, die entführt und getötet wurden. Eine von ihnen war Monicas Zwillingsschwester, die im Alter von 21 Jahren umgebracht wurde - die Ärztin erkennt sofort den Rollschuh ihrer Schwester wieder. Dennoch rettet das Team den Mann, bei dem es sich offenbar um den gesuchten Serienmörder handelt. Zeitgleich ist eine weitere junge Frau verschwunden – und die Polizei wartet dringend auf Antworten des Koma-Patienten. In die Ermittlungen wird eine junge Kommissarin eingeschaltet, deren Mann unter mysteriösen Umständen ums Leben kam. Und dann ist da noch ein junger Priester, der sein Gedächtnis verloren hat, der aber im Auftrag einer geheimnisvollen Organisation ebenfalls in den Mordfällen ermittelt. Es gibt weitere Tote, und der – oder die – Killer scheinen immer eine Schritt voraus zu sein.
Donato Carrisi hat mit seinem neuen Roman Der Seelensammler einen höchst ungewöhnlichen Thriller geschrieben, der vom üblichen Erzählschema deutlich abweicht. Er erzählt eine ziemlich chaotische Geschichte, die bei der Lektüre sofort volle Aufmerksamkeit vom Leser fordert. Es gibt mehrere Handlungsebenen und verschiedene Protagonisten, die man zunächst sortieren muss. Das fällt trotz der Zeitangaben des Autors nicht ganz leicht, macht den Roman allerdings auch durchaus reizvoll. Wer allerdings Wert auf einen roten Faden legt, dem er bei der Lektüre von Beginn an folgen kann, wird an diesem Buch wenig Gefallen finden.
Die verschiedenen Geschichten, die der Autor hier präsentiert, werden zunächst parallel erzählt, und erst im Laufe der Zeit werden die Handlungsebenen lose und später immer enger miteinander verknüpft. Die zeitlichen Rückblenden und willkürlich anmutenden Ortswechsel irritieren den Leser zuweilen, und auch der Schreib- und Erzählstil von Donato Carrisi ist eher schwer verdaulich. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird mit ständig steigender Spannung belohnt, die in Spiralen immer weiter hochgeschraubt wird. Der Leser wird förmlich von der rätselhaften Geschichte gefesselt, denn die verschiedenen Protagonisten sorgen immer wieder für neue Überraschungen. Mit jeder Enthüllung wird ein neuer Mosaikstein sichtbar, aber erst mit dem dynamischen und höchst ungewöhnlichen Finale wird der Blick auf die ganzen Zusammenhänge frei.
Es handelt sich keineswegs um einen Thriller mit reichlich Action, sondern vielmehr um einen Kriminalroman, der auf Ermittlungsarbeit und akribischer Polizeiarbeit aufgebaut ist – auch wenn die Ermittler nicht immer Polizisten sind. Man kann jedoch davon ausgehen, dass dieses Buch Leser und Kritiker gleichermaßen spalten wird. Für die einen ist der Plot zu wirr und unglaubwürdig, die anderen werden in dem Roman ein innovatives Konzept sehen. Das ist ein Stück weit vom persönlichen Geschmack abhängig. Ich neige zur zweiten Ansicht. Es gibt sicher einige Kritikpunkte an der Geschichte, die wahrlich nicht einfach zu durchschauen und zu lesen ist, aber der Unterhaltungswert ist doch enorm, und das gibt für mich den Ausschlag. Leser und Ermittler brauchen ziemlich lange, um die viele Fakten sinnvoll zu verknüpfen, aber das gesamte Konzept hat mich schließlich überzeugt. Und spätestens ab der Mitte des Buches ist es so spannend, dass man die Lektüre kaum noch unterbrechen möchte. Also trotz einiger Punktabzüge auf alle Fälle ein sehr gutes und lesenswertes Buch.
Donato Carrisi, Piper
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