Krimi-Hörspiele:
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"Der Tod des schwarzen Witwers"

Spoilert der HR-Radio-Tatort?

„Der Tod des schwarzen Witwers“ heißt die neueste Folge des Radio Tatort, produziert vom Hessischen Rundfunk und im Mai 2022 erschienen.  Es ist die 5. Folge mit dem Kommissar Haas und seinem Assistenten Taschenmacher sowie den beiden Damen Rettich und Felsenstein im Büro, die für den ausgeprägt hessischen Charakter des Hörspiels zuständig sind. Autor ist der literarisch anerkannte, wenngleich nicht unumstrittene, Frankfurter Martin Mosebach, der sonst keine Krimis schreibt.

Inhalt

In Frankfurt-Zeilsheim, einem eher ruhigen Vorort, wird ein älterer Mann brutal ermordet. Die Vermieter, die ihn, zurück aus einem Urlaub, auffinden schildern ihn als einen wohlhabenden, zwar freundlichen, aber doch sehr zurückhaltenden Mann. Er sei nach dem Tod seiner Frau zu ihnen gezogen. Mangels Spuren fahnden Hass und Taschenmacher im Leben des Toten. Ein ehemaliger Arbeitskollege schildert ihn als liebevollen Ehemann und erfolgreichen Mitarbeiter, der sich immer um seine Frauen gekümmert hat. Seine Frauen?

Tatsächlich hat der Tote bereits mehrere Ehen mit schwerstkranken Frauen hinter sich und jeweils Vermögen geerbt. Immer hat er sich intensiv um seine Partnerinnen gekümmert, es gab nie Hinweise auf eine vorsätzliche Tat. Gab es neidische Verwandte? Die Kommissare ergründen die verschiedenen Ehen und treffen auf eine eifersüchtige Freundin, die um ihren Erbteil gebracht wurde. Verdächtig ist auch die Familie der letzten Ehefrau. Sie leben in den Niederlanden und sind ebenfalls durch die letzte Ehe um ihren Erbteil gebracht worden. Ja und dann gibt es noch den Obdachlosen, der in der Nähe des Tatorts erwischt wurde. Verdächtige gibt es genug, aber gelingt es dem Team, einen Mord nachzuweisen?

Das Kommissariat

Die Tatortfolgen des HR leben von Charakterköpfen als Kopf des Teams. Fans trauern noch heute dem Vorgänger Nebe nach. Die Rollen wurden mit Sebastian Blomberg (Nebe) und Felix von Manteuffel (Haas) mit absoluten Spitzensprechern besetzt. In dieser Episode steht Haass etwas mehr im Hintergrund und sein Assistent Taschenmacher leistet die Hauptermittlungsarbeit. Er gewinnt dadurch für den Hörer in seiner Arbeit und als Privatperson (eine kleine Verliebtheit) an Kontur. Möglicherweise zeichnet sich da eine veränderte Konstellation ab.

Zum Team gehören auch die beiden Bürokräfte Rettich und Felsenstein. Eigentlich sind sie sogar die Erzählerinnen der Handlung. Denn das Hörspiel besteht aus Rückblicken dessen, was sich die beiden Damen erzählen. Und sie ratschen jede Menge übers Leben im Büro auf Hessisch. Das ist sicher nicht jedermanns Geschmack, hat aber doch einen gewissen Wiedererkennungseffekt wie die Sprüche vom Latotzke beim WDR oder das „Okay“ vom Charlie bei Paul Temple. Ist bescheuert, aber man wartet drauf.

Die Story

Es ist schade, dass der Titel des Hörspiels spoilert. Tatsächlich erfährt der Hörer erst spät, dass der Tote ein schwarzer Witwer ist. Aber es geht dem Hörspiel weniger darum, wer der Täter ist, sondern um das warum.

Dabei gelingen Autor und Regie wunderbare Szenen: Der geniale Sprecher Martin Brombach als ehemaliger Arbeitskollege zeichnet ein sehr sympathisches Bild des Toten, der sich für seine Ehefrauen aufgibt und das so gar nicht zum Bild des Erbschleichers passen will. Oder die niederländische Tochter der letzten Ehefrau, die zart und verletzlich ein hartes Leben bewältigt und dem Taschenmacher den Kopf verdreht. Verdächtig ist auch die enge Freundin einer der Ehefrauen, der ein fest versprochener Erbteil abhandengekommen ist. Sie hat den Toten sogar verfolgt.

Klammheimlich erzählt das Hörspiel eine Reihe von Liebesgeschichten: Das jahrzehntelang verheiratete Ehepaar, das den Toten findet. Die Liebe des Toten zu seinen schwerkranken Frauen, die Verliebtheit von Taschenmacher, die auch ein wenig blind macht.

Die Handlung wird ruhig erzählt, manchmal mit ironisch wirkender Musik unterlegt. Vom Obdachlosen bis zum Businessman kommen spannende Charaktere vor. Ein Ausflug in die Niederlande gibt noch ein wenig internationales Flair.

Leider ist das alles nicht wirklich spannend und zügig inszeniert und gehört eher in die Gattung Cosy-Crime. Etwas zu viel Literatur und zu wenig Krimi. Warum rutschen Regionalkrimis so schnell ins Seichte ab?

Fazit

Ein solider Tatort-Krimi mit einigen Highlights aber auch Schwächen. Eher nicht kultig.

Couch-Wertung: 75°

In der ARD-Mediathek

"Böses Ende"

Ein frühes Highlight von Sven Stricker

Sven Stricker hat sich nach vielen Jahren als Regisseur einen Rang als der derzeit erfolgreichste Kriminalhörspielautor erarbeitet. Seine drei Hörspiele um den Kommissar Sörensen, gesprochen von Bjarne Mädel, sind hochgelobt und allseits beliebt. Am 29.04.2022 wurde ein älteres Werk aus dem Jahr 2011 von Audio-To-Go erneut veröffentlicht. Bereits damals hat Bjarne Mädel eine der beiden Hauptrollen gespielt. Obwohl das Hörspiel noch 2018 einen Preis bei RBB Brandenburg erhielt, hat wohl die Einordnung in das Genre Krimi-Komödie eine erfolgreiche Verbreitung verhindert.

Inhalt

Kuli hat seinen ersten Arbeitstag im Call-Center in Berlin. Die einzige Unterstützung, die er braucht, bekommt er ausgerechnet von Paul, dessen Devise lautet: Ich such keinen Kontakt. Zufällig belauschen die beiden den Dialog einer Kundin, die offenbar vergessen hat, aufzulegen: Aus einem lauten Gespräch wird dort ein handfester Streit, der mit Lärm und Geschrei endet. Die beiden haben das Gefühl, dort wurde eine Frau von ihrem gewalttätigen Mann verprügelt. Sie notieren die Telefonnummer, erfahren schnell Name und Adresse und begeben sich dorthin. Finden aber eine Frauenleiche.

Aus Angst beschuldigt zu werden, begeben sich die beiden als Amateurdetektive auf Spurensuche. Gemeinsam mit einer Partnerin betrieb die unbescholtene Tote einen harmlosen Blumenladen. Allerdings war sie die heimliche Geliebte des Bürgermeisterkandidaten Henning Bürger, Aushängeschild der Friedenspartei. Außerdem liebten sie offenbar Extremsex.

Wer könnte die Blumenhändlerin umgebracht haben? Der nur scheinbar harmlose Henning Bürger? Oder seine clevere neidische Ehefrau? Die Naivlinge nutzen ihre Ermittlungen auch noch für eine Erpressung, obwohl sie als Verdächtige schon von der Polizei observiert werden. Bis zum unerwarteten Ende bleibt es spannend. Die beiden befinden sich in einem “Chaos aus Mord, Eifersucht, Friedenspolitik und thematisch sortierten Schallplatten“ (Zitat).

Die Sprecher

In einem hervorragend besetzten Team ragen Bjarne Mädel und Florian Lukas, die beiden Callcenter Kumpel, heraus. Die Dialoge des Autors sind ihnen wie auf den Leib geschrieben.

Der geneigte Hörer wird sich gerne an die Vertonungen von Stricker des Herrn Lehmann erinnern. Selten hört man so eine kalte, ehrgeizige Frau wie die Ehefrau vom Bürger. Bürger selbst wirkt privat unsicher, gibt aber in der Öffentlichkeit den starken Mann. Dem etwas trottelig wirkenden Kommissar gönnt der Hörer gerne die Zigarette. Die Regie konnte nahezu alle Sprecherrollen aus dem Hamburger Schauspielhaus besetzen. Chapeau.

Die Sprache

Alle Dialoge hören sich wie aus dem echten Leben einer skurrilen Szenerie an. Immer lakonisch, zutreffend, fein formuliert und meist witzig. Ebenso, wie man es inzwischen aus Filmen und Hörspielen mit Bjarne Mädel kennt. Die Stimmung schwankt zwischen blutgerinnenden Momenten und Angst sowie lautem Lachen, wenn Kuli/Mädel sein Date in den Döner zum Fine Dinner einlädt. Dennoch hört man heraus, dass es inszeniert ist, der Hörer also immer in Distanz bleibt.

Die Machart

Die Story wird chronologisch sauber erzählt. Viele Szenen, schnell geschnitten. Im Mittelpunkt stehen die Dialoge. Immer wieder neue Ideen, neue Aspekte treiben die Handlung bis zum unerwarteten Ende voran. Die Geräusche und die Musik sind eher minimalistisch, aber einfallsreich. Während eines Dialoges, in dem sich der Kandidat und seine betrogene Ehefrau eiskalt angiften, brodelt im Hintergrund eine Kaffeemaschine. Nebenbei werden brandheisse Themen aufgegriffen: Die erniedrigende Arbeit im Call Center, verlogene Politiker, schräge Lebensentwürfe, nüchterne Polizeiarbeit, schwierige Ehen, ungewöhnliche Sexvorlieben und, und…

Eigentlich ist die Story filmreif.

Böses Ende ist ein spannender, temporeicher Krimi mit viel Situationskomik und Ironie, aber bei weitem keine sanfte Krimikomödie wie 2011 beworben.

Fazit

Deutlich besser als vieles, was der Durchschnittstatort bietet. Mehr als ein Frühwerk. Dringend zu empfehlen, Pflicht für Liebhaber von Stricker und Bjarne Mädel

Couch-Wertung: 80°

bei audio to go als Download

"Krimi-Hörspiele: Mediatheken / Tipps 11" von Malte Stamer, 06.2022
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Fotos: istock.com / tolgart

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

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