Wenn wir uns wiedersehen
- Heyne
- Erschienen: Januar 1999
- 27
- München: Heyne, 1999, Seiten: 375, Übersetzt: Karin Dufner
- München: Heyne, 2000, Seiten: 4, Übersetzt: Ingrid van Bergen, Bemerkung: gekürzt
- München: Heyne, 2001, Seiten: 461, Bemerkung: Großdruck
- München: Heyne, 2005, Seiten: 364
- Köln: Random House Audio, 2006, Seiten: 4, Übersetzt: Ingrid van Bergen, Bemerkung: gekürzt
Spannung trotz Schema F
Ich habe vor einigen Jahren schon einige der Romane von Mary Higgins Clark gelesen und mich sehr daran gestört, dass alle ihre Bücher nach dem gleichen Schema geschrieben sind. Ein gut gemachter Spannungsaufbau führt auf ein furioses unglaubhaftes Finale zu, bei dem plötzlich verschiedene Leute aus völlig verschiedenen Richtungen mit einem Mal zur Lösung des Falles kommen. Deshalb bin ich an das vorliegende Buch "Wenn wir uns wiedersehen", eines der neueren Werke der Autorin, mit einer gehörigen Portion Skepsis herangegangen.
Die 26 Jahre alte Molly Carpenter Lasch wird des Mordes an ihrem Ehemann, dem Arzt Gary Lasch, Leiter der Lasch-Kinik, angeklagt. Alle Indizien sprechen gegen sie. Gary Lasch wurde mit zertrümmertem Schädel in seinem Arbeitszimmer vorgefunden. Die Haushälterin Edna Barry fand Molly von oben bis unten mit dem Blut ihres Mannes besudelt schlafend in ihrem Bett vor und auf der Mordwaffe, einer Bronzeskulptur, fanden sich Mollys Fingerabdrücke. Und das Ganze geschah, kurz nachdem Molly vom Verhältnis ihres Mannes zu Annamarie Scalli, einer der Krankenschwestern der Lasch-Klinik, erfahren hatte. Doch Molly kann sich an nichts erinnern, was an dem Abend geschah, nachdem sie ihr Haus betreten hatte. Unter der Last der Beweise bleibt ihrem Anwalt Philip Matthews nichts anderes übrig, seiner Mandantin zu raten, sich des Totschlags schuldig zu bekennen, um einer lebenslänglichen Haftstrafe zu entgehen. So kam sie mit zehn Jahren davon, von denen sie fünfeinhalb absitzen musste, bevor sie auf Bewährung entlassen wurde.
Nun will sie mit Hilfe einer Schulfreundin, Fran Simmons, alles daransetzten, aufzuklären, was wirklich damals geschah, denn sie ist überzeugt davon, dass sie ihren Mann nicht umgebracht hat. Fran ist Reporterin des Nachrichtensenders NAF und verantwortlich für die Sendreihe "Wahre Verbrechen". ´Sie hatte die Stadt damals nach dem Selbstmord ihres Vaters, der 400.000 Dollar unterschlagen hatte, verlassen und ist erst kürzlich wieder zurückgekehrt. Fest entschlossen, Mollys Fall zu einem Thema ihrer Sendung zu machen, beginnt sie, den Fall noch einmal aufzurollen und in der Lasch-Klink sowie in Mollys Freundeskreis Ermittlungen anzustellen.
Dabei fällt ihr besonderer Augenmerk auf Peter Black und Calvin Whitehall, die Geschäftspartner von Gary Lasch, die jetzt gemeinsam die Klinik leiten und Angst um ein kurz bevorstehendes Geschäft haben, wenn der Fall von damals wieder an die Öffentlichkeit gerät. Doch auch die Haushälterin Edna Barry scheint etwas zu verbergen zu haben.
Doch auch Molly selbst ist nicht untätig und macht derweil Annamarie Scalli, Garys damalige Geliebte, ausfindig und vereinbart ein Treffen mit ihr in einem abgelegenen Lokal. Bei diesem Treffen erfährt sie einige neue Aspekte, doch als sie nach Hause zurückkommt, erfährt sie, dass Annamarie auf dem Parkplatz vor dem Lokal erstochen aufgefunden wurde. Die Fakten scheinen eindeutig, und Molly steht eine erneute Mordanklage kurz bevor.
Auch in "Wenn wir uns wiedersehen" ist ganz eindeutig die Handschrift von Mary Higgins Clark zu erkennen. In 94 kleinen Kapitelchen auf 374 Seiten serviert sie dem Leser wieder einen kurzweiligen Kriminalfall. Durch viele Szenenwechsel versteht sie es geschickt, die Spannung auf konstant hohem Niveau zu halten, obwohl der Leser doch vieles vorhersehen kann. Trotz der vielen Vedächtigen, die sie dem Leser bietet, verrät sie aber doch schon sehr vieles im Voraus, so daß das Mitraten sehr beschränkt bleibt. Wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört, ist größtenteils doch schon ziemlich schnell zu erkennen, doch eine Überraschung hat die Autorin am Ende noch in petto. Dies ist jedoch nicht unbedingt als Kritikpunkt zu sehen. Der Leser ist den Protagonisten zwar immer einen Schritt voraus, die wirklichen Zusammenhängen bleiben jedoch auch für ihn weitgehend verborgen.
Obgleich nicht auf hohem schriftstellerischem Niveau geschrieben, leben die Romane der Autorin von diesem ihrem üblichen Schreibstil, durch den der Leser immer wieder animiert wird, noch ein weiteres dieser kleinen Kapitel zu lesen, um wieder zur Handlung der vorigen Szene zurück zu kommen. Der Clark-übliche furiose Showdown, den ich bereits in meiner Einleitung beschrieben habe, ist wie immer viel zu dick aufgetragen, doch in Punkto Spannung überaus wirksam. Sehr viel direkte Rede, kurze Sätze und das Fehlen von ausschweifenden Beschreibungen machen das Buch überaus leicht lesbar
Die Charaktere von Mary Higgins Clark wirken wieder sehr farblos. Man versucht zwar, selber nach einem Ausweg für Molly Ausschau zu halten, doch so richtig mitleiden mit ihr vermag man nicht. Den realistischsten Eindruck vermittelt die Autorin im Charakter der Reporterin Fran Simmons. Ehrgeizig geht sie zu Werke, mit einer optimistischen Grundeinstellung, doch dabei bedrückt durch die immer wieder auftauchende Vergangenheit mit dem Selbstmord ihres Vaters. Die "Bösewichter" dagegen sind in typisch amerikanischer Krimimanier doch sehr stereotyp als Fieslinge geschildertund bleiben fast ohne positive Züge. Der Anwalt Philip Matthews hätte eine tragendere Rolle verdient gehabt, doch wurde er zu Beginn des Buches zu sehr vernachlässigt und kommt erst auf den letzten Seiten so richtig zum Zuge.
Nun darf man, wenn man ihre früheren Romane kennt, von der Autorin nicht unbedingt eine sehr realistische, aber eine zumindest noch glaubhafte Handlung erwarten. Der erfahrene Leser erkennt recht schnell, dass jede Nebenhandlung, die scheinbar unabhängig ist, irgendwann noch ins Spiel gebracht werden wird und kann sich von daher schon so einiges zusammenreimen.
Auch "Wenn wir uns wiedersehen" ist ein Clark-typischer Schema-F-Krimi, doch ist er zweifelsohne einer ihrer besten. Obwohl der Roman einige grundlegende Schwächen hat, ist er mir aufgrund seines guten Unterhaltungswerts noch 68 Grad wert.
Mary Higgins Clark, Heyne
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