Mark Griffin

04.2019 Nicole Goersch im Gespräch mit Mark Griffin über sein Debüt "Dark Call".

Ich war schon immer von der dunklen Seite des Menschen fasziniert, und von der Frage, was Leute dazu verleitet, furchtbare Taten zu begehen.

Krimi-Couch:
Wo haben Sie ihre detaillierten Kenntnisse bezüglich der Profil-Erstellung erworben? Und wie lange haben Sie sich einarbeiten müssen, bis sie Ihren Roman beginnen konnten??

Mark Griffin:
Ich war schon immer von der dunklen Seite des Menschen fasziniert, und von der Frage, was Leute dazu verleitet, furchtbare Taten zu begehen. An einen Großteil meines Wissens bin ich durch Internet-Recherchen über Serienmörder und deren Motivation, Vorgehensweisen und individuelle Besonderheiten gelangt. Außerdem bin ich im Besitz einer recht umfangreichen Sammlung von Büchern über Profiling und Psychiatrie, von John Douglas’ und Mark Olshakers Die Seele des Mörders, bis hin zu Werken über Geisteskrankheit seit dem 18. Jahrhundert bis heute.

Ich finde, je mehr man recherchiert, desto besser ist man gewappnet, für eine Romanfigur ein Profil zu entwerfen. Die meisten von uns haben eine Reihe simpler Leidenschaften, denen sie nachgehen: Kochen, Angeln, Kartenspielen, Fernsehen ... Ein Mörder hat eben die Leidenschaft zu töten, und diese Leidenschaft muss von etwas motiviert sein, das ihn so weit getrieben hat.    

Krimi-Couch:
Mit welcher Figur können Sie sich eher identifizieren? Holly oder Bishop??

Marc Griffin:
Eine gute Frage. Ich muss sagen, dass ich mich mit beiden hundertprozentig identifiziere. Allerdings identifiziere ich mich mit allen Figuren, die ich schreibe, hundertprozentig, denn in allen steckt ein Teil von mir. Ich liebe Holly und Bishop und ihre unverbindliche Dynamik. Beide sind verletzt worden und suchen nach etwas,  um ihre innere Leere zu füllen. Die Frage ist, ob sie sich je genug werden öffnen können, um es im jeweils anderen zu finden. Dabei geht es um Intuition und Vertrauen. Ich folge ihnen einfach auf dieser Reise. 

Krimi-Couch:
Ist eine Verfilmung des Buches geplant??

Marc Griffin:
Eine Verfilmung oder eine Serie würde mich sehr freuen. Mit Deutschland als Schauplatz wäre das großartig. Ich finde, dem Fernsehen fehlen nach wie vor starke weibliche Hauptrollen. 

Krimi-Couch:
Was hat sie dazu bewogen, nach England zurückzukehren und wieso wenden Sie sich jetzt dem Thriller als Genre zu??

Mark Griffin:
Thriller und Krimis, von Peter James bis Agatha Christie, haben mich immer schon gepackt. In diesem Genre zu schreiben geht mir dementsprechend leicht von der Hand. Die Idee zu Dark Call hatte ich aber erst nach meiner Rückkehr nach England. Vorher hatte ich vierzehn Jahre lang als Schauspieler und Drehbuchautor in Los Angeles gearbeitet, und kürzlich eine Scheidung hinter mir, als ich ein Rollenangebot aus England bekam. Das fühlte sich nach dem richtigen Zeitpunkt für einen Umzug an.

Ich bin froh, dass ich das gemacht habe. Seitdem habe ich in London viel Theater spielen können, was ich liebe, und so hatte ich auch die Möglichkeit, diesen Roman zu schreiben. Wäre ich in L.A. geblieben, hätte sich die Chance vielleicht nie ergeben und Holly Wakefield würde immer noch unentdeckt irgendwo in den hintersten Winkeln meiner Vorstellungskraft hocken. 

Krimi-Couch:
Wann ist Ihnen die Idee zu dem Buch gekommen? Gibt es reale Vorbilder für ihre Figuren??

Mark Griffin:
Ich hatte schon jahrelang mit der Idee gespielt, ein klassisches Krimistück im Guerrillatheater-Stil zu schreiben. Es sollte Holly Bell is Missing heißen und von einer Journalistin handeln, die einem Serienmörder auf der Spur ist und plötzlich verschwindet. Das entwickelte sich dann weiter zu einem Drehbuch mit dem Titel The Neverfind – da war “Holly Bell” schon zu “Holly Wakefield” geworden und keine Journalistin mehr, sondern forensische Psychologin, die von der Londoner Polizei um Hilfe bei der Suche nach einem Serienmörder gebeten wird.

Im Februar 2016 erwähnte meine Mutter mir gegenüber einen Roman-Wettbewerb, gesponsert von einer britischen Tageszeitung, gemeinsam mit dem Verlag Random House, sie suchten “die nächste Agatha Christie”. Ich habe mich an etwas kreativer Umdisponierung versucht, acht Seiten des Drehbuchs in die geforderten ersten 5000 Wörter eines Romans verwandelt, einen Literaturagenten gefunden, den Roman beendet, und das ist schon die ganze Geschichte - grob vereinfacht, aber was soll’s.

Was Vorbilder angeht: ich habe mich immer schon von starken Frauen inspirieren lassen. Meine Mutter und meine Schwester haben mich beim Heranwachsen am meisten geprägt. Ich glaube, Holly ist eine Art der Wertschätzung und ein Dankeschön an sie beide.  

Krimi-Couch:
Es sieht so aus, als wäre dieses Buch der Auftakt einer Serie. Haben Sie schon weitere Ideen im Kopf oder eventuell bereits angefangen mit dem zweiten Teil?

Mark Griffin:
Das zweite Buch ist schon geschrieben. Es befindet sich zurzeit im Lektorat. Der Arbeitstitel lautet When Angels Sleep – das kann sich aber noch ändern. Es geht weiter mit Holly und Bishop. Diesmal suchen sie einen Kindermörder, der die Leichen im Wald zurücklässt.

Krimi-Couch:
Warum spielt der Roman in England?

Mark Griffin:
Ich habe nie daran gedacht, ihn irgendwo anders anzusiedeln. Da ich einen großen Teil meines Lebens in London und Umgebung verbracht habe, bin ich damit gut vertraut.

Krimi-Couch:
Haben Sie feste Schreibzeiten? Wie haben Sie sich ihren Alltag eingeteilt?

Mark Griffin:
Das hängt davon ab, wie weit ich mit einem Buch bin. In der Regel versuche ich, eine Routine einzuhalten: aufstehen, Kaffee, Fitnessstudio, dann zurück nach Hause zum Frühstück, sodass ich zwischen 8:30 und 9 Uhr mit dem Schreiben anfangen kann. Festgelegte Schreibzeiten habe ich nicht. Ich setze mich einfach dran und schaue, was passiert.

Manchmal bewege ich mich stundenlang nicht aus meinem Stuhl weg, manchmal werde ich in meinem Büro hibbelig und suche mir ein Café in der Stadt, für einen kleinen Tapetenwechsel. Ich habe wirklich Glück, denn ich bin jemand, der sowohl in der häuslichen Ruhe als auch mit einer chaotischen Geräuschkulisse arbeiten kann, wie man sie in einem gut besuchten Café oder Restaurant nun einmal hat. Hintergrundgeräusche zwingen mich zur Konzentration und dann verliere ich mich in dem, was ich schreibe, so als würde ich in völliger Stille arbeiten.

Wenn die Deadline näher rückt, ist das mit den Arbeitszeiten sowieso vorbei. Dann schreibe ich, bis ich fertig bin. Ich sitze an meinem Macbook, bis der Bildschirm vor meinen Augen verschwimmt, versuche zu schlafen, bin um 2 Uhr nachts wieder wach und schreibe bis morgens um 9 Uhr weiter, versuche wieder zu schlafen und arbeite dann weiter, bis ich wieder schlafen muss. Das in Endlosschleife. Es ist ziemlich heftig - und tut dem Sozialleben nicht unbedingt gut, aber so bekomme ich die Arbeit getan.

Krimi-Couch:
Wie wichtig ist Ihnen der Kontakt zu den Lesern? Gibt es kuriose Fragen, die Ihnen schon mal gestellt wurden?

Mark Griffin:
Ich bin ganz schlecht, was soziale Medien angeht. Sowohl mein Schauspiel-Agent als auch mein Verleger sagen mir ständig: “Komm schon! Schreib mal ‘nen Tweet! Poste was auf Instagram!” Mir ist das alles irgendwie zuwider. Wenn mir jemand eine Nachricht schreibt, beantworte ich sie allerdings immer, auch wenn ich manchmal mehrere Monate brauche, um sie wiederzufinden.

Letztens bin ich auf einen Geburtstagsgruß von 2015 gestoßen. Was kuriose Fragen angeht: bislang keine. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt...

Das Interview führte Nicole Goersch im April 2019.
Übersetzt aus dem Englischen von Yannic Niehr.
Foto: © Gareth Davies

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